Darlehen oder Mehrbedarf: Sozialarbeiter rät Bürgergeld-Empfängern, „Nein“ vom Jobcenter nicht zu akzeptieren

  1. Startseite
  2. Verbraucher

Kommentare

Ein „Nein“ vom Jobcenter muss nicht das Ende sein. Ein Sozialarbeiter empfiehlt Bürgergeld-Empfängern, Bescheide zu verlangen und zu protestieren.

Kassel – „Nein, das machen wir nicht.“ „Das ist nicht möglich.“ „Das geht nicht.“ Diese ablehnenden Aussagen sind Empfängern von Bürgergeld allzu vertraut, wenn es etwa um ein Darlehen oder Mehrbedarf geht. Doch genau bei solchen Reaktionen der Behörden sollten die Betroffenen aufmerksam werden. Ein Fachmann empfiehlt, sich nicht einschüchtern zu lassen und ein „Nein“ vom Jobcenter nicht einfach zu akzeptieren. Stattdessen sollte man einen schriftlichen Bescheid verlangen, wenn das Anliegen mündlich oder per E-Mail abgelehnt wurde.

Anfrage beim Jobcenter abgelehnt? Diese Rechte haben Bürgergeld-Empfänger

Der selbstproklamierte „Sozialarbeiter aus Leidenschaft“, „Sozi(alarbeiter) Simon“, berichtet auf X, dass Bürgergeld-Empfänger das Recht haben, die Entscheidung als schriftlichen Bescheid zu erhalten. Daher empfiehlt er, bei einer mündlichen Ablehnung oder einem „Nein“ per E-Mail auf § 33 Abs. 2 S. 3 im Sozialgesetzbuch (SGB X) zu verweisen.

Simon, der auf gegen-hartz.de als Mitautor des SGB II & SGB XII Leitfadens von A bis Z genannt ist, ist besonders für seine Ratgeber-Tweets auf Twitter bekannt und arbeitet seit 2022 als freier Autor für das Portal. Gegen-Hartz beschreibt sich auf seiner Homepage als ein Magazin zum Thema Sozialleistungen. Die Redaktion setzt sich aus Sozialarbeitern, Juristen und Sozialrechtsexperten zusammen.

Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 36a Absatz 2 und 2a des Ersten Buches findet insoweit keine Anwendung.

Gleichzeitig sollte laut Bürgergeld.org das zuständige Jobcenter darüber informiert werden, dass man erwägt, Widerspruch gegen ihre Entscheidung einzulegen. Wichtig zu wissen: Die Widerspruchsfrist beträgt einen Monat ab Zugang des Bescheids. Ist keine Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid vermerkt – was laut Bürgergeld.org durchaus vorkommen kann – haben Betroffene sogar zwölf Monate Zeit, um Widerspruch zu erheben (§ 58 VwGO).

Zahl der Widersprüche gegen Jobcenter steigt – wohl rund die Hälfte der Bescheide rechtswidrig

Laut Angaben der Bundesagentur für Arbeit stieg die Anzahl der Widersprüche gegen Jobcenter im Jahr 2023 leicht an. Die meisten Einsprüche wurden jedoch abgewiesen. Ein Anwalt gibt an, dass durchschnittlich 50 Prozent der Bürgergeld-Bescheide rechtswidrig sind. Viele Bürgergeld-Berechtigte bekommen wegen fehlerhafter Bescheide zu wenig.

Der Gang zum Jobcenter kann durchaus mit einer Enttäuschung enden: Absagen müssen Bürgergeld-Empfänger aber nicht ohne Weiteres hinnehmen.
Der Gang zum Jobcenter kann durchaus mit einer Enttäuschung enden: Absagen müssen Bürgergeld-Empfänger aber nicht ohne Weiteres hinnehmen. © Maximilian Koch/Imago

Bürgergeld-Empfänger sollten gegen Jobcenter-Absagen aktiv werden – führt wohl oft zu Bewilligung

Für Bürgergeld-Empfänger hat das Bestehen auf einen schriftlichen Bescheid den Vorteil, etwas in der Hand zu haben, so „Sozi (alarbeiter) Simon“. Was viele seiner Meinung nach nicht wissen: Eine mündlich, telefonisch oder per E-Mail erfolgte Ablehnung werde oft allein schon durch die Anforderung der Schriftform noch einmal überdacht. Ein solches Umdenken führe bisweilen zu einer „dann doch erfolgenden Bewilligung“.

Unterdessen sehen Mitarbeiter vom Jobcenter Reformbedarf beim Bürgergeld, wie eine Untersuchung zeigte. Demnach lehnten 60 Prozent der Befragten eine Erhöhung des Regelsatzes ab. Fast drei Viertel (73 Prozent) waren außerdem gegen eine Milderung der Strafen bei Nichtbeachtung von Regularien oder gar Verweigerung von Jobangeboten. Hintergrund ist die Debatte, ob sich ein Job überhaupt „lohnt“.

Auch interessant

Kommentare