„Antisemitisches Hassverbrechen“: Netanjahu wettert gegen drohenden Haftbefehl
Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshof könnte noch diese Woche Haftbefehle beantragen. Israels Präsident Herzog sieht einen Missbrauch des Völkerrechts.
Tel Aviv – Seit Mitte April diskutiert die israelische Regierung, wie sie mit Haftbefehlen des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag gegen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, Verteidigungsminister Joaw Gallant und Generalstabschef Herzi Halevi umgehen würde. In einer Videoansprache am Dienstag (30. April) verurteilte Netanjahu diese Haftbefehle, bevor sie ausgestellt sind: Sollte der Gerichtshof die Haftbefehle erlassen, sei dies ein „beispielloses antisemitisches Hassverbrechen“, sagte der Rechtskonservative.
Netanjahu wirft Internationalen Strafgerichtshof „Verzerrung der Geschichte“ vor
Ein solcher Schritt werde Israels Recht auf Selbstverteidigung nach dem Hamas-Massaker am 7. Oktober vergangenen Jahres verletzen. Netanjahu sprach von einer „Verzerrung der Gerechtigkeit und der Geschichte“. Auf Israels Einsatz im Gazastreifen sollen die möglichen Haftbefehle demnach keinen Einfluss haben: „Keine Entscheidung, weder in Den Haag noch anderswo, wird unsere Entschlossenheit, alle Kriegsziele zu erreichen, in irgendeiner Weise schmälern“, sagte Israels Regierungschef.

IStGH-Chefankläger könnte Haftbefehle gegen Netanjahu, Gallant und Halevi beantragen
Die israelische Regierung geht Berichten zufolge davon aus, dass Chefankläger Karim Khan noch in dieser Woche internationale Haftbefehle gegen die drei in der Kommandokette des israelischen Militärs maßgeblich verantwortlichen Männer beantragen könnte. Netanjahu ist als Ministerpräsident Oberbefehlshaber und Verteidigungsminister Gallant sowie Generalstabschef Halevi sind maßgeblich für die konkrete Kriegsführung in Gaza verantwortlich. Der Internationale Strafgerichtshof verfolgt Individuen wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord. Israel erkennt das Gericht nicht an. Aber die palästinensischen Gebiete sind Vertragsstaat. Daher darf der Ankläger auch ermitteln.

Südafrika hatte Ende 2023 Klage gegen Israel beim Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag wegen „völkermörderischen Handelns“ eingereicht. Bisher entschied das Gericht lediglich, es bestehe die Gefahr eines Völkermordes. Ob dem allerdings wirklich so ist, wird der IGH voraussichtlich erst nach Kriegsende entscheiden können. Nach dem Zerfall Jugoslawiens dauerten die Verfahren gegen Völkermörder und Kriegsverbrecher teilweise Jahrzehnte an.
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Israels Präsident Herzog sieht Missbrauch des Völkerrechts
Juristisch würde ein Haftbefehl des IStGH gegen die Betroffenen bedeuten, dass Staaten, die die Statuten des IStGH unterzeichnet haben, verpflichtet wären, diese Personen festzunehmen und an den Gerichtshof zu überstellen, sofern diese sich auf das Hoheitsgebiet dieser Staaten begeben.
Auch Israels Präsident Jitzchak Herzog betonte am Dienstag Israels uneingeschränktes Recht, seine Geiseln zu befreien und seine Bürger zu verteidigen. Israels Staat und Militär arbeiteten im Einklang mit dem Völkerrecht daran, diese Ziele zu erreichen, schrieb Herzog auf der Plattform X, vormals Twitter. „Ich lehne jeden Versuch entschieden ab, internationale Rechtsinstitutionen, einschließlich des Internationalen Strafgerichtshofs zu missbrauchen, um dem Staat Israel seine Grundrechte zu verweigern.“ Ein solches Vorgehen diene nur dazu, allen freien und demokratischen Nationen im Kampf gegen den Terror die Hände zu binden. (dpa/kb)