Wolfratshausen im Aufkleber-Kampf: Bauhof hat „aufgegeben“ – Stadt bereitet Anzeige vor
In Sekundenschnelle angebracht, sind Aufkleber eine einfache Art, Botschaften zu verbreiten. Doch in Wolfratshausen sind die Sticker inzwischen ein echtes Problem.
Wolfratshausen – Sie haften eigentlich überall, an Holz, Edelstahl, Aluminium und sogar der reflektierenden Oberfläche von Verkehrsschildern. Und günstig in der Anschaffung sind sie auch. 1000 Stück kosten bei einem Online-Anbieter gerade mal 50 Euro. Doch Sticker und Aufkleber werden in der Flößerstadt zunehmend zum Problem – nicht nur für den Bauhof, dessen Mitarbeiter sie in mühevoller Handarbeit wieder abkratzen müssen.
Ein Blick auf den Uferweg hinter dem Wolfratshauser Rathaus oder auf den Josef-Bromberger-Weg offenbart das Ausmaß des klebrigen Problems. Kaum eine Laterne oder Hinweistafel ist nicht mit einem Aufkleber verunstaltet. „Eine sehr zeitintensive und fieslige Arbeit“ nennt Ann-Christin Pelg, Sprecherin der Wolfratshauser Stadtwerke, das Entfernen der vielen Sticker. Und jeden Tag kommen weitere dazu. Doch der Bauhof zog in der Vergangenheit immer seltener los, um die Schäden zu beheben. „Momentan haben wir es quasi aufgegeben“, erklärt Bauhofleiter Matthias Schmidberger. Säubern seine Mitarbeiter eine Straßenlaterne, ist sie am nächsten Tag wieder zugeklebt. Dabei kann das eine Straftat darstellen (siehe unten). Schmidberger: „Das ist vielen nicht bewusst.“
Manchmal breche sogar ein regelrechter Kampf um prominente Stellen in der Flößerstadt aus, so Pressereferentin Pelg. „Sticker des Fußballclubs TSV 1860 München werden überklebt von FC-Bayern-Fans“ – bis ein Anhänger der Münchner Löwen mit Stickern in der Hosentasche vorbeikommt, sein Revier markiert und der Schicht an Aufklebern eine weitere Lage hinzufügt. Manchmal sogar mithilfe von bedruckten Klebebändern, die mehrfach um Straßenlaternen gewickelt werden.
Nicht nur die Anhänger von Fußballvereinen nutzen die unschöne Art des Werbens oder der Selbstdarstellung. Wie auf der Instagram-Seite der Wolfratshauser Stadtwerke zu sehen ist, befinden sich unter dem Sammelsurium hartnäckig klebender Botschaften auch Sticker der Klimaschutz-Bewegung „Fridays for Future“. Für Pressereferentin Pelg ein Widerspruch. „Einerseits setzen sich die Aktivisten für Umweltschutz ein. Andererseits bekleben sie Straßenlaternen, die mit Chemie wieder davon befreit werden müssen.“
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Neben chemischen Lösungsmitteln – nicht ganz ungefährlich in der Handhabung – greift der Bauhof auf Heißluftföhns und Kunststoffspachtel zurück. Beim Entfernen müsse man vorsichtig sein, um den Haftgrund nicht zu verkratzen, erklärt Schmidberger. Denn nicht nur Straßenlaternen, sondern auch die historischen Lampen nachempfundene Beleuchtung im Stadtgebiet und sogar Verkehrsschilder werden vollgeklebt. Feinmotorische Handarbeit sei da gefragt, „damit wir selbst keinen Schaden anrichten“.
Verkehrsschilder in Wolfratshausen verlieren Gültigkeit – „Das ist verheerend“
Verkehrsschilder und Hinweise auf Feuerwehrzufahrten versucht Schmidbergers Team weiterhin von Stickern freizuhalten. „Wenn beispielsweise die Schilder, die auf eine Geschwindigkeitsbegrenzungen hinweisen, nicht mehr erkennbar sind, verlieren sie ihre Gültigkeit“, so der Bauhofleiter. „Das ist verheerend“ – sowohl für Auto- und Fahrradfahrer als auch für Fußgänger.
Weil das Bekleben keine kindliche Spielerei, sondern eine Sachbeschädigung darstellen kann, bereitet die Stadt Wolfratshausen inzwischen eine Anzeige gegen Unbekannt vor. „Es wäre schön, wenn die Übeltäter erwischt würden“, sagt Schmidberger. Allzu optimistisch ist er aber nicht.
In diesen Tagen stehe der Bauhof inmitten der Vorbereitungen auf den Winterdienst. „Wir haben ganz klar gerade andere Sachen zu tun, als mit Spachtel oder Föhn Aufkleber von Laternen zu kratzen“, betont er. Und mit sinkenden Temperaturen werden die Sticker porös – was die Entfernung noch mehr erschwert. Deswegen ruft er die Bürger Wolfratshausens auf: „Wenn ihr was seht, meldet euch bei der Polizei.“
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Sticker als Straftatbestand: Aufkleber und Sticker an öffentlicher Infrastruktur anzubringen, kann unter Umständen eine Sachbeschädigung nach Paragraf 303 des Strafgesetzbuchs (StGB) darstellen. Das sagt der stellvertretende Dienstellenleiter der Wolfratshauser Polizei, Oberkommissar Thomas Wackerle. Dabei drohen dem Täter Gefängnis oder eine Geldstrafe. Bei der Beklebung von Verkehrsschildern greife Paragraf 145 StGB, die Beeinträchtigung von Unfallverhütungs- und Nothilfemitteln. Bestraft werden betreffende Verstöße mit einer Geldstrafe oder ebenfalls einer Freiheitsstrafe. Wackerle: „Ob eine Sache einen der Straftatbestände erfüllt, entscheidet die Staatsanwaltschaft bei jedem Fall individuell.“
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