Weil die Kinder nicht wollen: Hessen erbt Handgranaten und ein Frachtschiff
Verfallene Elternhäuser, überschuldete Immobilien - wenn Erben ablehnen, erbt das Land. Doch was passiert mit diesen Schrottimmobilien?
Kassel – Es gibt Erben, die das elterliche Heim nicht annehmen wollen. Insbesondere wenn es heruntergekommen oder verschuldet ist. In solchen Fällen wird das Land zum Eigentümer. Doch was geschieht mit diesen heruntergekommenen Immobilien?
Handgranaten und Säurefässer, Boote und ein Frachtschiff, Urheberrechte an Musikstücken und Haustiere - all dies hat das Land Hessen schon bekommen, wenn nach Todesfällen Hinterbliebene das Erbe ausschlagen oder keine Erben zu ermitteln sind. Diese sogenannten Fiskalerbschaften „umfassen alle Arten von rechtlichen Konstellationen und praktischen Lebenssachverhalten“, erklärt Laura Kulisch von der hessenweit zuständigen Oberfinanzdirektion (OFD) Frankfurt am Main.

„Nachlässe von Menschen, die zum Zeitpunkt ihres Ablebens noch im Berufsleben standen“
Wenn Erben heruntergekommene oder verschuldete Immobilien ablehnen, werden diese vom Land übernommen. Oftmals haben die Hinterbliebenen wenig Bezug zu ihren alten Elternhäusern, da sie weit entfernt leben. David Rauber, Geschäftsführer des Hessischen Städte- und Gemeindebundes, sieht darin „einer Art „Versingelung“ der Gesellschaft, die hier Ausdruck findet“. Auch OFD-Sprecherin Kulisch weist auf die alternde Gesellschaft und „der zum Teil bestehenden Verschuldungssituation der Privathaushalte“ hin. Aus diesen Gründen steigt die Zahl der Fiskalerbschaften bundesweit an.
Zunehmend betroffen sind laut Kulisch auch „Nachlässe von Menschen, die zum Zeitpunkt ihres Ablebens noch im Berufsleben standen, sodass auch Praxen, Firmen, Gewerbetriebe abzuwickeln oder Rechtsstreitigkeiten zu beenden sind“. Dazu gehören gleichfalls offene Rechnungen und nicht abgezahlte Kredite.
Fast 900 Fiskalerbschaften im Jahr 2023 in Hessen
Soweit Grundstücke oder Gegenstände laut Kulisch „verkaufsbereit“ sind, werden sie in Auktionshäusern bei öffentlichen Versteigerungen angeboten. 2023 erlöste das Land gut 2,9 Millionen Euro mit Fiskalerbschaften. Zugleich hatte es Ausgaben von fast 2,3 Millionen Euro etwa für Gläubiger und Verwaltung. Mit dem Überschuss von mehr als 600 000 Euro finanzierte es sonstige Personalkosten bei staatlichen Erbschaften.
Meine news
Im Jahr 2023 hat die OFD 897 neue Fiskalerbschaften für das Land Hessen registriert. „Mit den aus den Vorjahren noch offenen oder wegen neuer Entwicklungen nochmals aufzunehmenden Fällen befanden sich am Jahresende insgesamt 3333 Aktenvorgänge in der Bearbeitung“, teilt Kulisch mit. Grundsätzlich ist das Land als sogenannter Fiskuserbe dazu verpflichtet, diese Erbschaften schnellstmöglich wirtschaftlich zu verwerten, sprich zu verkaufen. (esa/dpa)