Weselsky-Nachfolger kritisiert Deutsche Bahn und den Verkehrsminister: „Man muss sich fremdschämen“

  1. Startseite
  2. Wirtschaft

Kommentare

Der neue Frontmann der GDL nach dem Rückzug von Claus Weselsky heißt Mario Reiß. © Christian Schroedter/Imago

Mario Reiß ist der neue starke Mann bei der Lokführergewerkschaft GDL. In einem Interview richtet er harte Worte an das Management der Deutschen Bahn.

Frankfurt/München - Das Verhältnis zwischen der GDL und der Deutschen Bahn ist seit Jahren von Spannungen geprägt, insbesondere wegen Tarifkonflikten und der unterschiedlichen Bewertung von Arbeitsbedingungen. Diese Auseinandersetzungen führten wiederholt zu Streiks, die den Bahnverkehr massiv beeinträchtigten und dazu die Nerven von zahlreichen Passagieren. 

Claus Weselsky ist nun jedoch abgetreten, die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer hat mit Mario Reiß einen neuen Vorsitzenden. Der äußerte sich am Freitag (6. September) in einem Interview im Deutschlandfunk, das nicht gerade auf ein entspannteres Verhältnis schließen lässt.

GDL-Chef sicher: Keine Fehlerkultur bei der Deutschen Bahn

Der neue GDL-Chef übt scharfe Kritik an der DB und auch dem Verkehrsministerium. Der neue Vorsitzende bemängelt die nicht vorhandene Fehlerkultur innerhalb des Konzerns und die Auswirkungen unangekündigter Baustellen auf den Bahnverkehr.

Reiß berichtet von eigenen Erfahrungen, bei denen Züge unerwartet vor Bahnhöfen halten, weil plötzlich Baustellen auftauchten. Diese und andere Vorfälle führten zu erheblichen Verzögerungen und Unannehmlichkeiten für die Fahrgäste

Ihm zufolge blieben kritische Stimmen innerhalb der Deutschen Bahn oft ungehört und mussten teilweise sogar gehen, was langfristig den Verlust von Fachwissen zur Folge habe. Seiner Ansicht nach müsse das Personal dann wieder „Managementfehler“ ausbaden.

Weselsky-Nachfolger kritisiert DB-Management - „Man muss sich fremdschämen”

„Man muss sich ja inzwischen fremdschämen“, lässt der Funktionär wissen und spricht davon, dass ihn „nicht mehr stolz macht, was da draußen passiert“. Die von der DB und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) angekündigten Korridorsanierungen sieht Reiß ebenfalls kritisch. Der Weselsky-Nachfolger bezweifelt, dass die versprochenen Verbesserungen in der Pünktlichkeit der Züge realistisch und überprüfbar seien. 

Die langfristige Vollsperrung von Strecken könnte eher dazu führen, dass Reisende der Bahn den Rücken kehren und nicht mehr zurückkehren. Besser wäre ihm zufolge „das alte System, dass man einseitig ebenfalls die Strecke vollsanieren kann“, erläutert Reiß. Dann sei nämlich das Fahren auf der anderen Seite möglich, anhand von Ausweich- und Überholstrecken.

Baustelle Deutsche Bahn „für mindestens vier Jahre schließen“

Bereits wenige Tage zuvor ließ holte der 58-Jährige zu einer Verbalattacke gegen das Transportunternehmen aus. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung sagte er, dass die Deutsche Bahn „für die Fahrgäste jedes Jahr spürbar schlechter geworden“ sei. Eigentlich müsse man sie für mindestens vier Jahre schließen, „um eine spürbare Besserung zu erreichen“.

Ebenfalls hart geht Reiß (laut Zeit Online „Nachfolger des Wüterichs“) mit Verkehrsminister Volker Wissing ins Gericht. Er wirft ihm „Nichtstun“ vor und, dass er die Probleme bei der Bahn dem Vorstand überlasse. Diese Passivität könnte gravierende Folgen für den Bahnverkehr in Deutschland haben. Dabei hat der Ressortchef selbst in diesen Tagen den Druck auf die Deutsche Bahn erhöht.

Ein Zug der Deutschen Bahn - Archiv
Bei der Deutschen Bahn gibt es eine Menge Verbesserungspotenzial - und Kritik von mehreren Seiten. (Archivfoto) © Sven Hoppe/dpa

GDL: Eine Menge Einfluss für eine kleine Gewerkschaft

Übrigens ist die GDL mit knapp 40.000 Mitgliedern eine der kleineren Gewerkschaften in Deutschland, besitzt aber durch ihre Streikaktionen der vergangenen Monate eine enorme Durchschlagskraft. Bei einem Treffen der GDL-Mitglieder am Mittwoch (4. September) wurde Mario Reiß bei einem Treffen der GDL-Mitglieder mit 95 Prozent der Stimmen gewählt.

Laut der SZ nimmt die Bedeutung kleiner Gewerkschaften im gesamten Tarifgefüge zu, was den Druck auf Unternehmen wie die Deutsche Bahn weiter erhöht. (PF)

Auch interessant

Kommentare