Wirtschaft gefrustet vom Ampel-Chaos: Zwei Industriegipfel an einem Tag – und keine Lösungen in Sicht

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Industriegipfel hier, Wirtschaftsgipfel da: Die Ampel hat keine einheitliche Wirtschaftspolitik. Unternehmen sind zunehmend genervt – und stellen Forderungen.

Berlin – Die Bundesregierung versucht zweifelt neue Impulse an die Wirtschaft zu senden, um durch bessere Rahmenbedingungen für Unternehmen der andauernden Rezession entgegenzutreten. Das Problem dabei: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) haben jeweils eigene Vorstellungen, wie sie dieses Ziel erreichen – und preschen vor. Ohne Absprache. Für die Wirtschaft wird das zum Dilemma: Schnelle Maßnahmen sind nötig, gleichzeitig drohen sie, in den Ampel-Streit verwickelt zu werden.

Verbände von Ampel-Streit vor Wirtschaftsgipfeln genervt: Keine Zeit für „parteipolitisches Geplänkel“

Vertreter der Wirtschaft zeigten sich vor dem Gipfel genervt vom Streit – und den unterschiedlichen Initiativen. „Der Kanzler gipfelt, der Finanzminister gipfelt, der Wirtschaftsminister schreibt Impulspapiere. Ich kann jeden verstehen, der sagt: Ich blicke da nicht mehr durch und ich kann das auch nicht mehr ernst nehmen“, sagte Lutz Kordges, Sprecher vom Bundesverband „Der Mittelstand“ (BVMV) zu Tagesschau.de.

Lindner, Habeck und Scholz sitzen auf der Regierungsbank im Bundestag und schauen nachdenklich.
Lindner, Habeck und Scholz ringen um eine Wirtschaftspolitik, die aus der Krise führt, kommen aber nicht auf einen gemeinsamen Nenner. (Archivfoto) © Kay Nietfeld/dpa

„Für parteipolitisches Geplänkel ist angesichts der drängenden Herausforderungen keine Zeit“, sagte auch Stephan Hofmeister vom Bundesverband der Freien Berufe der Deutschen Presse-Agentur (DPA).

Wirtschaft hat genug von „politischem Show-Catchen“ – und fordert schnelle Maßnahmen

Deutlicher wird dabei Christoph Ahlhaus, Bundesgeschäftsführer des Mittelstandverbandes BVMV, der bei keinem der beiden Wirtschaftsgipfel eingeladen ist: „Die deutsche Wirtschaft hat genug von Ankündigungsweltmeisterei und politischem Show-Catchen.“ Was diese „inflationäre Gipfelei“ im Herbst der Ampel-Legislatur bringen solle, „kann man keinem Mittelständler, der ums Überleben kämpft, mehr erklären“, sagte Ahlhaus dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Stattdessen mahnten die Verbände vor den Wirtschaftsgipfeln zu einem einheitlichen und schnellen Handeln. „Die Wirtschaftsdaten mahnen zur Eile“, sagte Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, der DPA. „Ein gemeinsamer, schlüssiger und abgestimmter Regierungsplan ist nötig – keine zersplitterte Partei- oder Wahlkampftaktik.“ In den Gesprächen werde es darum gehen müssen, die Notwendigkeit eines von der Ampel-Regierung in Gänze getragenen wirtschaftspolitischen Konzeptes zu betonen.

BDI fordert wirtschaftspolitische Strategie, die Wachstumskräfte der Wirtschaft stärkt

Auch der Industrieverband BDI fordert, dass die Bundesregierung in der Wirtschaftspolitik an einem Strang zieht. Statt „unterschiedlicher Thesenpapiere und Gesprächsformate“ sei eine „gemeinsame wirtschaftspolitische Strategie“ notwendig, die Wachstumskräfte stärke, berichtete Tagesschau.de. Staatliche Rahmenbedingungen müssten dazu verbessert und Unternehmen von Fesseln befreit werden, die derzeit Investitionen ausbremsten.

„Jetzt helfen keine allgemeinen Diskussionen, sondern nur konkrete Maßnahmen: Erstens den Bundeshaushalt beschließen, zweitens Planungsbeschleunigung endlich voranbringen, drittens die Wachstumsinitiative konkret umsetzen“, sagte auch Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). Wansleben ist beim Treffen der FDP zu Gast.

Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Chemieindustrieverbandes VCI, forderte laut Tagesschau.de eine deutliche Entlastung bei den Netzentgelten, indem die Regierung den Netzkostenzuschuss wieder aus dem Bundeshaushalt zahle. Die Bundesregierung müsse jetzt, nicht erst nach der Bundestagswahl, ein starkes Maßnahmenpaket schnüren, „das unsere Wettbewerbsfähigkeit neu entfesselt“.

VW-Krise setzt Ampel-Koalition vor Industriegipfel und Wirtschaftstreffen unter Druck

Besonders heikel ist Scholz‘ Industriegipfel und das FDP-Treffen mit Wirtschaftsvertretern angesichts der drohenden Werkschließungen und Entlassungen im Zuge der Krise bei Volkswagen. Auch VW-Chef Oliver Blume soll laut Informationen des ARD-Hauptstadtstudios beim Industriegipfel sein. „Wir erhoffen uns konstruktive Beratungen, an deren Ende konkrete Maßnahmen stehen, die die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland fördern und die Rahmenbedingungen für den Hochlauf der E-Mobilität verbessern“, sagte ein VW-Sprecher der Tagesschau.

IG Metall-Vorsitzende Christiane Brenner, deren Gewerkschaft bei der VW-Krise ebenfalls eine wichtige Rolle zukommt, bezeichnete die Situation der Industrie und ihrer Beschäftigten als dringend. „Es muss endlich gehandelt werden, dafür ist der ‚Industriearbeitsgipfel‘ genau richtig.“ Die Gewerkschaft erwartet konkrete Maßnahmen.

Laut der DGB-Vorsitzenden Yasmin Fahimi liegen die Themen für die Herausforderungen in der energieintensiven Industrie und im Automobilsektor „auf der Hand“. Dabei nannte sie „stabile Strompreise, Ausbau und Investitionen in die Infrastruktur des Landes sowie Anreize zum Kauf von Elektromobilität“.

Scholz will Inhalte seines Industriegipfels vertraulich halten

Fraglich ist, ob diese Maßnahmen auf den beiden Wirtschaftsgipfeln beschlossen werden. Zumindest die Inhalte vom Industriegipfel des Bundeskanzlers sollen vertraulich bleiben. Eine Pressekonferenz im Anschluss gibt es nicht. Auch Ergebnisse sind laut dem stellvertretenden Regierungssprecher Wolfgang Büchner nicht zu erwarten. Scholz wolle dabei hören, welche Reformen über die von der Ampel-Koalition bereits beschlossenen Schritte hinaus nötig seien, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen.

„Das, was dabei rauskommt, werde ich diesem Parlament vorschlagen, auch auf den Weg zu bringen, damit es vorangeht in Deutschland“, hatte Scholz in seiner Regierungserklärung angekündigt. (ms mit dpa)

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