Nach Krisengespräch: Ein kleines Bergdorf stemmt sich erfolgreich gegen Flüchtlingsheim - vorerst

Nach wochenlangem Streit über die Einrichtung einer Flüchtlingsunterkunft in einem Berghotel im Oberallgäu, die das Landratsamt Sonthofen den Bewohnern lange Zeit verschwiegen hatte, ist der für das kommende Wochenende geplanten Unterbringung erster Familien ein Riegel vorgeschoben worden. Das teilte nach einem Krisengespräch am Freitag der Blaichacher Bürgermeister Christof Endreß (CSU) FOCUS online auf Anfrage mit. 

Rund 700 Bürger hatten dem Petitionsausschuss des bayerischen Landtags vor wenigen Tagen eine Petition überreicht, die sich gegen die geplante Unterbringung von bis zu 45 Flüchtlingen richtet. Das einstige Berghotel "Heubethof" zählt Blaichach (5500 Einwohner) und liegt in einem kleinen Bergdorf namens Gunzesried-Säge. Dort leben lediglich 79 Anwohner.

Keine Flüchtlinge in Berghotel vor der Sitzung des Petitionsausschusses

"Nach Rücksprache der Landesregierung mit dem Landkreis hat das Landratsamt uns heute zugesichert, dass bis zur abgeschlossenen Prüfung des Unterbringungsprojekts durch den Petitionsausschuss des Landtages zunächst keine Flüchtlinge im Heubethof untergebracht werden", erklärte Blaichachs Bürgermeister. 

Die Gemeinde, die sich der Petition ebenfalls angeschlossen hat, kritisiert, dass das Berghotel als Unterkunft für Flüchtlinge ungeeignet sei. Wie auch 14 direkte Nachbarn des betroffenen Hofs führen die Kritiker als Gründe vor allem mangelnde Infrastruktur und fehlende Integrationsmöglichkeiten in dem Bergdorf auf 900 Metern Höhe an, in dem nicht einmal doppelt so viele Einwohner leben.

Bergdorf sauer über späte Flüchtlingsinfo durch Landratsamt

Für erheblichen Unmut in der Bevölkerung sorgt jedoch, dass das Landratsamt die Bürger erst im März rund einen Monat vor dem geplanten Einzug der ersten Flüchtlinge über das Projekt informiert hat. Und dies, ergänzt Endreß, obwohl der Mietvertrag bereits im November abgeschlossen worden war. Seine Gemeinde habe den Landkreis erstmals schon im Frühjahr 2024 gebeten, die Bürger über das Projekt zu informieren, was jedoch aus juristischen Gründen nicht vor dem Abschluss des Mietvertrages habe erfolgen können.

Blaibachs Bürgermeister Christof Endreß und Oberallgäu-Landrätin Indra Baier-Müller.
Sind uneins über ein Flüchtlingsheim im Bergdorf: Bürgermeister Christof Endreß und Landrätin Indra Baier-Müller. Landratsamt Oberallgäu/Gemeinde Blaichach

Keine Garantie, dass nicht doch viele Flüchtlinge in kleines Dorf kommen

Endreß wertete das zweistündige Gespräch als "Teilerfolg", weil zumindest sichergestellt worden sei, dass die Gemeinde durch erste Einquartierungen von Flüchtlingen schon an diesem Wochenende nicht vor vollendete Tatsachen gestellt würde, bevor der Petitionsausschuss das Projekt auf seine Realisierbarkeit überprüft habe.

Was das am Ende wert sei, steht laut Endreß aber weiter in den Sternen. Zwar hatte Landrätin Indra Baier-Müller (Freie Wähler) Mitte der Woche davon gesprochen, dass man bemüht sei, in dem geplanten Heim nur wenige ukrainische Familien unterzubringen, die über eigene Autos verfügten und Arbeit hätten. "Eine Garantie aber, dass es dabei bleibt und nicht auch Flüchtlinge anderer Nationalitäten in dem Heim untergebracht werden, hat das Landratsamt aber nicht geben können."

Vermutlich tausende Euro Miete für leeres Flüchtlingsheim

Vor Ostern wird es definitiv keine neue Entscheidung zu dem Flüchtlingsheimprojekt geben, da die nächste Sitzung des Petitionsausschusses erst danach stattfindet. Eine Sprecherin des Landkreises sah sich am Freitagmittag gegenüber FOCUS online "aus Termingründen der Landrätin" außerstande, die Frage zu beantworten, wie hoch die monatliche Miete für den Heubethof sei, die mit Steuergeldern bezahlt wird.

Klar scheint: Vor Ende April dürften kaum erste Flüchtlinge in dem Berghotel einziehen. Da der Mietvertrag des Landkreises mit dem Eigentümer des Heubethofs nach Angaben von Bürgermeister Endreß am 1. März 2025 begann, fallen damit zwei Monatsmieten in Höhe von vermutlich mehreren tausend Euro an - für ein leeres Hotel.

Kurioserweise lautete eine der beiden Hauptbegründungen des Landratsamtes für die Notwendigkeit einer neuen Flüchtlingsunterkunft, Kosten für teure provisorische Unterkünfte wie Zelte zu reduzieren.

"Die Bürger fühlen sich hinters Licht geführt"

Anwalt Franz-Peter Seidl hatte gegenüber FOCUS online schon einen Tag vor dem Krisengespräch Zweifel daran geäußert, dass eine Minimalbelegung der großen Ferienanlage sich vor den Bürgern auf Dauer rechtfertigen ließe. Pikant: der Mietvertrag des Landkreises wurde laut Bürgermeister Endreß über einen Zeitraum von fünf Jahren abgeschlossen. 

Damit könnte allein aus Wirtschaftlichkeitsgründen die Wahrscheinlichkeit steigen, eine hohe Auslastung des Heubethofs als Flüchtlingsunterkunft zu erzielen. Seidl: "Die Bürger fühlen sich hinters Licht geführt."