Will Russland plötzlich Ukraine-Waffenstillstand? Putins perfides Propaganda-Verwirrspiel

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Der russische Präsident Wladimir Putin (links) und der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko (rechts) bei ihrem bilateralen Treffen in Minsk. © IMAGO/Mikhail Metzel/Kremlin Pool

Laut Berichten ist Russland im Ukraine-Krieg zu einem Waffenstillstand bereit. Putins Reaktion spricht allerdings Bände. Und das Verwirrspiel zieht noch wahnwitzigere Kreise.

Moskau – Will Russlands starker Mann plötzlich einen Waffenstillstand in der Ukraine? Berichte der britischen Nachrichtenagentur Reuters über diese neue Entwicklung im Ukraine-Krieg sorgen aktuell für Aufsehen. Doch zeitgleich ist Wladimir Putin zum atomaren Säbelrasseln zu seinem Vasallen nach Belarus gereist und offenbart dort auch, was er zu den Gerüchten zu einem Waffenstillstand denkt.

Russlands Präsident Wladimir Putin ist Reuters-Insidern zufolge bereit zu einer Waffenruhe, die den jetzigen Frontverlauf festschreibt. So die Meldung am Freitag (24. Mai 2024). Putin könne „so lange kämpfen, wie es nötig ist“, sagte eine mit den Gesprächen in Putins direktem Umfeld vertraute Person der Nachrichtenagentur. „Aber Putin ist auch zu einem Waffenstillstand bereit – um den Krieg einzufrieren“, wird der Insider weiter zitiert. Drei der insgesamt vier Insider von Reuters berichten demnach über Äußerungen Putins in diese Richtung. Russlands Präsident sei „frustriert“ über seiner Ansicht nach westliche Versuche, Verhandlungen zu unterbinden. Zudem habe Putin die Entscheidung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj beklagt, Gespräche mit Putin auszuschließen.

Waffenruhe im Ukraine-Krieg? Putins Verwirrspiel über mögliche neue Verhandlungen

Zeitgleich machte Putin aber auch deutlich, dass er aktuell keine Verhandlungsgrundlage sehe. Auf die Reuters-Informationen angesprochen erwiderte der Präsident auf Lebenszeit bei seinem Belarus-Besuch, dass man zwar prinzipiell zu Gesprächen bereit sei: „Aber mit wem sollen wir verhandeln? (...) Natürlich stellen wir fest, dass die Legitimität des amtierenden Staatsoberhaupts abgelaufen ist.“ Damit spielt Putin darauf an, dass die Amtszeit des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj eigentlich am Montag geendet hätte. Durch das in der Ukraine verhängte Kriegsrecht bleibt Selenskyj aber im Amt, bis Wahlen durchgeführt werden können.

Putin spielt somit ein doppeltes Spiel: Einerseits zeigt er sich während einer Groß-Offensive Russlands in der Ukraine bereit für einen Frieden – in einem Angriffs-Krieg, den er völkerrechtswidrig begonnen hat. Gleichzeitig schließt er Verhandlungen aber aus, da er der ukrainischen Führung die Legitimität abspricht. Das passt zur russischen Mär, dass die Ukraine kein legitimes Land sei. Verhandlungen sind aus russischer Sicht offenbar weiter nur über, aber nicht mit der Ukraine möglich.

Doch Putins perfide Propaganda geht noch weiter.

Will Russland wirklich Frieden in der Ukraine? Putins Botschafter kritisiert die USA

Denn die prinzipielle Bereitschaft zu Verhandlungen, die man zeitgleich aber letztlich ausschließt, wird parallel genutzt, um den Westen als Kriegstreiber darzustellen. „Die Signale der amerikanischen Behörden sind völlig klar. Sie tun alles, um den Konflikt zu verlängern und die Zahl der Opfer auf russischer und ukrainischer Seite, auch unter der Zivilbevölkerung, zu erhöhen“, sagte der russische Botschafter in Washington, Anatoli Antonow, laut Tass am Freitag.

Zuvor hatte die US-Regierung neue Waffenlieferungen an die Ukraine im Wert von 275 Millionen US-Dollar angekündigt. Die Erzählung Russlands: An genau dem Tag, als Russland sich „unmissverständlich“ bereit erklärt, Verhandlungen im Ukraine-Krieg aufzunehmen, kündigen die USA „die Lieferung tödlicher Produkte an die Marionetten an“.

Waffenruhe im Ukraine-Krieg? „Kreml täuscht regelmäßig Interesse vor“

Die Militär-Experten des Think-Tanks vom Institute for the Study of War ordnen dazu ein: „Der Kreml täuscht regelmäßig Interesse an sinnvollen Verhandlungen vor. Dies ist Teil einer langjährigen Informationsoperation, die den Westen zu Zugeständnissen hinsichtlich der territorialen Integrität und Souveränität der Ukraine bewegen soll.“ Die Berichte von Reuters stünden „in scharfem Kontrast zur offiziellen öffentlichen Rhetorik und den Handlungen Russlands“.

Und weiter: „Ein Waffenstillstand, der die derzeit besetzten Gebiete abtritt, würde die Idee konkretisieren, dass die territoriale Integrität der Ukraine verhandelbar ist, ein Präzedenzfall, den der Kreml mit Sicherheit erneut nutzen würde, um weitere territoriale Zugeständnisse zu fordern und die Idee eines ukrainischen Staates insgesamt infrage zu stellen.“

Genau diesem Punkt widersprach auch das US-Außenministerium nach den Berichten: Jede Friedensinitiative müsse „die territoriale Integrität“ der Ukraine mit den international anerkannten Grenzen respektieren. Dies hatte auch Ukraine-Präsident Selenskyj wiederholt zum Ausdruck gebracht.

Ukraine-Waffenstillstand? Putins Plan geht noch weiter – und er hat ein Ass im Ärmel

Ukraine-Außenminister Dmytro Kuleba sieht in dem russischen Vorstoß den Versuch Putins, die in der Schweiz geplanten Friedensgespräche zu untergraben. Die Ukraine hatte diese initiiert und erhofft sich Rückendeckung aus dem Westen. Die Gespräche sollen ohne Russland stattfinden. „Putin hat derzeit nicht das Bedürfnis, seine Aggression gegen die Ukraine zu beenden“, schrieb Kuleba auf der Plattform X (vormals Twitter).

Das passt. Denn Putin erklärte laut Repubblica in Minsk auch, dass die Friedenskonferenz ein „Public-Relations-Stunt“ sei. Gegenüber der italienischen Zeitung erklärte die Politikwissenschaftlerin Tatiana Stanovaja: „Der Kreml signalisiert dem Westen, dass Selenskyj abgesetzt werden muss, weil Moskau ihn als Hindernis sieht.“ Und in Moskau hat man dem Blatt nach auch eine Idee, wer Selenskyj ersetzen sollte: Ukraines Ex-Präsident Viktor Janukowitsch. Der Russland-freundliche Politiker war nach blutiger Niederschlagung von Protesten in der Ukraine mitsamt seines erworbenen Reichtums nach Russland geflüchtet. Auch er war am Freitag mit Putin zu Lukaschenko nach Belarus gereist. (rist)

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