Deutsche Wirtschaft zittert vor US-Wahl: „Teure Katastrophe“ steht wohl bevor
Kamala Harris oder Donald Trump? Das fragen sich auch viele deutsche Unternehmen. Doch egal, wer gewählt wird: Das amerikanische Votum dürfte sich auch auf die deutsche Wirtschaft auswirken.
Berlin/Washington – Fragt man bei deutschen Unternehmen nach, wer ihrer Meinung nach 2025 ins Weiße Haus einziehen soll, bekommt man meist nur Worthülsen als Antwort: Viele von ihnen halten mit ihrer Präferenz hinter dem Berg, immerhin will man in den USA weiter gute Geschäfte machen – egal, wer künftig im Weißen Haus sitzt.
Doch schon jetzt wirft die US-Wahl ihren Schatten voraus. So halten sich laut einer Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer die deutschen Unternehmen mit Investitionen in Amerika etwas zurück. Sie seien abwartend, bis mehr Klarheit über die zukünftige Wirtschaftspolitik bestehe, teilte die DIHK am Montag (4. November) mit. Denn alle wissen: Einen Politikwechsel in den USA wird man weltweit zu spüren bekommen.
US-Wahl besorgt auch deutsche Unternehmen: Donald Trump ist eine „Blackbox“
Die schlechte Nachricht: Egal, wer am 5. November die Nase vorn hat, die Wirtschaft in Deutschland erwartet keine Liberalisierung der US-Handelspolitik. Beide Kandidaten „setzen auf die Stärkung der heimischen Industrie und möchten Arbeitsplätze im Verarbeitenden Gewerbe ins Land zurückholen“, erklärt etwa der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Siegfried Russwurm. Laut Experten dürften deshalb beide Kandidaten eher für Rückschritte in der Globalisierung stehen.
Auch Kamala Harris sei „keine Freihändlerin“, bestätigt Volker Treier, Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), über die Kandidatin der Demokraten. Es sei wahrscheinlich, dass sie den Kurs ihres Vorgängers fortführen werde. Bei der Blockade der Welthandelsorganisation über die Streitschlichtungsstelle habe es auch unter Joe Biden „kaum Fortschritte“ gegeben. „Aber es finden zumindest Gespräche zwischen den USA und Europa statt“, sagt Treier. Donald Trumps Wirtschaftspolitik bezeichnete er indes als „Blackbox“. Das liegt auch daran, dass seine Politik immer schon erratisch und schwer einzuschätzen war.
Trump-Zölle würden weltweite Wirtschaft massiv beeinträchtigen
Misst man die Folgen einer Trump-Wiederwahl an den Ankündigungen, die der Republikaner gemacht hat, droht jedenfalls nichts Gutes. Im Wahlkampf hatte er deutliche Zollerhöhungen von zehn bis 20 Prozent auf alle ausländischen Importe und 60 Prozent auf Produkte aus China angekündigt. Das könnte nach Ansicht des Leiters des Forschungszentrums Handelspolitik beim Institut für Weltwirtschaft in Kiel, Julian Hinz, zu „massiven Handelsumleitungen führen“. Er geht davon aus, dass weltweit deutlich weniger mit den USA gehandelt würde, sollte Trump seinen Ankündigungen Taten folgen lassen. Bisher liegt der gewichtete Durchschnittszoll der USA auf alle Waren aus allen Staaten laut Hinz bei 2,5 Prozent.

Eine Gefahr wäre zudem, dass andere Länder ihrerseits mit höheren Zöllen reagieren. Sehr hohe Zölle und entsprechende Reaktionen aus China in den ersten beiden Jahren nach der Wahl könnten einer Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung in Düsseldorf zufolge das deutsche Wirtschaftswachstum um ein Prozent schwächen. Sollte Trump gewinnen und vier Jahre Präsident bleiben, könnte das die Wirtschaft in Deutschland bis zu 180 Milliarden Euro kosten, berechnete das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Für die exportorientierte deutsche Wirtschaft, die ohnehin in einer Krise steckt, wäre das eine „teure Katastrophe“, erklärte das IW.
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Mit einer Präsidentin Harris und Zollerhöhungen auf deutlich niedrigerem Niveau wären die Wachstumseinbußen der deutschen Wirtschaft den Forschenden des IMK zufolge hingegen „marginal“. Zwar wolle die Demokratin die US-Wirtschaft ebenfalls gegen ausländische Konkurrenz wappnen – allerdings sind sowohl sie „als auch der aktuelle Präsident Biden Multilateralisten, die den Wert einer regelbasierten Weltordnung verstehen und schätzen“, erklärt Lisandra Flach, Leiterin des Zentrums für Außenwirtschaft beim Ifo-Institut in München.
Auch viele Industrieunternehmen in Deutschland wären mit einer Präsidentin Harris glücklicher. Laut einer Ifo-Umfrage erwarten 44 Prozent negative Auswirkungen auf ihren Betrieb, sollte Trump gewählt werden. Fünf Prozent erwarten positive Effekte.
US-Wahl 2024 auch für die Wirtschaft richtungsweisend: Steuersenkungen und Zölle
Doch wie wirken Zollerhöhungen auf die US-Wirtschaft? „Die USA importieren sehr viel, eine Steigerung von zehn Prozent für amerikanische Produzenten wäre exorbitant und schwierig zu verkraften“, sagt Hinz, der auch als Professor an der Uni Bielefeld forscht. Die erste Amtszeit Trumps habe gezeigt, dass höhere Zölle eins zu eins an die Konsumenten in den USA weitergegeben wurden.
Auch der Wirtschafts-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz aus den USA warnt vor einem Sieg des Republikaners. Die von Trump im Wahlkampf angekündigte Wirtschaftsagenda hält Ökonom Stiglitz für kontraproduktiv. Die hohen Zölle und Steuersenkungen würden dazu führen, dass in den USA die Preise steigen, sich das Defizit erhöhe und die Ungleichheit wachse, sagte der 81-Jährige im Tagesspiegel. Die Agenda der Demokratin Harris würde demnach hingegen die Wirtschaftskraft und den Wohlstand des Landes steigern. „Harris steht für eine Politik, die die Mittelschicht stärkt, den Wettbewerb fördert und das Unternehmertum unterstützt“, sagte er.
So will Trump alle Steuererhöhungen aus der Amtszeit von Joe Biden wieder rückgängig machen, stattdessen sollen die Steuersenkungen, die er 2017 veranlasst hatte, verlängert und ausgeweitet werden. Die Körperschaftssteuer für Unternehmen, die ihre Produkte in den USA herstellen, will er von 21 auf 15 Prozent senken. „Bei Harris erwarten die Unternehmen, auch etliche deutsche in den USA, eine stärkere Belastung durch Steuern“, sagt Treier. Das wäre für die Investitionstätigkeiten eher kontraproduktiv. Harris dürfte eher auf Steuersenkungen für einkommensschwache Familien setzen, was zu mehr Konsum führen dürfte, erwartet Treier. Davon würden deutsche Unternehmen in den USA aber weniger profitieren als amerikanische. (mit Material von dpa)