Weltneuheit: Quantencomputer dockt an Münchner Super-Rechner an

Der Supercomputer in Garching wird jetzt um einen Quantencomputer ergänzt. Das ist nicht nur eine Weltneuheit: München soll es zur internationalen Speerspitze für innovative Technologie machen.
Garching – Der Supercomputer im Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) in Garching hilft der Wissenschaft schon heute bei Aufgaben, die normale Rechner nicht mehr leisten können. Jetzt wird der sogenannte SuperMuc selbst zum Forschungsobjekt: Als weltweit erstes Projekt verknüpft das Programm Q-Exa einen konventionellen Superrechner mit einem neuartigen Quantencomputer. Mit diesem Hybrid-Rechner soll die experimentelle Technologie in die Praxis gebracht werden.
Was ist die Aufgabe der Superrechner am LRZ?
Das LRZ unterstützt die Wissenschaft mit dem Höchstleistungsrechner SuperMuc in den Bereichen, wo es starke Rechen- und Speicherleistung braucht, erklärt Dieter Kranzlmüller, Leiter des LRZ: „Das beginnt bei Simulationen des Universums, die zeigen, wie Sterne entstehen. Und geht bis zur personalisierten Medizin, wo wir den Blutfluss in den Arterien des Menschen simulieren.“
Wer nutzt den Supercomputer?
Die Kapazitäten sind für Wissenschaftler reserviert, die damit aufwendige Modelle rechnen: „Wir sind 100 Prozent Wissenschaft, schaffen aber die Grundlagenforschung, auf die die Industrie dann aufsetzt“, sagt Dieter Kranzlmüller. Es gibt zum Beispiel Projekte, die Flugzeugtriebwerke optimieren.
Was ist ein Quantencomputer?
Es handelt sich um neuartige Rechner, die sich grundlegend von konventionellen Systemen unterscheiden. Während ein klassischer Rechner auf elektronischen Schaltkreisen nur mit Nullen und Einsen arbeitet, nutzt ein Quantencomputer quantenmechanische Zustände. Seine kleinste Recheneinheit, die Qubits, verschränken sich miteinander, nehmen neue Zustände an und ermöglichen damit komplexere Analysen. Bisher gilt es aber als schwierig, die Quantenrechner genug zu stabilisieren, dass sie kommerziell nutzbar sind.
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Was kann der Quantencomputer?
„In der Theorie kann ein Quantencomputer alles, was ein Supercomputer auch kann. Praktisch ist da aber noch ein Weg hin“, sagt Kranzlmüller. „Was er heute schon gut kann, ist alles, wo es quantenmechanische Zustände gibt. In der Chemie- oder der Medizinforschung zum Beispiel“, so der Institutsleiter. Aber auch in der Logistik, der Batterieforschung und dem Finanzwesen könnte die Technologie neue Meilensteine setzen. Die Hoffnung ist, dass Quantenrechner die Leistung bisheriger Rechner um ein Vielfaches übertreffen können.
Wozu braucht es einen Quantencomputer am LRZ?
Grundsätzlich wird die Rechenleistung konventioneller Supercomputer ständig verbessert. „Das ist auch gefragt, weil die Wissenschaft ja mit ihrer Forschung weiterkommen will“, so LRZ-Chef Kranzlmüller. „Ein Quantencomputer hat durch seine besonderen Eigenschaften in der Quantenmechanik die Fähigkeit, bestimmte Dinge deutlich schneller zu rechnen als ein konventioneller Computer. Unsere Idee ist es, dass jedes System jetzt das macht, was es am besten kann.“
Praktisch könne das heißen, dass der Supercomputer einen Prozess berechnet und bei einer Teilaufgabe, die er nicht bewältigen kann, den Quantencomputer befragt. „Der Vorteil bei unserem Ansatz ist, dass wir beide Technologien gleichzeitig verbessern können.“ Damit wird am LRZ jetzt Pionierarbeit geleistet: „Es ist der erste Schritt, um Quantencomputer in der Breite nutzbar zu machen. Aber bis dahin werden wir noch ein paar Schritte brauchen.“
Was bedeutet die Entwicklung für den Standort?
Dass eine solche Premiere abseits der US-amerikanischen Tech-Giganten geschieht, ist aufsehenerregend. Für LRZ-Chef Kranzlmüller ist es ein wichtiger Schritt in Richtung Technologie-Souveränität: „Einen Quantencomputer, wie wir ihn hier haben, können wir in Deutschland selbst bauen.“ Der Rechner in Garching stammt von der deutsch-finnischen Firma IQM. Kranzlmüller rechnet damit, dass das Projekt eine Sogwirkung auf Spitzenkräfte haben wird: „Solche Projekte ziehen natürlich gute Wissenschaftler aus aller Welt an, weil es spannend ist, an ihnen zu arbeiten.“ Nachgelagert könne der neue Rechner auch für Quantenfirmen und die Industrie ein Standortfaktor werden.
Wann wird mit dem Hybrid-Rechner gearbeitet?
„Die ersten Forscher arbeiten bereits mit dem Computer, aber wir müssen noch ein paar Schräubchen drehen, damit er stabil läuft“, erklärt LRZ-Chef Kranzlmüller. Weil die Verbindung so neu ist, müssen die Systeme erst miteinander verzahnt werden. Einen ersten Anwendungsfall steuert HQS Quantum Solutions bei: Das Start-up aus Karlsruhe entwickelte eine Software, mit der auf quantenbeschleunigten Supercomputern die Zusammensetzung neuer Materialien und chemischer Stoffe berechnet und simuliert werden kann. Ende des Jahres werden dann mehr Forscher auf den Hybrid-Rechner zugreifen können.