Die Posse ums Papier: Warum wir zu viel über den Wahltermin jammern
Es werden sich für Neuwahlen nach dem Ampel-Aus Papier und Stifte finden – denn ein Leitgedanke bleibt. Ein Kommentar von Christian Deutschländer.
München – Wir sollten unserem Land zutrauen, innerhalb von 60 Tagen eine Neuwahl zu organisieren. Es wird sich Papier finden. Und Stifte. Und vielleicht sogar die Zeit, um mit Bundeswahlleiterin Ruth Brand vorher ein sehr ernstes Wort zu reden. Ihre Warnung, Papier und Druckkapazität seien knapp und die Ämter eh im Stress an Weihnachten, ist peinlich. Mehr noch: Das ist ein Sinnbild unserer „Wir schaffen‘s nicht“-Jammerkultur, auf die der Rest der Welt zunehmend irritiert blickt.
Die Bundesbeamtin mag instrumentalisiert worden sein von der Kanzler-SPD, um alles Mögliche an Bedenken zusammenzukratzen – doch sie spricht damit gewiss nicht für die Mehrheit des Beamtentums, das weder bräsig sein mag noch Büttel der Parteipolitik. Wenn unser Grundgesetz aus den dramatischen Nachkriegsjahren Deutschland in der Krisenlage eines Regierungsscheiterns 60 Tage Frist (plus 21 nach der Vertrauensfrage) zubilligt, müssen wir schon den Ehrgeiz aufbringen, das in der digitalen, superschnellen Gegenwart realisieren zu können.
Neuwahlen nach Ampel-Aus werden Einsatz über Weihnachten verlangen
Jenseits der Papier-Posse gibt es natürlich Punkte, die Brand zurecht mahnend anspricht. Die Fristen für die Parteien, ihre Kandidaten aufzustellen, sind in der Tat formal so schwierig, dass sie vom Innenministerium verkürzt werden müssen. Und auch real müssen die Bewerber und ihre Organisationen genauso wie die Wahl-Teams in den Ämtern enorm Tempo machen. Und zwar jetzt schon, wo der Fakt einer Neuwahl klar ist, nicht erst mit dem Vollzug im Bundestag.
Ja, das wird diesmal Einsatz über die Feiertage verlangen; und die Verwaltungen sind nicht in jedem Land, Gruß nach Berlin, gleichermaßen verfahrenssicher. Vielleicht ist es tatsächlich sinnvoller, einen Neuwahl-Termin statt im Januar lieber im Februar zu fordern. Doch einem Leitgedanken kommen wir auch dann nicht aus: Demokratie ist eben anstrengend und verlangt Einsatz.
Insgesamt wären Ampel-Rest, FDP-Überbleibsel und Union gut beraten, sich kompromissbereit auf einen Wahltermin zu einigen. Die Papier-Posse mag lustig sein, aber sie steht für Klein-Klein – in einer Phase, in der die Menschen von der nächsten Regierung, welche auch immer, endlich große und klare Entscheidungen verlangen. (Christian Deutschländer)