„Einen anderer Planet“: Astrophysiker berichtet über seinen Alltag am Südpol

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„Allein die Polarlichter sind es Wert“, sagt der Astrophysiker Robert Schwarz über seine Zeit in der Antarktis. © Robert Schwarz

Der Astrophysiker Robert Schwarz verbrachte 15 Winter auf der Amundsen-Scott-Station in der Antarktis. In einem Interview mit der EZ berichtet er nun über den eiskalten Alltag am Südpol.

Vaterstetten – Sechs Monate Tag, sechs Monate Nacht, vollkommen abgeschnitten von der Außenwelt: Der Astrophysiker Robert Schwarz hat 15 Mal auf der Amundsen-Scott-Station in der Antarktis überwintert. Kein Mensch war länger am geografischen Südpol als er. Am Freitag, 14. März hält er einen Vortrag in Vaterstetten. Wir haben mit dem Germeringer über seinen Alltag mit Polarlichtern und drei Lagen Handschuhen gesprochen und darüber, wie man sich fit hält, wenn Joggen bei minus 80 Grad keine Option ist.

Herr Schwarz, warum ist der Südpol ein so idealer Ort für astrophysikalische Forschung?

Aufgrund der Kälte ist es dort staubtrocken. Die Sahara ist im Vergleich dazu ein Feuchtgebiet. Dadurch ist der Südpol im Moment der beste Platz auf der Erde für Mikrowellenastronomie, bei der jeglicher Wasserdampf stört. Noch besser wäre es für die Forschung nur noch im Weltall.

Was lernen wir im ewigen Eis über den Weltraum?

Wir können auf das Baby-Universum blicken. Das älteste Signal, das wir im Teleskop dort auffangen können, ist 13,8 Milliarden Jahre unterwegs. Zum Vergleich: Das Sonnenlicht braucht 8,2 Minuten, das Bild von der Nachbargalaxie Andromeda, das wir heute Nacht anschauen, ist schon 2,5 Millionen Jahre alt.

Wie fühlt es sich an, sechs Monate lang in völliger Dunkelheit und dann sechs Monate im ständigen Tageslicht zu leben?

Hier in Deutschland finde ich es schrecklich, wenn es im Winter erst um sechs Uhr hell wird und um 16 Uhr schon wieder dunkel. Aber dort ist es für mich wie auf einem anderen Planeten. Ich lege einen Schalter um und bin dann in einem anderen Leben. Es gibt keine Landschaft wie auf dem offenen Meer, nur gefroren. Aber es gibt einen fantastischen Sternenhimmel und keine Lichtverschmutzung. Übrigens ist die Polarnacht wesentlich besser als der Polartag, wenn es immer gleißend hell ist.

Mit Brettspielen und Sport: Der Freizeitvertreib am Südpol

Verändert sich das Zeitgefühl?

In gewisser Weise ja, da der 24-Stunden-Rhythmus der Sonne fehlt. Auf der Station leben 42 Personen inklusive Ärzten, Köchen und Mechanikern. Die meisten gehen einem festen Tagesablauf mit Arbeitszeiten nach, das strukturiert den Tag etwas. Aber ich war schon froh, dass ich eine Uhr mit Wochentagsanzeige habe. Jeder Tag ist gleich.

Wie sieht ein typischer „Feierabend“ am Südpol aus?

Sport ist natürlich wichtig. Laufen gehen kann man nicht. Wenn man draußen tief einatmet, friert man sich die Lunge an. Aber wir haben einen Fitnessraum und eine Turnhalle, ich spiele gerne Volleyball. Ein Fernsehsignal können wir dort nicht empfangen, aber wir schauen gespeicherte Filme an. An anderen Abenden spielen wir zusammen Brettspiele, ratschen oder feiern. Langweilig wird‘s auf jeden Fall nicht.

Niemals ohne Mütze und Jacke: Robert Schwarz hat 15 Winter am Südpol verbracht – bei bis zu -80 Grad Celsius.
Niemals ohne Mütze und Jacke: Robert Schwarz hat 15 Winter am Südpol verbracht – bei bis zu -80 Grad Celsius. © Robert Schwarz

Kommt man auch auf verrückte Ideen?

Da fällt mir der 300er-Club ein. Wenn die Temperaturen draußen auf minus 100 Grad Fahrenheit sinken (-73,3, Grad Celsius, d.R.), heizen wir die Sauna auf plus 200 Grad Fahrenheit (93,3 Grad Celsius, d.R.). Dann geht‘s direkt aus der Sauna nur in Schuhen raus, einmal rund um den Südpol und zurück. 300 Grad Fahrenheit Unterschied und 400 Meter Strecke. Wer das geschafft hat, ist Mitglied im 300er-Club. Das Schwierigste ist, nicht zu schnell zu gehen und immer nur flach zu atmen, wenn‘s so kalt ist.

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Sie sagen, Sie sind eher ein Sommermensch. Haben Sie sich jemals gefragt: „Warum tue ich mir das eigentlich an“?

Allein die Polarlichter sind es Wert, runterzugehen. Die Station ist direkt unter der Hauptaktivitätszone. Aber klar flucht man jeden Tag über die Kälte, die bräuchte ich nicht. So richtig eklig wird es ab minus 50 Grad Fahrenheit (-45 Grad Celsius, d.R.). Da friert man sich die Finger auch bei drei paar Handschuhen übereinander an. Und draußen brechen die Kabel zum Beispiel von einer Bohrmaschine, Plastikteile lösen sich auf. Das ist lästig, aber es ist halt so und gehört dazu. Das nimmt man einfach in Kauf.

Was haben Sie am meisten vermisst: Frisches Obst, warme Sonnenstrahlen oder einfach einen Spaziergang ohne Jacke?

Neben Freunden und Familie frische Nahrung. Wir haben zwar ein kleines Gewächshaus, weil wir im Winter acht Monate komplett abgeschnitten sind. Aber da ziehen wir nur Salat oder ein paar Tomaten. Die erste Orange danach ist superlecker. Ich bin Milchtrinker. Wenn ich dann nach so vielen Monaten nur mit Milchpulver die erste Frischmilch trinke, das hat schon etwas.

Multimedia-Vortrag

Der Astrophysiker Robert Schwarz hält am Freitag, 14. März, um 18 Uhr einen Multimedia-Vortrag „Unter den Polarlichtern der Antarktis“ im Pfarrzentrum Vaterstetten. Veranstalter ist die Gemeinde Vaterstetten. Karten gibt es bei München Ticket, www.muenchenticket.de, und in der Papeterie Löntz in Baldham.

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