Putins Belgorod-Desaster: Was wir über den überraschenden Ukraine-Vorstoß in Russland wissen
Nach ihrem Kursk-Rückzug fallen die Ukrainer unerwartet in der russischen Grenzregion Belgorod ein. Die Meldungen dazu sind widersprüchlich.
Belgorod - Im Ukraine-Krieg wird weiter erbittert gekämpft, während sich die Verhandlungen zwischen Washington, Kiew und dem Moskau-Regime um einen möglichen Waffenstillstand zäh gestalten.
Nach Kursk-Rückzug: Ukrainer fallen in russische Grenzregion Belgorod ein
In der russischen Grenzregion Kursk haben wieder nordkoreanische Truppen in die Gefechte eingegriffen. Ukrainische Verbände mussten sich von dort zurückziehen, die Armee der Ukraine ist jedoch Anfang der Woche nur wenige später in die Oblast Belgorod eingefallen – die nächstgelegene Grenzregion im Westen von Russland.
Rund um den 21. März herum und mit gezielten Luftangriffen und schwerem Artilleriefeuer aus der Distanz als Unterstützung überrumpelten demnach ukrainische Einheiten den russischen Grenzschutz ein weiteres Mal. Bislang sind die Kämpfe in der Region unübersichtlich. Und die Meldungen russischer und ukrainischer Militärblogger, je nach Perspektive, teils widersprüchlich.
In Wladimir Putins Russland: Ukrainer besetzen angeblich Dörfer Demidowka und Popowka
So behaupteten pro-ukrainische Blogger am Montagabend (24. März), ukrainische Soldaten hätten das grenznahe Dorf Demidowka und die benachbarte Siedlung Popowka besetzt. Kreml-freundliche Blogger verbreiteten dagegen ein Video, das zeigen soll, wie Kamikaze-Drohnen liegen gelassene ukrainische Panzer in Brand stecken. Ort und Zeitpunkt der Aufnahmen lassen sich jedoch nicht verifizieren. Das Moskau-Regime von Wladimir Putin um den willfährigen Außenminister Sergej Lawrow äußerte sich bislang (Stand: Dienstagmittag, 25. März) nicht zu den Berichten.
Wie das dem Generalstab in Kiew nahestehende Online-Portal Ukrinform schreibt, soll durch die örtlich sehr begrenzte (und kleine) Konteroffensive die russische Armee an diesem Frontabschnitt gebunden werden, um deren Kapazitäten in den ukrainischen Regionen Sumy und Charkiw zu belasten. Die Ukrainer warnen schon seit Jahresanfang, die Russen könnten ihrerseits einen Vorstoß über die Grenze an der Oblast Sumy wagen. Die gleichnamigen Großstädte sollen für Putins Zirkel äußerst prestigeträchtig sein. So wurden die russischen Streitkräfte trotz zahlenmäßiger Überlegenheit im Frühjahr 2022 sowohl vor Sumy (rund 270.000 Einwohnerinnen und Einwohner) als auch vor Charkiw (rund 1,4 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner) zurückgeschlagen.
Belgorod
Die Oblast Belgorod liegt mit ihren rund 1,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern im äußersten Südwesten der Russischen Föderation. Verwaltungszentrum ist die gleichnamige Großstadt mit rund 350.000 Einwohnern. Charkiw liegt hier nur 70 Kilometer südlich der Grenze, weswegen die Region der russischen Armee Anfang 2022 als Aufmarschgebiet für den gescheiterten Angriff auf die ukrainische Millionenstadt diente. Wirtschaftlich ist die Oblast für den Eisenerzbergbau sowie für den Maschinenbau und die Metallverarbeitung bekannt.
Meine News
Ukraine-Krieg: Kritik an Wolodymyr Selenskyj und Oleksandr Syrskyj wegen Kursk-Rückzug
Sollten sich Berichte über verlorene westliche Panzer bewahrheiten, geht das ukrainische Oberkommando indes erneut ein hohes Risiko, nachdem die verbliebenen ukrainischen Verbände die Oblast Kursk zuletzt regelrecht fluchtartig verlassen mussten. Der Kreml behauptete hinterher, hunderte ukrainische Soldaten seien in russische Kriegsgefangenschaft geraten, was sich ebenfalls nicht unabhängig verifizieren lässt. Wegen des militärischen Vorgehens in Kursk hatte es in der Werchowna Rada, dem Parlament in Kiew, teils scharfe Kritik gegeben.
Unter anderem die polarisierende Abgeordnete Marjana Besuhla hatte den Oberkommandierenden der Streitkräfte, General Oleksandr Syrskyj, und Präsident Wolodymyr Selenskyj scharf kritisiert. Ihre Vorwürfe: Erst gingen der Militär und der Politiker das große Risiko in Kursk ein, dann ließen sie dortige Soldaten bezüglich Nachschub im Stich, um die besetzten Gebiete in der Region dann als mögliches Faustpfand in den Verhandlungen mit Russland überhastet wieder aufzugeben.
Verluste für Wladimir Putin: Ukrainer nehmen russische Militär-Hubschrauber ins Visier
Zwischenzeitlich sollen rund 6000 ukrainische Soldaten in Kursk gekämpft haben, darunter etliche Elitekämpfer der berüchtigten 3. Angriffsbrigade. Wie viele ukrainische Soldaten dagegen bei Belgorod die Grenze überschritten haben, ist bisher nicht überliefert. Kiew lässt stattdessen militärische Erfolgsmeldungen verbreiten. So wurden Drohnen-Aufnahmen zufolge vier russische Militärhubschrauber Putins in der Oblast Belgorod durch Artilleriebeschuss noch am Boden zerstört. Und Ukrinform schrieb, dass die ukrainische Luftwaffe erfolgreich eine Kommandostelle des russischen Grenzschutzes im Dorf Glotowo bombardiert habe. Unklar ist dagegen ebenfalls, wie viele Ressourcen die russische Armee vor Ort hat, um auf den überraschenden Ukraine-Vorstoß zu reagieren. (pm)