Mehr als 40 Prozent des Gehalts für die Miete: Wohnen entwickelt sich zur „sozialen Frage“
Laut einer neuen Studie sind immer mehr deutsche Haushalte mit ihrer Miete überlastet. Es fehlt an sozialem Wohnraum und Regularien verpuffen. Gibt es überhaupt eine Lösung am Wohnungsmarkt?
Berlin – Es baut, wer es sich leisten kann. Seit einigen Jahren ließe sich diese Weisheit auch auf einen Großteil der Menschen in Deutschland beziehen, die zur Miete wohnen. Laut einer neuen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin hat sich die Anzahl der mit Mietzahlungen „überlasteten“ Haushalte zwischen 1991 und 2021 fast verdreifacht. Die Anzahl der Menschen, die 40 Prozent oder mehr ihres verfügbaren Nettoeinkommens für ihre gemietete Wohnung ausgeben müssen, ist laut DIW von fünf auf 14 Prozent gestiegen.
Neue DIW-Studie: Deutsche Haushalte sind mit Mieten überlastet – besonders Einkommensschwächere
Gegenüber ZDFheute, das zuerst über die Studie berichtet hatte, erklärt DIW-Autor Konstantin Kholodilin: „Wohnen entwickelt sich mehr und mehr zu einer sozialen Frage.“ Besonders betroffen sind Haushalte mit geringem Einkommen: 20 Prozent der einkommensschwächsten Mieter müssten im Durchschnitt 36 Prozent ihres Netto-Gehalts für die Miete ausgeben. Die Einkommensstarken zahlen dagegen „lediglich“ 22 Prozent. Diese Entwicklung liegt laut DIW auch an den fehlenden Sozialwohnungen am Markt. Während 1980 noch rund vier Millionen der geförderten Wohnbauten in Deutschland existierten, waren es 2022 nur noch rund eine Million.
Auf Sicht der kommenden Jahre wird sich an diesem Status quo vorerst nichts ändern. Die von der Ampel-Regierung angekündigten 400.000 Wohnungen jährlich – darunter 100.000 Sozialwohnungen – wurden bisher in keinem Jahr erreicht.
Nur 49.430 statt 100.000 neue Sozialwohnungen: Experte sieht „keine einfachen Lösungen“ für Baumangel
Allein im Jahr 2023 entstanden nur 49.430 geförderte Sozialwohnungen, 15.300 fielen ganz weg, wie die Deutsche Presse-Agentur das Bauministerium zitiert. Gründe für diese Stagnation finden sich vor allem in der endlichen Mietpreisbindung. Läuft diese für Sozialwohnungen aus, erhöhen die Inhaber die Miete – zu Lasten der Mieter.
„Einfache Lösungen“ gäbe es hier nicht, erklärt Kholodilin. Neubauten benötigten immer Zeit. Zudem erreichten Regulierungs-Mechanismen wie etwa die Mietpreisbremse zwar kurzfristige Effekte, lähmten aber den Anreiz zu bauen. Vermieter könnten diese ohnehin umgehen, indem sie Wohnraum vielerorts unter dem Stichwort möbliert und „auf Zeit“ anbieten – für diese Wohnform gilt die Preisdeckelung nicht. Ähnlich skeptisch sieht der DIW-Experte die Erhöhung des Wohngeldes. Die Mieten würden sich an den Kapitalanstieg der Mieter anpassen und ihrerseits teurer werden.

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Inflation treibt Preise nach oben: Rund 40 Prozent der Vermieter erhöhte im vergangenen Jahr die Miete
Doch die Mieterhöhungen kommen oftmals nicht aus dem Nichts – sondern sind eng an volkswirtschaftliche Entwicklungen gebunden. Eine repräsentative Umfrage der Immobilienplattform immowelt.de hatte zuletzt ergeben, dass rund 40 Prozent der Vermieter in den vergangenen zwölf Monaten die Miete erhöht hätten. Gründe für die Verteuerung liegen neben der Angebotslücke auch in der Inflation und den gestiegenen Kosten für Handwerker oder Baumaterial.
Seit zwei Jahren beobachten Immobilienexperten eine Umkehr am Markt. Jahrelang stiegen die Preise für Wohneigentum schneller als die Mieten. Doch seit 2022 drehte sich der Trend um – zu diesem Ergebnis kommt eine Auswertung des Immobilien-Dienstleisters ImmoScout24. So sei der Preisindex für Eigentumswohnungen zwischen 2022 und 2024 um 9,4 Prozent gesunken, während die Mieten um 11,7 Prozent gestiegen seien.
Wird der Immobilienkauf durch hohe Mieten attraktiver? Experte setzt auf kommunale Entscheidungsmacht
Die Zahlen bewiesen, dass der „Immobilienkauf als Investment oder Eigenheim immer attraktiver“ werde, erklärte Gesa Crockford, Geschäftsführerin von ImmoScout24 gegenüber tagesschau.de. Zumindest für jene, die es sich leisten können, ließe sich hier anfügen. Dennoch sei eine Änderung der Verhältnisse laut Kholodilin vorerst nicht in Sicht. Was dann überhaupt gegen die hohen Mieten unternommen werden kann? Helfen könne wohl nur ein Mix aus verschiedenen Maßnahmen sowie mehr Entscheidungskompetenzen auf kommunaler Ebene. So hätten die Verantwortlichen in den Verwaltungen mehr Spielraum, um unlautere Mietpraktiken oder überhöhte Angebote zu verhindern.