Muss das Schuldenpaket auf den Prüfstand? Pläne von Merz verstoßen schon gegen EU-Regeln
Die neue Regierung verspricht Investitionen in die Sicherheit und Infrastruktur. Nun stellt sich heraus: Das EU-Recht wurde wohl nicht ausreichend beachtet.
Berlin – Das Finanzpaket von Union und SPD sieht unter anderem eine Lockerung der Schuldenbremse vor - auch zugunsten der Verteidigungskraft Europas. Doch ausgerechnet auf europäischer Ebene trifft die schwarz-rote Koalition nun auf einen großen Widersacher: Ihr geplanten Reformen verstoßen wohl teils gegen EU-Regeln.
Zu diesem Ergebnis kam die wirtschaftswissenschaftliche Denkfabrik Bruegel in einer Studie, die dem Handelsblatt vorliegt. Zwar sei es aus europäischer Sicht zunächst „eine gute Nachricht, dass Deutschland endlich die Fesseln seiner Schuldenbremse abgeworfen hat“, werden die Studienautoren Jeromin Zettelmeyer (Bruegel-Chef) und Armin Steinbach (Pariser Wirtschaftsuni HEC) zitiert. Doch die EU-Schuldenregeln, die erst vor kurzem reformiert wurden, seien bei der Planung nicht ausreichend beachtet worden. Die künftige Bundesregierung stehe mit ihren Plänen vor einem „Dilemma“. Auch der Bundesrechnungshof hatte bereits vor fatalen Folgen des geplanten Finanzpakets gewarnt.
Welche Reformen haben Union und SPD zusammen mit den Grünen nochmal vereinbart?
Zum einen soll die Schuldenbremse - die der Neuverschuldung des Bundes enge Grenzen setzt - für Ausgaben in Verteidigung, Zivilschutz, Nachrichtendienste und Cybersicherheit gelockert werden. Für alle Ausgaben in diesen Bereichen, die ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts überschreiten, dürfen Kredite aufgenommen werden - das wäre nach Rechnung der Politiker in diesem Jahr alles über etwa 44 Milliarden Euro.
Außerdem wird ein Sondervermögen geschaffen, für das die Schuldenbremse nicht gilt und das mit Krediten bis zu 500 Milliarden Euro gefüttert wird. Daraus soll die Instandsetzung der maroden Infrastruktur bezahlt werden. 100 Milliarden Euro sollen an die Länder gehen, weitere 100 Milliarden Euro sollen fest in Klimaschutz und den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft fließen.
EU setzt Grenzen: Pläne für Verteidigung und Infrastruktur in Deutschland strenger als erwartet
Probleme gebe es an allen Ecken. Während das Schuldenpaket in Höhe von 500 Millionen Euro nach deutschem Recht zum Beispiel nicht unter die Schuldenbremse fällt, müsse es nach EU-Recht durchaus auf das jährliche Haushaltsdefizit angerechnet werden. Deutschland sei also gezwungen, einen Haushaltsüberschuss zu erwirtschaften, um gewisse Ausgaben zu legitimieren. Geschieht das nicht, werde Deutschland „nicht in der Lage sein, etwas aus seinem Infrastrukturfonds auszugeben“, gehe aus der Studie hervor.
Auch den geplanten Verteidigungsausgaben würde die EU Grenzen setzen, schreiben die Autoren laut dem Handelsblatt. Dabei hatten sich Union und SPD sich im März noch darauf geeinigt, alle Verteidigungsausgaben in Höhe von über einem Prozentpunkt der Wirtschaftsleistung von den Regeln der Schuldenbremse auszunehmen. Für die Sicherheit Deutschlands und Europas sollte es ermöglicht werden, Schulden ohne Limit aufnehmen. Merz hatte die Entscheidung mit dem Satz begründet: „Angesichts der Bedrohungen unserer Freiheit und des Friedens auf unserem Kontinent muss jetzt auch für unsere Verteidigung gelten: whatever it takes.“ (Deutsch: was immer nötig ist)

Spielraum im EU-Schuldenvertrag nicht ausreichend - nur eine erneute Reform kann Merz helfen
Eine Ausnahmeklausel in der EU-Schuldenregel würde das Verteidigungs-Vorhaben der schwarz-roten Koalition zwar trotzdem ermöglichen, aber mit Hindernissen. Um die Verteidigungsausgaben tatsächlich von der Schuldenbremse auszunehmen, müsste Deutschland laut Zettelmeyer und Steinbach „zusätzliche Sicherheitsausgaben reduzieren oder durch Einsparungen ausgleichen“. Deutschland könnte seine aktuellen Sicherheitsausgaben deshalb „nicht aufrechterhalten“.
Zwar würde der EU-Vertrag einige Umwege oder Spielräume bieten, kurzfristig Hindernisse zu umgehen. Für eine „saubere“ und langfristige Lösung brauche es aber eine Reform des europäischen Fiskalpakts. Doch ob die EU-Regeln gleich zweimal innerhalb kurzer Zeit verändert werden können, bleibt fragwürdig.
Zuletzt stand auch Merz‘ Gesetzesvorschlag zum Asylrecht stand mit EU-Recht bereits im Konflikt und löste in Deutschland ein politisches Beben aus. (nz)