Seit Wochen lag die heikle Angelegenheit bei der Generalstaatsanwaltschaft Köln zur Prüfung. Es ging um die Bundestagsabgeordnete Caroline Bosbach aus dem rechtsrheinischen CDU-Kreisverband Rhein-Berg.
Mutmaßlicher Betrug: Noch vor Ermittlungsstart geht Bosbach in die Offensive
Die Strafverfolger sahen den Anfangsverdacht des Betrugs gegeben. Um aber offiziell ermitteln zu können, musste die Bundestagspräsidentin vorab über das Vorgehen informiert werden. Sollte Julia Klöckner (CDU) nach dem dokumentierten Eingang binnen 48 Stunden keine Einwände vorbringen, wird die Immunität der betroffenen Abgeordneten aufgehoben.
Noch vor Ablauf der Frist ging Caroline Bosbach in die mediale Offensive. Die CDU-Politikerin teilte der „Rheinischen Post" mit: „Die Staatsanwaltschaft Köln möchte nun doch ermitteln. Ich bin zwar überrascht, dass jetzt doch nach fast vier Monaten förmlich ermittelt werden soll, bin aber zuversichtlich, dass das Ermittlungsverfahren nach Abschluss der Ermittlungen eingestellt wird.“ Und weiter: „Ich vertraue unserem Rechtsstaat.“
Die Tochter des christdemokratischen Law-and-Order-Verfechters Wolfgang Bosbach hat also Ärger mit der Staatsanwaltschaft. Im Kern stützen sich die Ermittler auf eine Selbstanzeige eines Azubis der CDU Rhein-Berg, die FOCUS online vorliegt.
CDU-Azubi: „Ich sollte eine fingierte Rechnung schreiben“
Antonio Ponte (Name geändert) hatte sich an die Staatsanwaltschaft gewandt, weil er ein schlechtes Gewissen hatte. „In der Wahlkampfzeit zur Bundestagswahl habe ich ehrenamtlich im Team von Caroline Bosbach gearbeitet“, so seine Ausführungen.
„Am 13. Januar 2025 kam sie auf mich zu und bat mich, ihr einen Gefallen zu tun. Da sie offenbar in Geldnöten steckte, sollte ich der CDU Rhein-Berg eine fingierte Rechnung über 2500 Euro schreiben – über angebliche Social-Media-Dienste für ihren Wahlkampf. Diese Dienste habe ich aber nie getätigt.“ Ponte will sich dem Willen der CDU-Politikerin gebeugt haben, weil er von ihr beruflich abhängig gewesen sei.
„Am 15. Januar habe ich die Rechnung an die CDU Rhein-Berg geschrieben und per Mail geschickt, danach wurde das Geld vom Spendenkonto für den Wahlkampf der CDU auf mein Konto überwiesen. Am 16. Januar ging ich zur Bank und holte 2500 Euro in bar ab. Ich wurde von einem Zeugen zur Wohnung von Caroline Bosbach gefahren. Dort übergab ich ihr den Betrag in Höhe von 2500 Euro.“
Im Gegenzug habe er eine „Provision“ für den Gefallen in Höhe von 50 Euro durch Bosbach erhalten. Er sei sich der Schwere des Vergehens bewusst, erklärte der einstige CDU-Azubi. „Nach Rücksprache mit meiner Familie möchte ich wieder ruhigen Gewissens schlafen können. Auch bin ich selbstverständlich bereit, den entstandenen Schaden zu begleichen.“
Zeugen belasten Bosbach – Anwälte schlagen zurück
Aufgrund der Selbstanzeige ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Auszubildenden wegen Betrugs, will ihn aber zugleich auch bald als Zeugen vernehmen. Als weiterer Zeuge gilt der ehemalige Geschäftsführer des Kölner CDU-Kreisverbandes. Er war nach eigener Aussage bei der Geldübergabe dabei. Kurz nachdem er in die Dienste der inzwischen gewählten Bundestagsabgeordneten Bosbach gewechselt war, erhielt er von ihr am 7. April die fristlose Kündigung.
Gegen beide Belastungszeugen schießen die Medienanwälte der Kanzlei Höcker scharf. „Unsere Mandantin, die Bundestagsabgeordnete Caroline Bosbach (CDU), ist aktuell das Ziel einer Verleumdungskampagne. Die Vorwürfe sind falsch. Sie wurden von einem kriminellen, fristlos gekündigten früheren Mitarbeiter der Mandantin als Teil einer perfiden Rachekampagne konstruiert.“
Besagter Mitarbeiter habe aufgrund seiner „Straftaten“ Unterlassungserklärungen gegenüber unserer Mandantin abgegeben, seinen fristlosen Rauswurf widerstandslos akzeptiert und die Anwaltskosten unserer Mandantin ersetzt.
Ganz so richtig ist diese Darstellung dann doch nicht. Nach FOCUS online-Informationen hat der geschasste Bosbach-Mitarbeiter gegen seine fristlose Kündigung beim Arbeitsgericht geklagt. Inzwischen wurde ein Gütetermin anberaumt. Überraschenderweise erschien Vater Bosbach nebst Anwalt. Da sich beide Seiten nicht einigen konnten, wurde der Richterspruch vertagt.
Auch gegen die Unterlassung geht der entlassene Mitarbeiter beim Kölner Landgericht vor. Der einstige Bosbach-Getreue will seinerzeit schwer unter Druck gesetzt worden sein und habe um des Friedens willen nachgegeben. Eine Justizsprecherin berichtete, dass dieses Verfahren sich noch im Anfangsstadium befindet.
Für die Bundestagsabgeordnete Bosbach geht es um viel. Für ihre Anwälte steht denn auch fest: „Es gab von vornherein keine Scheinrechnung und keinen Schaden für die CDU.“ Vielmehr habe der CDU-Azubi, der als Wahlkampfhelfer fungierte, „nachweislich alle von ihm gegenüber der CDU abgerechneten Leistungen erbracht“.
Schadensersatz und einvernehmliche Trennung
Ein Schaden wäre der CDU nie entstanden, wenn der CDU-Azubi tatsächlich, „wie er fälschlich behauptet, nie im Wahlkampf geholfen hätte“. Schließlich habe Bosbach der CDU von ihr persönlich ausgelegte Wahlkampfkosten im Umfang von mehreren Tausend Euro, die sie hätte geltend machen können, „niemals zur Erstattung eingereicht“.
Obendrein habe Bosbach sofort nach dem Aufkommen der „fingierten Vorwürfe“ zusätzlich noch einmal 2500 Euro an die CDU überwiesen, um jegliche Zweifel zu beseitigen und selbst einen in Wahrheit nie entstandenen, hypothetischen Schaden „auszugleichen“.
Diese Darstellung erklärt immer noch nicht, warum ein kleiner Partei-Azubi Mitte Januar 2025 einen Barumschlag an eine prominente Bundestagskandidatin übergeben haben soll? Ebenso rätselhaft erscheint der Fakt, dass Caroline Bosbach zweimal 2500 Euro an den Kreisverband überwiesen hat. Warum, wieso, wenn doch alles rechtens war?
Wie weitere Recherchen ergaben, endete das Arbeitsverhältnis für den Auszubildenden, quasi den Hauptnestbeschmutzer im Fall Bosbach, erstaunlich glimpflich. Die CDU Rhein-Berg nahm die fristlose Kündigung zurück. Letztlich einigte man sich auf eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsvertrags.
CDU Rhein-Berg will Bosbach-Affäre intern klären
Auch forderte die Partei nicht jene 2500 Euro zurück, die der kaufmännische Lehrling nach eigenen Angaben durch eine Scheinrechnung kassiert haben will. Befragt zu den Gründen hüllte sich der Geschäftsführer der CDU in Rhein-Berg in Schweigen. „Ich bitte um Verständnis, dass wir zu Personalangelegenheiten grundsätzlich keine Stellungnahme abgeben“, teilte Lennart Höring mit.
Seit Monaten sucht die CDU Rhein-Berg, die Bosbach-Affäre möglichst geräuschlos abzumoderieren. Im August setzte sich der CDU-Kreisvorstand mit der Parlamentarierin zusammen, um die seinerzeit publizierten Vorwürfe zu erörtern. Anschließend zeigte sich der Kreisvorsitzende Hermann-Josef Tebroke überzeugt, „die nötige Transparenz und Aufklärung leisten zu können“.
In einer Pressemitteilung betonte der regionale Parteichef: „Die Fragen, die wir klären konnten, sind beantwortet.“ In welcher Art und Weise, ließ der CDU-Politiker offen. Auch die Kardinalfrage, warum eine Bundestagskandidatin vor der Wahl 2500 Euro in bar eingestrichen haben soll, bleibt nach wie vor unklar. Ihre Medienanwälte haben auf eine Anfrage nicht geantwortet. Die Staatsanwaltschaft sucht nun, Licht ins Dunkel zu bringen.