„Superlative sind momentan das große Ding in der Popmusik“
Musikproduzent Derek von Krogh über die Phänomene Adele und Taylor Swift – und über die hohen Ticketpreise
Der Musikproduzent und Keyboarder Derek von Krogh (51) ist künstlerischer Direktor und Geschäftsführer der Popakademie Baden-Württemberg in Mannheim. Er arbeitete mit vielen Künstlern zusammen, darunter Samy Deluxe, Kim Wilde und Nena. Außerdem war er Produzent und Arrangeur für TV-Casting-Shows wie Popstars, Sing meinen Song und The Voice of Germany. Ein Gespräch über das Pop-Business.
München ist gerade im Pop-Hype. Erst Taylor Swift, jetzt Adele. Adele gibt zehn Konzerte, bekommt sogar eine eigene Arena. Sind solche Superlative gerade en vogue?
Superlative sind momentan das große Ding in der Popmusik. Das liegt daran, dass es wieder eine Konzentration auf die oberen ein Prozent gibt. Popmusik folgt Wellenbewegungen. Mal geht der Fokus auf wenige Künstler, dann weitet sich der Fokus wieder. Was als Format wirklich neu ist, ist die Entscheidung: Ich spiele alle meine Konzerte in Europa an einem Ort. Das ist im Grunde die Übertragung des amerikanischen Las-Vegas-Prinzips.

Wo Adele ja auch auftritt – im Caesars Palace.
Da ist Adele wohl auf den Geschmack gekommen, das auch in Europa so zu machen. Da hat München Glück gehabt!
Wie funktioniert das Pop-Business heute eigentlich?
Zum einen über Mechanismen aus der alten Schule: Plattenfirmen, klassische Promotion, Musikvideos, Verkaufszahlen, Chart-Platzierungen. Hinzu kommt heute Social Media, die Zahl der Follower auf Instagram oder TikTok. Social Media ist ein Grund für Superlative. Hat man Millionen Follower, erreicht man die alle mit einem Post. Früher musste man jedes Mal neu aktiv werden. Es gab wenige Türöffner. Das Jugendmagazin „Bravo“ war so ein Türöffner. Wenn du groß sein wolltest, musstest du dort regelmäßig auftauchen.
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Heute kann man sich ganz gut selbst promoten.
Es hat sich fast umgedreht. Man baut sich auf Social Media was auf – und ab einer gewissen Größe passiert es von allein, dass Instanzen aus dem Business bei einem Anklopfen. Das hat auch Auswirkungen auf die Musik selbst. TikTok bildet ja immer nur wenige Sekunden ab, deshalb produziert man heute gerne „Trailer-Momente“ produzieren. Beliebt ist zum Beispiel, den Refrain als dramaturgische Wende zu nutzen, wo früher nur eine Steigerung stattfand.
Taylor Swift ist derzeit der größte Popstar der Welt. Was ist ihr Geheimnis?
Wenn man das wüsste, würden es alle machen und es wäre kein Geheimnis mehr (lacht). Auf jeden Fall hat Taylor Swift ein vielschichtiges, raffiniertes, aber auch authentisches Social-Media-Konzept. Sie baut Ostereier ein. In ihren Clips gibt es Andeutungen auf neue Veröffentlichungen, in ihren Songtexten Andeutungen auf ihr Privatleben, in Interviews Andeutungen auf kommende Pläne. Die „Swifties“ sind immer beschäftigt, wie bei einer Schnitzeljagd. Taylor Swift schafft Faszination.
Ist die Musik dann am Ende eher zweitrangig?
Nein, am Ende des Tages brauchst du immer ein fantastisches Lied. Superstars wie Taylor Swift haben aber so viele kreative Zuspieler, dass sich immer ein Ausnahmesong findet.
Taylor Swift äußert sich auch politisch – gegen Donald Trump. Welchen Einfluss haben Künstler wie Swift auf die Wähler?
Ich freue mich, dass Popmusik wieder eine Meinung hat, das hatte sich in den vergangenen Jahrzehnten etwas verloren. Das liegt auch daran, dass man in dieser Flut an Veröffentlichungen als Künstler wieder mehr riskieren muss, um aufzufallen. Und das betrifft auch das Feld der Politik. Jemand wie Taylor Swift kann sicher eine schon bestehende Anti-Trump-Haltung zementieren und Einfluss nehmen auf junge Wähler, die noch schwanken.
Eine Frage als Musikfan: Warum sind die Ticketpreise so gestiegen? Wer bei Adele ganz vorne stehen will, legt 400 Euro hin.
Das Geschäftsmodell, Tonträger zu produzieren und zu verkaufen, wurde uns Musikern aus der Hand genommen. Beinahe eine Art Zwangsenteignung. Streaming-Portale wie Spotify zahlen den Künstlern wahnsinnig wenig. Deshalb verdient der Musiker sein Geld wieder als wandernder Barde. Der Live-Sektor ist der einzige, wo das Konzept von Angebot und Nachfrage noch greift. Das produziert hohe Ticketpreise. Das freut mich nicht, aber es ist die einzige Insel, die bleibt. Aber ich habe schon das Gefühl, dass Musik wieder mehr wertgeschätzt wird. Das ist auch für die Gesellschaft sehr gesund. Musik ist eine universelle Sprache. Musik verbindet, das kann die Welt gerade gut gebrauchen.