Kann die Gesundheit ihrer Kinder gefährden: So gefährlich ist die Reaktion von Eltern auf Wutausbrüche
Die Psychologin Svenja Taubner trainiert mit Eltern fünf Skills in der Erziehung. Sie verrät, welchen Fehler viele Eltern machen und was „traumatische Folgen“ haben kann.
Bis zu 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland haben eine psychische Störung. Aber nicht alle Kinder sind gleichermaßen gefährdet. Was Kinder in der Familie erleben und wie Eltern sich verhalten, hat einen erheblichen Einfluss auf ihre Psyche.
„Eltern spiegeln permanent den mentalen Zustand ihres Kindes. Und wenn sie dabei falsch vorgehen, dann lernt das Kind nicht, sich selbst zu verstehen“, sagt Svenja Taubner BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA. Sie ist Psychologin und will, dass mehr Eltern wissen, was sie besser machen können.
Wie die psychische Gesundheit der Kinder unter überforderten Eltern leiden kann
Viele psychische Erkrankungen seien kreative Anpassungsleistungen, sagt Taubner. Wie kommt es dazu? Ein Kind ist wütend, die Eltern reagieren mit Liebesentzug oder Bestrafung. Das Kind lernt, dass es nicht sicher ist, negative Gefühle wie Wut und Ärger zu äußern. „Aber die Gefühle sind ja nicht weg. Das Kind muss diese Wut umwandeln, abwehren, unterdrücken. Das macht es nicht bewusst, sondern mit psychischen Werkzeugen. Wenn die Wut dann gegen sich selbst gerichtet wird, können Depressionen entstehen“, erklärt sie.
Ich bin zu viel, ich bin schlecht, ich kann nichts – negative Grundüberzeugungen, die viele Patientinnen und Patienten von Taubner haben. Sie ist Direktorin des Instituts für Psychosoziale Prävention am Universitätsklinikum Heidelberg und sagt: „Diese negativen Grundüberzeugungen sind verinnerlichte Spiegelungen von überforderten Eltern.“ Und: „Eltern machen das nicht absichtlich. Das passiert allen Eltern.“

Psychologin erklärt: Für ihre psychische Gesundheit müssen Kinder lernen, dass Gefühle okay sind
Um die Psyche von Kindern nicht zu gefährden, müssen Eltern eine sichere Bindung vermitteln und den Kindern etwas über ihre Gefühle beibringen – „nämlich, dass sie okay sind“, sagt Taubner. Die Voraussetzung dafür sei, dass Eltern selbst ein gutes Verständnis dafür haben, was ihr Kind denkt und fühlt. „Wir nennen das mentalisieren“, erklärt die Psychologin. Mentalisieren ist eines von fünf Skills, die Taubner und ihr Team mit Eltern trainieren.
„Wenn Eltern Schwierigkeiten haben, sich in ihr Kind hineinzuversetzen, laufen Interaktionen schief“, sagt die Psychologin. Die Fähigkeit hänge zum Beispiel vom Stresslevel ab. Gesellschaftliche Normen, also bestimmte Ansprüche, wie Kinder sich zu verhalten haben, spielen laut Taubner ebenfalls eine Rolle. Wie können Eltern mentalisieren? „Wir neigen dazu, gerade unter Stress, eher negative Absichten zu unterstellen“, sagt Taubner. Eltern sollten offen und neugierig, die Gründe für das Verhalten ihrer Kinder herausfinden.
Expertin gibt Tipp, wie Eltern einen häufigen Fehler vermeiden können
Ein Kind tobt, weil seine Mutter das Geschwisterchen ins Bett bringt. Nach dem „Mentalisieren“ folge das „Validieren“, erklärt Taubner. „Validieren heißt, dass die Bedürfnisse und Gefühle des Kindes wertgeschätzt und ernst genommen werden“, sagt sie. In diesem Fall: Es ist kein Wunder, dass du eifersüchtig bist, weil du jetzt die Aufmerksamkeit deiner Eltern mit deinem neuen Geschwisterchen teilen musst.
„Viele Eltern machen den Fehler und machen nach dem Validieren ein ‚aber‘. Dann kommt das Validieren gar nicht rüber“, erklärt die Psychologin.
Wenn es zu einer Eskalation gekommen sei, sollten Eltern die Beziehung reparieren, in dem sie mentalisieren, validieren und sich dann aktiv entschuldigen. Die Initiative des Elternteils sei gefragt. Viele rechtfertigen sich dabei. Das sei kein gutes Reparieren, erklärt Taubner das dritte Skill.
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Mentalisieren, Validieren, Reparieren, Motivieren und Grenzen setzen – fünf Skills für eine gesunde Psyche von Kindern
Ein weiteres Skill ist „Motivieren“. Dabei sollen Eltern einen Widerspruch zwischen dem Verhalten des Kindes und seinen Werten beschreiben – aber dem Kind die Lösung überlassen. „Viele Eltern verstricken sich in endlosen Machtkämpfe. Das ist total zerstörerisch für Beziehungen und untergräbt den Selbstwert des Kindes“, sagt Taubner. Werde das Kind festgehalten, zum Beispiel beim Zähneputzen, oder wenn es sich eine Spritze setzen muss, „kann das traumatische Folgen haben“.
Taubner und ihr Team üben mit den Eltern auch, Grenzen zu setzen – das fünfte Skill. „Eltern können Grenzen setzen, ohne dem Kind eine Standpauke zu halten. Wenn wir dem Kind sagen, du bist unmöglich, dann kann es sein, dass das Kind nur diese persönliche Kritik hört und nicht die Grenze“, sagt Taubner.
Das Kind reagiere trotzig und lerne nicht die Grenze. Grenzen müssen auch mittels Körpersprache kommuniziert werden, erklärt Taubner. Sie übe mit den Eltern, den Körper in Bereitschaft zu versetzen. Übrigens: Wenn das Kind gute Argumente vorbringe, können Eltern eine Grenze auch ändern, sagt die Psychologin.