Im Landkreis Ebersberg unterstützen rund 30 Ehrenamtliche Familien mit besonderen Herausforderungen durch Familienpatenschaften. Johanna Schessner besucht seit knapp zwei Jahren eine Familie in Poing.
Poing/Ebersberg - Das siebenjährige Mädchen stürmt in die Poinger Wohnung und strahlt. „Mama, ich kann jetzt Eier aufschlagen!“, ruft sie stolz und hält der Mutter ein Stück Kuchen hin. „Hier, probier mal!“ Gebacken hat sie ihn zusammen mit so etwas wie ihrer Ersatz-Oma. Seit bald zwei Jahren besucht Johanna Schessner (70) jede Woche die Mutter und ihre beiden Töchter. Schessner bringt sich ehrenamtlich als Familienpatin beim Kinderschutzbund Ebersberg ein.
Zwei Stunden pro Woche verbringt sie mit den Mädchen, die beide besondere Bedürfnisse haben: Die Jüngere ist autistisch, die Ältere hat Lernverzögerungen, beide besuchen die Förderschule in Poing und die Heilpädagogische Tagesstätte in Markt Schwaben. Der Vater wohnt im Ausland, die Mutter ist alleinerziehend und berufstätig. Der Alltag mit ihren beiden Mädchen, gesteckt voll mit Arztterminen, Ergotherapie und Geschwisterreibereien, schlaucht sie sehr.
Wenn Johanna Schessner da ist, widmet sie sich voll und ganz einem der Kinder – ein Luxus, den der hektische Lebensrhythmus der Familie sonst kaum zulässt. „Der Wert liegt in der Zeit und in der Ruhe, die wir zusammen verbringen können“, erklärt die Patin. Die Kinder genießen die Qualitätszeit, die Mutter kann durchatmen.
Seit 2011 organisiert der Kinderschutzbund Ebersberg Familienpatenschaften im ganzen Landkreis. Aktuell gibt es rund 30 Patinnen und Paten. Sie werden über das Jugendamt oder die Kinderschutzstelle KoKi im Landratsamt vermittelt.
Koordiniert vom Kinderschutzbund
Vor ihrem – in der Regel zunächst einjährigen – Einsatz durchlaufen die Ehrenamtliche einen Lehrgang. In der aktiven Phase treffen sie sich regelmäßig zum Austausch und werden fachlich vom Kinderschutzbund unterstützt – etwa bei Themen wie Nähe und Distanz, Konflikte oder Kommunikation.
Schessner ist längst mehr als eine Patin. Sie hilft „ihren“ Mädchen bei den Hausaufgaben, geht mit ihnen auf den Spielplatz und unternimmt Ausflüge ins Deutsche Museum oder in den Wildpark. Und manchmal trinkt sie auch nur in aller Ruhe einen Kaffee mit der Mutter und hört sich deren Sorgen an, ganz ohne schlaue Tipps und ohne Wertung.
Anfangs sei es schwierig gewesen, an die Kinder heranzukommen. Das Vertrauen musste erst aufgebaut werden. Doch mittlerweile gehöre sie für alle zur Familie, darf auf keinem Fest fehlen, von Geburtstagen bis zur Kommunion. „Sie kleben richtig an mir“, sagt die Seniorin und lächelt dabei warm.
Die Kinder profitieren von der ruhigen Präsenz einer verlässlichen Bezugsperson, erklärt Koordinatorin Janne Poelz vom Kinderschutzbund. „Es tut gut, wenn in belasteten Situationen jemand da ist, der etwas Abstand hat.“
Viele der Eltern im Programm seien alleinerziehend oder durch Krankheiten oder Schicksalsschläge besonders herausgefordert. Die Patenschaften seien eine freiwillige präventive Maßnahme. Sie könnten den Familienalltag ein wenig entspannen. Die Eltern könnten Kraft schöpfen und die eigenen Ressourcen wiederentdecken. „Oft braucht es dafür einen Blick von außen.“
Viele Paten sind selbst im Ruhestand. Empathie, Verlässlichkeit und die Freude am bunten Familienleben seien entscheidend, sagt Poelz. Schessner, die früher selbst fünf Kinder großgezogen hat, fand nach dem Tod ihres Mannes als Familienpatin neue Lebensfreude, erzählt sie: „Mein Sohn sagte: ‚Jetzt such dir mal was Positives.‘“ Und das tat sie. „Ich werde gebraucht, das ist wunderbar. Und die Kinder geben mir so viel“, erklärt die Plieningerin.
Zwei Stunden pro Woche, das klinge nach nicht besonders viel, sagt Koordinatorin Poelz. Aber der Gewinn dieser verlässlichen Auszeit sei für alle Beteiligten enorm. Die Kinder profitierten spürbar, die Eltern sowieso. Und auch die Patinnen und Paten erlebten die Zeit als bereichernd. Schessner formuliert es schlicht, aber eindrücklich: „Es tut mir einfach gut, die Kinder auf ihrem Weg zu begleiten und zu sehen, wie sie aufblühen.“
Neue Paten gesucht
Der Kinderschutzbund Ebersberg ist ständig auf der Suche nach neuen Ehrenamtlichen, die sich dafür interessieren, eine Familienpatenschaft zu übernehmen. Anfang November findet der nächste Einführungskurs statt. Nähere Infos erteilt Janne Poelz, Tel. (0 80 92) 300 9 100, E-Mail: fampa@kinderschutzbund-ebersberg.de.