Hagelschaden – mit diesen Tipps holen Sie das Beste aus der Versicherung heraus
Nicht nur 2024 gab es bereits mehrere Unwetter, durch die teilweise Hunderte von Fahrzeugen durch Hagelkörnern beschädigt werden. Auch für den heutigen Tag sind "extreme Gewitter" vorhergesagt. Ich möchte an dieser Stelle einige Tipps für den richtigen Umgang mit einem Hagelschaden geben und ein paar Besonderheiten beleuchten.
Wie allgemein bekannt, wird ein Hagelschaden, sofern man mindestens eine Teilkasko-Versicherung abgeschlossen hat, von dieser getragen. Wenn ein Selbstbehalt vereinbart wurde, ist dieser aus eigener Tasche zu bezahlen.
Hagelschaden: Teilkasko zahlt - Selbstbeteiligung möglich
Wurde ein Fahrzeug beschädigt, rate ich, dies so gut wie möglich fotografisch zu dokumentieren Danach sollte der Versicherer umgehend per Brief, Fax oder E-Mail (telefonische Schadensmeldungen halte ich für nicht beweissicher) über den Schaden informiert werden. Angegeben werden muss der Tag, die Uhrzeit und der Ort des Hagelschlags. Bereits an dieser Stelle sollte man die einem Geschädigten obliegende Schadensminderungspflicht beachten.

Sie haben als Versicherter eine „Schadensminderungspflicht“
Wurde beispielsweise eine oder mehrere Scheiben des Fahrzeugs von Hagelkörnern durchschlagen, sind diese Bereiche so schnell wiemöglich abzudecken, damit nicht beispielsweise wegen nachfolgenden Regens der Schaden durch Wasser im Fahrzeuginnenraum vergrößert wird. Wer dies versäumt, darf sich nicht wundern, wenn sein Versicherer die Leistungen kürzt.
Die Versicherung ihrerseits sollte innerhalb einer vertretbaren Zeitspanne (aus eigener Erfahrung erachte ich bei Großereignissen eine Woche für noch tragbar) mitteilen, wie man sich die Besichtigung des Schadens vorstellt.
Schadensbesichtigung: Machen Sie diesen Fehler nicht!
Häufig wird (und man empfindet dies als Entgegenkommen) angeboten, das beschädigte Fahrzeug vor Ort, d. h. an der Privatadresse oder dem Geschäftssitz, zu besichtigen. Ich rate hiervon dringend ab! Von Versicherern im Zusammenhang mit Service-und Sachverständigenorganisationen errichtete “Hagelstraßen” verfügen über technisch weit höher stehende Mittel als das menschliche Auge.
Mir sind Fälle bekannt, in denen der Geschädigte selbst 20 Hageleinschläge auf dem Dach seines Fahrzeuges zählte. Nach Begutachtung mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln wies das Fahrzeug insgesamt 121 (!) Einschläge an den verschiedensten Stellen auf. Dass sich dies auf die Entschädigungssumme erheblich auswirkte, muss wohl nicht näher betont werden.

Vor Verkauf sollten Hagelschäden erwähnt werden
Ist der Schaden dokumentiert, steht man vor der Frage, ob man das Fahrzeug instandsetzen lässt oder sich die Summe der Reparaturkosten (jedoch nur netto) auszahlen lässt. Im Falle der Reparatur ist diese auf jeden Fall mit dem Versicherer abzustimmen. Sollte das Fahrzeug zu einem späteren Zeitpunkt verkauft werden, rate ich dazu, den Hagelschaden unbedingt anzugeben, um sich nicht dem Vorwurf der arglistigen Täuschung auszusetzen.
Über den Experten
Rechtsanwalt Michael Winter studierte in Tübingen Jura und ist seit 1989 auf verkehrsrechtlichem Gebiet tätig. Als Lehrbeauftragter an der dualen Hochschule Baden-Württemberg vermittelt er seine Erfahrung auch im wissenschaftlichen Bereich. Das von ihm gegründete Unternehmen “WHW Seminar & Service” bildete seit 2001 durch interaktive Seminare eine vierstellige Zahl von Verkehrsteilnehmern unter dem Firmenmotto: “Wissen Hilft Weiter“ in den Bereichen „Verkehrssicherheit und Verkehrsrecht“ weiter. Seit Beginn der Dieselskandale klagt Winter zudem zusammen mit seinen Kooperationspartnern gegen mehrere deutsche Automobilhersteller, darunter auch Volkswagen.Hier geht’s zur FOCUS-Online-Expertenwelt
Nun noch zu einigen Besonderheiten:
Wird ein bestelltes Neufahrzeug noch vor der Auslieferung auf dem Gelände der Verkäuferin (des Händlers) durch Hagel beschädigt, sind einige Händler noch immer der Meinung, die Kunden müssten das Fahrzeug abnehmen, da ein Fall der höheren Gewalt vorgelegen habe. Sie irren!
Grundsätzlich schuldet der Verkäufer die Übergabe einesmangelfreienFahrzeugs, § 433 i.V.m. § 434 BGB. Ein Neufahrzeug mit erheblichen Lackschäden (z.B. infolge Hagel) ist nicht mehr „fabrikneu" und damit mangelhaft.
Neuwagen mit Hagelschaden müssen Sie nicht akzeptieren
Der BGH (Urteil vom 26.10.2016- VIII ZR 211/15) räumte dem Käufer bei Neuwagen bereits bei kleinen Mängeln vor der Übergabe ein Abnahmeverweigerungsrecht ein:
„Im Hinblick auf die Verpflichtung des Verkäufers zur Verschaffung einer von Sach- und Rechtsmängeln freien Sache (§ 433 Abs. 1 Satz 2 BGB ) ist der Käufer bei behebbaren Mängeln, auch wenn sie geringfügig sind, grundsätzlich berechtigt, gemäß
§ 320 Abs. 1 BGB die Zahlung des (vollständigen) Kaufpreises und gemäß § 273 Abs. 1 BGB die Abnahme der gekauften Sache bis zur Beseitigung des Mangels zu verweigern, soweit sich nicht aus besonderen Umständen ergibt, dass das Zurückbehaltungsrecht in einer gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßenden Weise ausgeübt wird."
Bei einem größeren Lackschaden besteht die Möglichkeit des Rücktritts (§§ 323, 346 BGB) oder Anspruch auf Schadensersatz (§ 311a BGB), vgl. OLG Hamm, Urteil vom 17.11.2011 – I-28 U 109/11.
Eine weitere Möglichkeit wäre die Abnahme des Fahrzeugs bei gleichzeitigem Schadensersatz nach § 311a BGB (merkantiler Minderwert). Die Ansprüche ergeben sich letztendlich auch aus den Verkehrssicherungspflichten des Verkäufers, der neue Fahrzeug so abstellen muss, dass kein Hagelschaden eintritt.
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Das gilt bei Leasing-Fahrzeugen
Interessant wird es bei einem geleasten oder finanzierten Neufahrzeug. Im ersten Fall ist man nicht Eigentümer (dies ist die Leasinggesellschaft) - im zweiten Fall wird das Fahrzeug an das finanzierende Kreditinstitut sicherungsübereignet. Die einem Käufer zustehenden Rechte werden vom Leasinggeber üblicherweise an den Fahrzeugnutzer abgetreten. Im Falle der Finanzierung des Kaufpreises erfolgt meist eine Rückabtretung dieser Rechte an den Darlehensnehmer.
In diesen Fällen ist auf jeden Fall mit Leasinggeber oder Bank abzustimmen, wie verfahren werden soll.
Ich gehe davon aus, dass weder ein Leasinggeber, noch eine finanzierende Bank ein durch Hagel beschädigtes Neufahrzeug als vertragsgemäß akzeptieren werden. Von einer Abnahme eines durch Hagel beschädigten Neufahrzeugs rate rate ich in jedem der genannten Fälle unbedingt ab!
Beim Gebrauchtwagenkauf auf Hagelschäden achten
Den gleichen Rat erteile ich den Käufern eines Gebrauchtfahrzeugs, wenn dieses zwischen Kaufvertragsabschluss und Übergabe durch Hagel beschädigt wird. Der Verkäufer hat ein solches Ereignis unbedingt zu offenbaren. Dies selbst dann, wenn er selbst den Hagelstaaten beseitigen ließ. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, kann man den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten. Ob man schlussendlich im Rahmen von Verhandlungen ein durch Hagel Beschädigtes Gebrauchtfahrzeug nach einer Kaufpreisminderung akzeptiert oder nicht, bleibt einem selbst überlassen.