Haushaltssperre: Drei Möglichkeiten, mit denen die Ampel ihr Milliarden-Loch stopfen könnte
Nach dem Schock über das Urteil in Karlsruhe zum Klimafonds müssen nun Lösungen her. Die Ampel-Koalition hat Ökonomen zufolge drei Optionen, wie sie die 100 Milliarden Euro auftreiben kann.
Berlin – Im Rekordtempo muss die Ampel-Koalition 100 Milliarden Euro finden, die durch das Urteil aus Karlsruhe zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) plötzlich abhanden gekommen sind. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat eine Haushaltssperre deklariert, bis ein neuer Wirtschaftsplan steht, werden nur die nötigsten Ausgaben getätigt.
Es beginnen jetzt zähe Verhandlungen innerhalb der Koalition – aber auch mit der Opposition. Wie es im Spiegel passenderweise heißt, hat jetzt aber auch die Stunde der Ökonomen geschlagen. Die Wirtschaftswissenschaftler sind jetzt gefragt, sie müssen der Regierung beim Loch-stopfen beratend zur Seite stehen. Im Wesentlichen gibt es drei Möglichkeiten.
Möglichkeit 1: Die Schuldenbremse für 2023 und 2024 aussetzen
Die erste Option, für die sich unter anderem Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) starkmachen dürfte, wäre, die Schuldenbremse rückwirkend für 2023 und möglicherweise auch für 2024 auszusetzen. Das würde gehen, indem eine Notlage erklärt würde. 2023 könnte man damit angesichts der Energiekrise noch halbwegs argumentieren. Doch für 2024 wird es schon schwieriger. Aus Sicht des Ökonomen Clemens Fuest, Chef des ifo Instituts, könnte das allerdings nach hinten losgehen. „Die Bundesregierung könnte damit den Anschein erwecken, das Karlsruher Urteil zu missachten.“
Die Vorsitzende des Sachverständigenrats der Bundesregierung, Monika Schnitzer, hat sich allerdings schon am Wochenende für ein Aussetzen der Schuldenbremse ausgesprochen. Sie und viele ihrer Kolleginnen und Kollegen halten außerdem eine grundlegende Reform der Regeln für geboten. „Größere Spielräume für die Schuldenfinanzierung von Nettoinvestitionen könnten Abhilfe für nun gefährdete Klimaprojekte schaffen“, sagte sie in der Rheinischen Post. Ähnlich äußert sich der Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle, Reint Gropp. „Die Schuldenbremse verhindert genau die Investitionen, die wir jetzt dringend bräuchten, etwa in eine Wasserstoffinfrastruktur“, sagt er im Spiegel.

Doch um die Schuldenbremse grundlegend zu reformieren, braucht es eine Verfassungsänderung, für die eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag vonnöten ist. Das heißt: Die Ampel müsste mit CDU und CSU gemeinsam eine solche Änderung auf den Weg bringen. Das gilt als äußert unwahrscheinlich, unter anderem weil auch die FDP als Verfechterin der Schuldenbremse gilt.
Möglichkeit 2: Einsparungen im Haushalt massiv einkürzen
Einige Ökonomen sprechen sich in diesen Tagen für deutliche Einsparungen im gesamten Haushalt aus. So auch der Professor für Ökonomie an der Princeton University in den USA, Markus Brunnermeier, in einem Interview mit der Welt: „Es gibt immer Fett im Budget“. Anstatt über das Abschaffen der Schuldenbremse zu diskutieren, sollte sich die Regierung zurück auf das Grundcredo besinnen: Man kann erst das ausgeben, was man zuvor erwirtschaftet hat.
Doch wo sollte man am ersten sparen? Top-Ökonom Fuest ist der Meinung, dass es durchaus Spielräume im aktuellen Haushalt gibt, „etwa bei den milliardenschweren Subventionen für Chipfabriken“. Auch eine Erhöhung des CO₂-Preises, um mehr Einnahmen für Klimaschutzvorhaben zu generieren, wird von ihm befürwortet, ebenso von der „Wirtschaftsweisen“ Veronika Grimm.
Doch das wird kaum ausreichen. Wie Berechnungen der Denkfabrik Agora Energiewende zeigen, würde eine Erhöhung des CO₂-Preises um zehn Euro pro Tonne Mehreinnahmen von 2,9 Milliarden Euro einbringen. Steigt die Steuer noch deutlicher, könnte man zwar noch etwas mehr rausholen – aber möglicherweise auf Kosten der Akzeptanz in der Bevölkerung. Und bei einem Haushaltsloch von 100 Milliarden Euro ist das eher ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Möglichkeit 3: Sondervermögen für Klimaschutz ins Grundgesetz aufnehmen
Es gibt aber eine dritte Möglichkeit, für die sich die Ökonomen Clemens Fuest und Michael Hüther, der Chef des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), aussprechen. „Die Regierung sollte die Ausgaben reduzieren, die Einnahmen stärken – und gemeinsam mit der Union ein Sondervermögen für den Klimaschutz im Grundgesetz verankern“, sagt Fuest im Spiegel. Und Hüther sagt in einem Interview mit dem ZDF heute journal: „Politik muss erstmal fragen: Was will sie eigentlich gestalten. Und dann wird man schon schauen müssen, dass man einen mehrjährigen Fonds braucht, den Klima- und Transformationsfonds, auch mit höherer Dotierung, um all diese Investitionen zu tätigen. Ein Ausweg im Rahmen der Verfassung wäre: etwas Ähnliches wie das Bundeswehr-Sondervermögen.“
Allerdings muss auch hier die Opposition mit ins Boot geholt werden. „Das halte ich übrigens auch für geboten. Ansonsten kommen wir bis an eine Staatskrise heran“, ergänzt Michael Hüther.
Es gibt also durchaus Optionen für die Ampel. Allerdings ist keine davon einfach und wird allen politischen Parteien etwas kosten.