So trainieren die Vierbeiner den Ernstfall – Rettungshunde-Führerin des BRK: „Sind eine Einheit“
Wir besuchten die BRK-Rettungshundestaffel und begleiteten Labradorhündin Ida bei ihrem Training für den Ernstfall: die Vermisstensuche.
Bad Tölz-Wolfratshausen – Die Spannung ist Ida anzumerken. Die goldfarbene Labradorhündin tänzelt auf der Stelle, ihr Blick wandert immer wieder zu Frauchen Vanessa Schallmoser. Sie wartet auf das Signal, um endlich loslaufen zu dürfen. Für den Vierbeiner ist es ein großes Spiel – für Schallmoser Ausbildung und Training für den Ernstfall. Ida ist ein geprüfter Rettungshund, Schallmoser Leiterin und Ausbilderin des Fachdienstes Rettungshunde im BRK-Kreisverband Bad Tölz-Wolfratshausen.
Gerade übt sie gemeinsam mit vier weiteren Mitgliedern der Staffel und deren Tieren in einem Wald bei Reichersbeuern. Bevor die eigentliche Arbeit beginnt, wird das Gebiet abgelaufen. „So hat alles, was hier lebt, Zeit, sich zurückzuziehen“, sagt Schallmoser. Anschließend bekommt jeder Hund je nach Ausbildungsstand eine Aufgabe zugewiesen. Ida soll ein Gebiet nach einer Vermissten absuchen.
Schallmoser legt ihr die Kenndecke mit der Aufschrift „Deutsches Rotes Kreuz“ und eine sogenannte „Bärenglocke“ um. Der Klang der Glocke dient sowohl zur Ortung als auch dazu, Wanderer und Wildtiere frühzeitig aufmerksam zu machen. „Die Kennzeichnung signalisiert auch einem Jäger, dass sich hier kein frei laufender oder gar wildernder, sondern ein Hund mit einem wichtigen Auftrag bewegt“, erklärt die 39-Jährige aus dem Markt Schliersee.
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Das „Opfer“ gibt über Funk Bescheid, sein Versteck erreicht zu haben. Schallmoser geht in die Knie, deutet mit ausgestrecktem Arm in die Richtung, in der Ida mit der Suche beginnen soll. „Und los!“ Der Labrador lässt sich das nicht zweimal sagen. Begeistert rennt er, die Nase in alle Richtungen haltend, los.

Hohe Anforderungen an Rettungshunde – absolute körperliche Fitness und viel Motivation
Schallmoser begleitet Ida auf dem Weg, hält immer wieder inne, um über den Glockenklang die Position der Hündin auszumachen. Wie viel ein Rettungshund in kürzester Zeit leistet, ist einfach zu belegen. „Er kann innerhalb von 30 Minuten ein Gebiet von 45 000 Quadratmetern absuchen“, erklärt die Ausbilderin. Mit dieser Leistung hat ein Hund buchstäblich die Nase vorn. „Eine Alternative wäre eine Suchkette – doch das ist unglaublich zeit- und personalintensiv.“
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Als Voraussetzungen gelten für den Hund, dass er neben absoluter körperlicher Fitness psychisch und physisch belastbar und gut motivierbar ist. „Er muss Spaß am Laufen und Arbeiten haben.“ Und: Mensch und Tier sollten ein Team bilden. Schallmoser: „Wir sind eine Einheit. Ich muss seine Bedürfnisse erkennen. Er ist schließlich keine Maschine, sondern ein lebendiges Wesen.“ Soll heißen: Egal ob in einer Übung oder dem Ernstfall – auch für den Rettungshund ist immer eine Verletzungsgefahr gegeben.
Die Ausbildung dauert etwa drei Jahre. Doch auch der Hundeführer muss quasi die Schulbank drücken. „Medizinische Ausbildung zum Sanitäter, fachspezifisches Wissen um Sprechfunk, Orientierung und Taktik“, nennt Schallmoser ein paar Beispiele. Beide, Mensch und Tier, müssen zudem immer wieder Prüfungen ablegen. „Und man muss Begeisterung und Empathie mitbringen“, sagt Schallmoser, – sowie „eine Familie, die dahinter steht“. Etwa 5000 Kilometer legen die Mitglieder im Jahr zu Ausbildungsorten oder Einsätzen zurück.

„Es kann passieren, dass wir auch von weit außerhalb angefordert werden.“ Die Ausbilderin erinnert an einen Fall vor zwei Jahren nahe der tschechischen Grenze. Eine Achtjährige wurde vermisst. Rund 1400 Einsatzkräfte, darunter 115 Suchhunde-Teams, durchforsteten das Waldgebiet. „Das Kind wurde gefunden – da sind bei dem einen oder anderen schon ein paar Tränchen der Erleichterung geflossen.“ Die Zusammenarbeit mit den anderen Staffeln klappt reibungslos. „Wir sehen uns nicht als Konkurrenten, wir haben schließlich alle das gleiche Ziel. Und nur das zählt.“
Plötzlich ist ein lautes Bellen zu hören. Für Vanessa Schallmoser das Zeichen, dass Ida die Vermisste gefunden hat. Die Hundeführerin bahnt sich einen Weg durch das Gestrüpp. Im Ernstfall würde sie nun die Vitalfunktionen der Person überprüfen und, wenn nötig, medizinische Hilfe leisten. „Das können wir heute glücklicherweise übergehen.“
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Sie ruft Ida zu sich und zieht eine Belohnung aus der Tasche. „Jetzt ist für den Hund erst einmal Party angesagt – schließlich soll Ida wissen, dass sie hier einen echt tollen Job gemacht hat.“
Zusammenarbeit mit der Polizei: 17 Rettungshunde-Staffeln für über 9000 Quadratkilometer
Die Zeit drängt. Ein Kind ist verschwunden. Das Mädchen verließ am Morgen sein Elternhaus, um in die Schule zu fahren. Sie erreicht ihr Ziel nie. Ein anderer Fall: Ein alter Mensch, der bedingt durch seine demenzielle Erkrankung nicht mehr zu seinem Zuhause zurückfindet und womöglich hilflos umherirrt.
„Im Jahr 2023 wurden über 2500 Vermissten-Einsätze im Gesamtbereich des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd angelegt“, sagt Erster Polizeihauptkommissar Christian Redl. Der Zuständigkeitsbereich des Präsidiums umfasst auf einer Fläche von über 9000 Quadratkilometern neun Landkreise und die kreisfreie Stadt Rosenheim. Mit eingerechnet seien auch die sogenannten „Kurzzeit-Vermissungen“, also Menschen, deren Aufenthaltsort relativ zeitnah wieder ausgemacht werden kann. Allein rund 400 Suchen beträfen Menschen aus Alten-, Pflegeheimen oder ähnlichen Einrichtungen.
Die Suche nach einem Vermissten ist mit einem hohen zeitlichen Aufwand und sehr vielen Kräften verbunden. Hinzugezogen werden verschiedene Spezialkräfte. Dazu zählen „die Hubschrauberstaffel, Feuerwehr, Bergwacht, das Technische Hilfswerk und nicht zuletzt die Rettungshundestaffeln“, so Redl. Diese können nicht nur Angehörige von Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben – kurz BOS – sein, sondern auch freiwillige Hilfsorganisationen oder private Hundestaffeln.
17 Rettungshundestaffeln mit etwa 150 ausgebildeten Rettungshunden in Oberbayern Süd
Um die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Rettungshundestaffeln mit einem gemeinsamen Einsatzkonzept zu regeln, wurden in allen Polizeiverbänden in Bayern sogenannte Arbeitskreise installiert. Das Konzept lenkt sowohl die Alarmierungen als auch die Einsatzleitung und die Zusammenarbeit untereinander.
„Der Arbeitskreis Rettungshundestaffel im Bereich des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd wurde im Mai 2023 eingerichtet und vereint derzeit 17 Rettungshundestaffeln mit etwa 150 ausgebildeten Rettungshunden im Bereich Flächen- und Trümmersuche, Wasserortung und Man-Trailing“, erklärt Redl. Etwa 200 Hunde befinden sich aktuell noch in der Ausbildung für die verschiedenen Einsatzbereiche.
Im Ernstfall übernimmt der jeweils diensthabende Diensthundeführer der Polizei als sogenannter „Einsatzabschnittsleiter Rettungshunde“ die Koordination. „Mit dem aufgestellten Einsatzkonzept, das sich bisher sehr gut bewährt hat, wurde die Zusammenarbeit der Rettungshundestaffeln untereinander verbessert und somit ein größtmöglicher Einsatzerfolg bei der Suche von vermissten Personen erzielt“, sagt Redl. „Schließlich geht es um nichts Geringeres, als Leben zu retten.“