Erstmals seit acht Jahren: China ist nicht mehr Deutschlands wichtigster Handelspartner
Nach acht Jahren an der Spitze verliert China seinen Status als wichtigster Handelspartner Deutschlands. Die Entwicklung spiegelt auch tiefgreifende wirtschaftliche Verschiebungen wider.
Acht Jahre lang lautete die Antwort auf die Frage nach dem wichtigsten Handelspartner der Bundesrepublik stets: China. Nun haben die Statistiker eine neue Nummer eins ausgemacht. Im ersten Quartal dieses Jahres stiegen die USA zu Deutschlands wichtigsten Handelspartner auf, China ist auf den zweiten Platz abgerutscht. Das teilte das Statistische Bundesamt (Destatis) am Freitag mit. Bereits vor einer Woche hatte die Nachrichtenagentur Reuters auf Grundlage eigener Berechnungen von dem Wechsel an der Spitze berichtet.
Laut Destatis sind vor allem „deutlich“ gesunkene Importe dafür verantwortlich, dass China an Bedeutung verloren hat. Demnach gingen die Einfuhren aus der Volksrepublik um 11,7 Prozent auf 36 Milliarden Euro zurück, auch der Wert der deutschen Exporte sank leicht um 1,1 Prozent auf 24 Milliarden Euro. Insgesamt wurden also Waren im Wert von 60 Milliarden Euro zwischen beiden Ländern gehandelt – und damit weniger als zwischen Deutschland und den USA (63,2 Milliarden Euro). 2023 wurden aufs gesamte Jahr betrachtet Waren im Wert von 252,3 Milliarden Euro zwischen der Bundesrepublik und den USA gehandelt, nur minimal weniger als zwischen Deutschland und China (253,1 Milliarden Euro). Die Trendwende hatte sich also bereits abgezeichnet.
„China ist der größte Beschaffungsmarkt für Deutschland“
Wan-Hsin Liu von Kiel Institut für Weltwirtschaft macht „die schwache wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland“ für den Rückgang der Einfuhren aus China verantwortlich. Weil Deutschland generell immer weniger aus dem Ausland einführe, wirke sich das eben auch auf den Handel mit der Volksrepublik aus. „China ist der größte Beschaffungsmarkt für Deutschland“, sagte die Ökonomin zu IPPEN.MEDIA.
„Zum anderen könnten auch die De-Risking- beziehungsweise Diversifizierungsversuche von deutschen Unternehmen zu dieser Entwicklung beigetragen haben“, sagt Liu. So würden deutsche Unternehmen versuchen, Waren weniger aus China und vermehrt aus anderen Ländern zu importieren, etwa aus Südostasien.
Auch schwächelt die chinesische Wirtschaft seit geraumer Zeit, was die Konsumlaune in dem Land massiv getrübt hat. Im vergangenen Jahr wuchs die Wirtschaft der Volksrepublik um 5,2 Prozent und damit – abgesehen von den Pandemie-Jahren – so langsam wie nie seit 1990. Für dieses Jahr peilt die Regierung ein Wachstum von „etwa fünf Prozent“ an. Aufgrund der geringen Nachfrage liefern sich Einzelhändler in China derzeit eine Rabattschlacht; vor allem Autobauer bieten hohe Nachlässe an. Teure Importe sind immer weniger gefragt. In den USA hingegen brummt die Wirtschaft, angetrieben auch durch eine offensive Politik von Präsident Joe Biden, die deutsche Unternehmen massiv anzieht.
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EU droht China mit Strafzöllen auf E-Autos
Dass auch die Exporte nach China zurückgegangen sind, erklärt Liu damit, dass deutsche Unternehmen bei der Produktion in der Volksrepublik vermehrt auf Waren aus lokaler Produktion zurückgriffen. So müssten weniger Vorprodukte aus Deutschland eingeführt werden. Hinzu kommt, dass China komplexe Güter, die früher importiert werden mussten, heute oft selbst herstellt.
Die Kieler Ökonomin glaubt, dass der Trend anhalten könnte. „Zum einen bleibt die deutsche Wirtschaft 2024 schwach und angeschlagen“, sagt Liu. „Zum anderen werden die De-Risking- und Diversifizierungsversuche weiter fortgesetzt.“ Die Bundesregierung hatte nach dem russischen Angriff auf die Ukraine und den damit verbundenen Auswirkungen auf die deutsche Energieversorgung auch die Abhängigkeiten von China einer neuen Bewertung unterzogen.
Derzeit prüft zudem die EU, Elektroautos aus China mit Strafzöllen zu belegen. Kommissionspräsidentin von Ursula von der Leyen wirft der chinesischen Regierung vor, Autobauer wie BYD massiv zu subventionieren und somit Überkapazitäten zu fördern, die die europäischen Märkte fluten. Zuletzt hatten bereits die USA Strafzölle auf chinesische E-Autos verhängt. Sollte Europa dem amerikanischen Beispiel folgen, dürfte China als Handelspartner der Bundesrepublik weiter an Bedeutung verlieren.
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