Lukaschenko gibt den freundlicheren Putin – „Spiel“ mit Trump könnte zwei EU-Staaten unter Druck bringen

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Auch dank Trump hat Lukaschenko seinen wichtigsten Gefangenen freigelassen. Doch hinter dem „Spiel“ steckt wohl Kalkül – und es könnte Ärger bringen.

Fünf Jahre liegen die Großproteste in Belarus zurück – und noch immer hält sich Alexander Lukaschenko mit Brutalität und Wladimir Putins Hilfe an der Macht. Umso mehr überraschten zuletzt Anzeichen eines vermeintlichen Tauwetters: Der Diktator in Minsk hat ausgerechnet seinen Rivalen Sergei Tichanowski aus der politischen Gefangenschaft entlassen.

Das könnte aber eher Anlass zur Sorge als zu Hoffnung sein. Davor warnt selbst Exil-Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja, Tichanowskis Ehefrau. Boris Ginzburg, Experte des Instituts für Osteuropastudien der FU Berlin, hält neue Probleme für EU-Staaten für möglich. Adressat des Signals sei US-Präsident Donald Trump. Der könnte nun auf einzelne Staaten Druck ausüben und Zwietracht säen. Denn bislang hält die EU eisern an ihren Sanktionen gegen Belarus fest.

Lukaschenko „liebt“ und „fürchtet“ Trump – Belarus‘ Diktator inszeniert sich als freundlicherer Putin

Lukaschenko habe mit dem Schritt auf Trumps Präsidentschaft gewartet, sagte Tichanowskaja am Dienstag in einer Runde mit deutschen Medien, darunter der Münchner Merkur von IPPEN.MEDIA. Sein Regime „liebe“ und „fürchte“ Trumps US-Regierung. Wegen ihrer Gesprächsbereitschaft mit Russland und Belarus und wegen ihrer Unberechenbarkeit. Wichtig für Lukaschenko sei, als eigene Stimme wahrgenommen zu werden, womöglich als Vermittler im Ukraine-Krieg: „Deshalb spielt er mit Amerika.“

Eine Bildmontage mit Alexander Lukaschenko und Wladimir Putin im Gespräch, eingeklinkt Donald Trump.
Donald Trump beeinflusst aus der Ferne Belarus – Alexander Lukaschenko (li.) inszeniert sich plötzlich anders, als es Wladimir Putin tut. © Montage: Sergey Bobylev/SNA/Aaron Schwartz/Zuma/Imago/fn

„Mit derartigen Vergleichen muss man immer vorsichtig sein – aber in gewisser Weise ist Sergei Tichanowski für Lukaschenko das, was Alexej Nawalny für Wladimir Putin war“, erläuterte Ginzburg im Gespräch mit unserer Redaktion. Anders als Putin habe Lukaschenko seinen ärgsten Widersacher aber am Leben und freigelassen. „Womöglich um zu sagen: ‚Schaut, ich bin anders als der Autokrat in Russland, mit mir kann man ins Gespräch kommen.‘“ Das Kalkül könnte aufgehen.

Trumps Deal mit Lukaschenko: USA könnten nun zwei europäische Staaten ins Visier nehmen

Tichanowskis Freilassung sei auch Folge eines Besuchs von US-Vizeaußenminister Christopher W. Smith in Minsk, betont Ginzburg. Trump selbst habe demonstrativ ein „Thank you, President Trump“ gepostet. Der Haken: Im Gegenzug hätten die USA Sanktionserleichterungen beim für Belarus wichtigen Kali-Export in Aussicht gestellt. Das wäre weder im Sinne der EU noch der belarussischen Opposition. Und Europa könnte Trumps Versprechen im Weg stehen.

„Diese Frage endet nicht bei den USA: Nötig wäre für Belarus auch der Zugang zu einem litauischen oder lettischen Hafen“, erklärt Ginzburg – beide Länder blicken mit Sorge auf den Nachbarn Belarus. Denkbar ist dem Experten zufolge aber, dass Trump direkt Druck auf Litauen und Lettland ausübt. Offen sei, wie die reagieren – Trump entgegenzukommen könnte der EU-Sanktionspolitik zuwiderlaufen. Insofern könne „das Thema ‚Belarus‘ zum einen die schon so angespannten europäisch-amerikanischen Beziehungen zusätzlich belasten und zum anderen die EU-Kohäsion weiter gefährden“, sprich: die gemeinsame EU-Linie aufbrechen.

Lukaschenko im „Überlebensmodus“: Belarus-Opposition will Trump als „Helden“

Die Botschaft der belarussischen Opposition an die USA sei klar, sagte Tichanowskaja: „Bis wir systematische Veränderungen in Belarus sehen, sollte man sich nicht auf Spielchen mit Lukaschenkos Regime einlassen.“ Vor drei Wochen noch habe ihr die EU-Kommission versichert, keinen Anlass für Sanktionslockerungen zu sehen. Dafür sei sie „dankbar“. Auch aus den USA seien keine Signale für Druck in andere Richtung zu erkennen. Washington sei klar, dass Lukaschenko nur Putins Interessen diene.

Dennoch mahnte die Oppositionsführerin Trump auch noch einmal – in schmeichelhaften Worten. Mit Putin tue sich Trump schwer, in Belarus könne er „Erfolge“ erzielen. „Jeder im Land verfolgt, was Trump sagt, was Trump tut. Wir bitten ihn, ein Held für Belarus zu werden, in dem er Menschen freibringt, in dem er hilft, die Krise zu lösen.“

Bisher allerdings ändere Lukaschenko dank der USA nur seine „Schritte“, nicht seine „Politik“. Das Regime in Minsk habe die Repression sogar noch verstärkt – auch weil vermeintliche „Straftaten“ aus den Protesten im Sommer 2020 nun zu verjähren drohten. „Jetzt suchen sie in großer Eile alle Protestteilnehmer“, sagte Tichanowskajas Berater Franak Viacorka.

So oder so stehe Lukaschenko mit dem Rücken zur Wand, betonten Tichanowskaja und Viacorka . Er halte keine großen Ansprachen mehr, sei im „Überlebensmodus“. Mit einem Waffenstillstand im Ukraine-Krieg könne die Ukraine als politischer Gegenspieler auf den Plan treten, der Handelspartner Iran sei in Nöten, und künftige Hilfsgelder aus Russland seien fraglich. Ohnehin droht der „Unionsstaat“ mit Russland. Momentan habe der Kreml zwar keinen Anlass für eine Einverleibung Belarus‘, „aber es ist ja nicht gesagt, dass das für immer so bleibt“, sagte Christopher Forst, Belarus-Repräsentant der Friedrich-Ebert-Stiftung, im Frühjahr dem Merkur. (fn)

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