Trendwende im Allgäu: Immobilienmarkt stabilisiert sich
Auf dem Immobilienmarkt zeichnet sich eine Trendwende ab. Für die Allgäuer bedeutet das: Sie haben wieder bessere Chancen auf ein eigenes Zuhause.
Kempten/Allgäu – „2022 ist für einige der Immobilientraum geplatzt. Manche trauen sich jetzt wieder.“ Mit diesen Worten deutete Angelo Picierro, Vorstandsmitglied der Sparkasse Allgäu, in einem Pressegespräch an, dass sich auf dem Immobilienmarkt zurzeit eine Trendwende abzeichnet.
Expertenmeinung: Der Immobilienmarkt stabilisiert sich – auch im Allgäu
Die EZB habe auf die steigende Inflation zu spät reagiert. „Deswegen musste die Reaktion stark ausfallen“, begann Gerhard Grebler, Vorstandsmitglied der LBS Süd, seine Analyse. Das Zinsniveau vervierfachte sich in den letzten zwei Jahren. „Das hat dem Bausektor geschadet.“ Aber jetzt sei das Plateau erreicht, der Markt stabilisiere sich, so die Einschätzung des Experten.
Den Einbruch der Kauf- und Verkaufszahlen auf dem bayerischen Immobilienmarkt im Jahre 2023 bezeichnete Grebler als „bemerkenswert“. Während das Volumen der Transaktionen zwischen 2010 und 2021 kontinuierlich von 29,7 auf 72,0 Milliarden Euro gewachsen ist, lag es 2023 nur bei 44,6 Milliarden Euro: ein Rückfall auf das Niveau von 2015. In Kempten wurden auf dem Immobilienmarkt im vergangenen Jahr 205 Millionen Euro, in Kaufbeuren 116, im Kreis Oberallgäu 516 und im Kreis Ostallgäu 375 Millionen Euro umgesetzt, präsentierte Stefan Horwath, Leiter des Immo-Centers der Sparkasse Allgäu, die regionalen Zahlen. Im bayerischen Vergleich ist der Rückgang also weniger stark ausgefallen. Würden die aktuellen Werte dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre (Kempten: 247, Kaufbeuren: 141, Oberallgäu: 506, Ostallgäu: 403 Millionen Euro) gegenüberstellt, könne man im Oberallgäu sogar ein leichtes Wachstum beobachten.
„Der Wunsch der Menschen nach einer eigenen Immobilie ist ungebrochen“
„Das Allgäu ist eine absolute Zuzugsregion, in der sich Arbeiten und Leben auf einem hohen Niveau miteinander vereinen lassen“, lieferte Horwath die Erklärung. Laut der Prognose des Landesamtes für Statistik wächst die Bevölkerung in den kommenden 20 Jahren in Kempten um 7,4, in Kaufbeuren um 9,5, im Oberallgäu um fünf und im Ostallgäu um 9,1 Prozent. Und alle diese Menschen brauchen Wohnraum. „Der Wunsch der Menschen nach einer eigenen Immobilie ist ungebrochen“, stellte Grebler fest. Diese biete für sie Sicherheit und Gestaltungsspielraum. Da die Mieten in letzter Zeit deutlich angestiegen seien und die Zinsen sich stabilisierten, werde der Kauf mit Finanzierung wieder attraktiver.
Die Bautätigkeit könne aber den Bedarf nicht decken. Dafür müssten auf Bundesebene 400.000, in Bayern 70.000 neue Wohneinheiten pro Jahr gebaut werden. Dieses Ziel wurde in den letzten Jahren immer verfehlt. In Bayern erreichte man 2023 mit 65.770 einen Höchststand. „Aber das wird auch der Höchststand bleiben“, meinte Grebler.
Alte Weisheiten gelten nicht mehr
Bei den Preisen gelten die alten „Weisheiten“ nicht mehr, so die Experten. Es gebe eine starke Differenzierung nach Region, nach Lage, nach Objektart (Neubau-Altbau, Haus-Wohnung) und immer stärker nach dem energetischen Zustand der Gebäude, so der LBS-Vorstand. Bei 59 Prozent der vorhandenen Immobilien stehe eine entsprechende Sanierung noch aus. Da in Deutschland 80 Prozent der vermieteten Wohnungen Klein- und Kleinstbesitzern (unter fünf Objekte) gehöre, sehe er in diesem Bereich ein großes Potenzial für die Sparkassen. Fördermittel helfen dabei, die Leute zu diesem Schritt zu motivieren. In Beratungsgesprächen könne man oft den Weg aufzeigen, wie man schrittweise vorankomme (Fenster, Dach, Heizung usw.) Der hohe Bedarf an energetischer Sanierung sorge auch dafür, dass die Auftragsbücher der Handwerker zurzeit sehr gut gefüllt seien.
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2023 habe die Sparkasse an Privatkunden rund 260 Millionen Euro Baufinanzierungsdarlehen zugesagt, berichtete Picierro. „In den Vorjahren lagen wir bei 400 Millionen Euro.“ Mit dieser Summe sei die Sparkasse weiterhin Marktführer in der Bankenlandschaft. Eine besonders hohe Nachfrage gebe es nach Bauspardarlehen, die Sparkasse Allgäu habe im vergangenen Jahr diese in der Höhe von rund 19 Millionen Euro bewilligt. Das sei ein Plus von mehr als 200 Prozent gegenüber dem Vorjahr. „Die Kunden schauen mehr auf die Zinssicherheit, deswegen ist Bausparen wieder sexy geworden“, so Horwath.
Eigenkapital-Anteil beim Hauskauf mittlerweile deutlich geringer
Die Sparkasse Allgäu habe 2023 216 Objekte im Wert von rund 63,7 Millionen Euro vermittelt, berichtete der Leiter des Immo-Centers. Da es nicht mehr so leicht sei, eine Immobilie zu verkaufen beziehungsweise den realistischen Preis zu ermitteln, steige die Nachfrage nach den Dienstleistungen der Makler.
Die finanziellen Voraussetzungen für den Kauf einer Immobilie hätten sich auch entscheidend verändert, sagte Horwath. Früher sei man von einem Muss von einem Drittel an Eigenkapital ausgegangen, heute reichten 15 bis 20 Prozent, in Einzelfällen funktioniere es sogar ohne. Man schaue auf die Liquidität, der Anteil für die Wohnungsfinanzierung sollte 40 Prozent des Haushaltseinkommens nicht überschreiten. „Mach dich nicht zum Sklaven deines Objekts“, lautet Picierros Devise.
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