Der neue Europa-Vergleich: Unsere Bundesliga ist jetzt da, wo sie nie hinwollte
Der Transfersommer verlief für die Bundesliga unerfreulich. Einige Stars haben die deutsche Elite-Liga in Richtung England verlassen. Am spektakulärsten war gewiss der Wechsel von Florian Wirtz nach Liverpool. Doch neben dem deutschen Spielmacher gingen auch Hugo Ekitiké, Jeremie Frimpong und Benjamin Šeško auf die Insel.
Xavi Simons, der am Freitag noch für RB Leipzig bei der bitteren Pleite zur Saisoneröffnung gegen Bayern München auflief, könnte bis zum Ende des Transferfensters folgen.
Die Bundesliga verkauft Stars teuer nach England - und kauft selbst günstig nach
Zugleich tun sich die Bundesligisten schwer, selbst Stars ins Land zu holen. Bayer Leverkusen etwa setzt vor allem auf vielversprechende Talente, die sich im besten Fall in die Stars von morgen entwickeln können. Aber ein gewisses Risiko schwingt bei solchen Umbrüchen im Kader immer mit.
Andere Klubs – etwa Eintracht Frankfurt – versuchen erst gar nicht adäquaten Ersatz zu finden, sondern mit Kreativität auf dem Transfermarkt vorzugehen. Die Hessen haben mittlerweile den kompletten Supersturm der Hinrunde 2024 mit Ekitiké und Omar Marmoush an die englischen Superreichen verloren. Ekitiké ging wie Wirtz und Frimpong nach Liverpool, Marmoush schloss sich bereits im Januar Manchester City an.
Durch diese Verkäufe sind die Kassen bei einigen Bundesligisten, die auch international spielen werden, bis oben hin gefüllt. Aber über das Transferplus der gesamten Liga, das aktuell bei rund 144 Millionen Euro (laut transfermarkt.de) liegt, können sich allenfalls die wirtschaftlichen Geschäftsführer freuen. Der Qualitätsverlust ist für den Moment nicht wegzudiskutieren.
Von wegen Nummer zwei in Europa: Neues Ranking ist eine Backpfeife für DFL-Bosse
Das bestätigt auch eine Analyse vom Datendienst Opta aus diesem Sommer. Bereits vor einigen der angesprochenen Wechsel belegte die Bundesliga im Power Rating von Opta nur noch den vierten Rang unter den internationalen Ligen – hinter der Premier League, aber auch hinter der spanischen La Liga und der italienischen Serie A.
Geht es nach dem angesprochenen Rating (hier zu finden), so befindet sich die Bundesliga nur noch knapp vor der französischen Ligue 1.
Das ist eine kleine Backpfeife für die DFL-Verantwortlichen, die eigentlich das deutsche Fußball-Oberhaus als Nummer zwei hinter der Premier League international etablieren wollten.
Vor einigen Jahren sah dieses Unterfangen auch noch vielversprechend aus. Damals spielte Bayern München um den Champions-League-Titel, Borussia Dortmund war immer gut fürs Viertelfinale in der Königsklasse, Eintracht Frankfurt sorgte für Furore in der Europa League und RB Leipzig schien stets in der Lage, für eine Überraschung auf internationalem Parkett zu sorgen. Allerdings setzt der Bundesliga die finanzielle Kluft innerhalb des europäischen Fußballs immer mehr zu.
In England kassiert selbst ein chancenloser Klub enormes Preisgeld
In Italien investieren zunehmend US-amerikanische Geldgeber, die zugleich von günstigen steuerlichen Bedingungen bei der Zusammensetzung der Kader profitieren. Die spanische Liga generiert aufgrund der Strahlkraft von Real Madrid und dem FC Barcelona sowie der Verbindung zum spanischsprachigen Markt weltweit jede Menge finanzielle Mittel.
Und England ist sowieso ein fußballerisches Milliardenimperium. Der Letztplatzierte der Vorsaison, Southampton, kassierte fast 110 Millionen Britische Pfund an Preisgeld, obwohl die Südengländer nur zwei Spiele gewannen und sang- und klanglos abstiegen.
Bayern und Dortmund tun sich schwer
In der jüngeren Vergangenheit mussten vor allem die Mittelfeldteams der Bundesliga im Transfersommer immer wieder Federn lassen. Sobald ein Spieler seinen Durchbruch schaffte, klopften Nottingham Forest, Brighton, Everton oder wer auch immer von der Insel an.
Oftmals erfolgte der Verkauf für 15 bis 30 Millionen Euro. Doch mittlerweile trifft es häufiger auch die Leverkusens und Leipzigs. Zugleich tun sich sowohl Bayern München als auch Borussia Dortmund schwer, wirkliche Kracher zu landen.
In England wird über die Budgets der Bundesliga-Klubs gelächelt
Bayerns Sportvorstand Max Eberl verhandelt sich die Finger wund, konnte aber bislang aus dem Ausland nur Luis Díaz anlocken. Bei Dortmund war es bis dato nur Jobe Bellingham. Zwei Top-Spieler, mehr aber eben auch nicht.
Dass Dortmund lediglich ein Transferbudget von 30 bis 40 Millionen Euro in diesem Sommer haben soll, verdeutlicht die Diskrepanz etwa zu den Engländern. Dort wird über die deutschen Zahlen mittlerweile müde gelächelt.
Zur Verteidigung der deutschen Anwärter muss allerdings gesagt werden: Auf der Zielgeraden des Transfersommers versuchen Bayern, Leverkusen, Leipzig und Dortmund noch nachzurüsten.
Die Clubs sind gewiss nicht inaktiv, Leipzig könnte noch Harvey Elliott aus Liverpool holen, Dortmund soll unter anderem den Portugiesen Fábio Silva aus Wolverhampton verpflichten wollen. Und dass Bayern noch einen Hochkaräter ausleihen will, ist täglich großes Thema in München.
Aber: Was wir an der Bundesliga weiter schätzen sollten
Der Absturz auf Platz vier in Europa, vielleicht sogar demnächst Rang fünf, tut in Deutschland sicherlich weh. Und doch hat die Bundesliga natürlich auch ihre guten Seiten. Und die sollte man trotz der sportlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen weiterhin zu schätzen wissen:
- Es gibt keine windigen Investoren,
- es gibt keine verlängerten Sportswashing-Arme von Diktatoren bei den Klubs,
- die Ticketpreise sind weiterhin erschwinglich.
- und: Die Stimmung in den Stadien ist besser als bei vielen Premier-League-Teams.
Es könnte jedoch sein, dass der gemeine Bundesliga-Fan demnächst am besten die Augen verschließt, wenn die Teams in die K.o.-Phase von Champions oder Europa League vorstoßen.
Natürlich ist es möglich, dass Leverkusen oder auch Frankfurt mit ein paar smarten Schachzügen wettbewerbsfähig bleiben. Nur so recht mag man aktuell angesichts des Aderlasses nicht daran glauben.