Darum wird es bei der Siko gehen
Der Westen hat mehr Angst vor Migranten als vor Putin: Das zeigt ein neuer Siko-Bericht. Auch der Machtgewinn Chinas treibt die Menschen um.
München – Die Prognose klingt düster. „Lose-Lose?“ heißt der Münchner Sicherheitsreport, der jedes Jahr wenige Tage vor Beginn der Siko veröffentlicht wird. Soll heißen: In der Weltordnung droht derzeit jedes Land als Verlierer dazustehen. Betrachte man die Vorteile von internationaler Zusammenarbeit als Kuchen, dann hätten westliche Länder die Befürchtung, „dass das eigene Stück immer kleiner wird“, sagt Siko-Forschungsdirektor Tobias Bunde. „Einige Autokraten von Russland bis Iran haben hingegen das Gefühl, jetzt wäre die Gelegenheit, ihr Stück zu vergrößern.“
Am kommenden Wochenende wird München wieder zur Hochsicherheitszone: 180 Regierungsvertreter aus aller Welt werden im Bayerischen Hof über Krisen und Konflikte debattieren – darunter allein 84 Außen- und Verteidigungsminister. Erwartet werden auch Staatschefs, Könige und Friedensnobelpreisträger.
Siko in München: Herausforderungen wie selten zuvor
Der Report zeigt, wie schwer ihre Diskussionsgrundlage sein wird: Es gebe so viele Krisen, Konflikte und Herausforderungen wie selten zuvor in den 60 Jahren seit Bestehen der Sicherheitskonferenz, sagt ihr Chef Christoph Heusgen. Zwar sind die offensichtlichen Baustellen die Kriege in der Ukraine und in Nahost. Doch laut einer Umfrage in dem Report ist für viele Menschen im Westen Putin nicht mehr das größte Sicherheitsrisiko – man nehme Migration, Cyberangriffe, den Klimawandel und den islamischen Extremismus als die größten Bedrohungen wahr. Dafür wurden im vergangenen Herbst Bürger der G7-Staaten, der ursprünglichen BRICS-Länder mit Ausnahme Russlands (Brasilien, Indien, China und Südafrika) und der Ukraine befragt.
Vor allem in Europas G7-Staaten, Kanada und Japan glaubten nur wenige Menschen, dass ihr Land in den nächsten zehn Jahren sicherer oder wohlhabender wird. In Deutschland seien es sogar nur 15 Prozent, sagt Tobias Bunde. „Das ist ein deutlicher Kontrast zu den Zahlen aus China und Indien, wo Mehrheiten deutlich optimistischer in die Zukunft blicken.“ In fast allen befragten Ländern glaubten die Menschen, dass China und die anderen Mächte des Globalen Südens deutlich an Macht gewinnen, während ihre eigenen Länder stagnieren oder an Macht verlieren. Da immer mehr Länder die Welt als Nullsummenspiel begreifen würden, warnt Bunde vor einem „Teufelskreis“, bei dem es nur um die Frage geht, wer am wenigsten verliert. Das würde dazu führen, dass „der Kuchen insgesamt immer kleiner wird“.
Nicht nur Freunde treffen in München aufeinander
Die Siko soll ein Versuch sein, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Bei dem weltweit wichtigsten Forum für Sicherheitspolitik werden deshalb nicht nur Freunde zusammenkommen: Neben dem israelischen Präsidenten Isaac Herzog wird zugleich der palästinensische Ministerpräsident Mohammad Schtajjeh erwartet. Auch Vertreter aus dem Libanon, Katar, Jemen, Irak, Saudi Arabien, Oman sowie der jordanische König sollen nach München kommen. Der Nahost-Konflikt wird wohl den größten Raum bei der Konferenz einnehmen.
Als prominenteste Vertreterin aus den USA wird Vizepräsidentin Kamala Harris bereits am Donnerstag von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Münchner Flughafen empfangen. Außenminister Antony Blinken und eine Vielzahl von demokratischen wie republikanischen Parlamentariern werden sie auf ihrer Reise begleiten.
Mit Spannung wird auch der chinesische Außenminister Wang Yi erwartet. Taiwanische Vertreter habe man bewusst nicht eingeladen, auch wenn der Konflikt zwischen Peking und dem Inselstaat „Thema sein wird“, sagt Heusgen – denn man habe nicht vor, etwas an der deutschen Ein-China-Politik ändern zu wollen. Explizit ausgeladen ist Russland. „Wenn Putin sich durchringt und Selenskyj als Vertreter der ukrainischen Regierung anerkennt“, wäre das vielleicht eine Basis, um russische Regierungsvertreter einzuladen“, sagt Heusgen – wobei Putin selbst verhaftet würde, sobald er nach Deutschland käme. Ob Präsident Wolodymyr Selenskyj kommen wird, ist offiziell noch unter Verschluss. „Wir haben ihn eingeladen und hoffen, dass er auch kommen wird“, erklärt Heusgen. Informationen unserer Zeitung zufolge plant der ukrainische Präsident einen Siko-Besuch. (Kathrin Braun)