Ärger wegen „Bilanzoptimierungen“: Holzkirchen nimmt 65 Millionen Euro neue Schulden auf

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Der Bau der Mittelschule ist wie alle drei derzeit im Bau befindlichen Großprojekte massiv teurer geworden. © Helmut Hacker

Im Vergleich zu anderen Kommunen des Landkreises Miesbach stemmt Holzkirchen einen riesigen Verwaltungs- und Vermögenshaushalt von 113 Millionen Euro. Das könnte Auswirkungen auf andere Gemeinden haben.

Holzkirchen – In erster Linie waren dafür Kostensteigerungen im Baugewerbe und, wie Kämmerer Dominik Wendlinger sagte, „Bilanzoptimierungen“ bei den großen Gewerbesteuerzahlern der Marktgemeinde verantwortlich. Um dennoch liquide zu bleiben, muss Holzkirchen heuer 45 Millionen Euro und nächstes Jahr noch einmal 20 Millionen Euro Schulden aufnehmen.

Neuverschuldung in Holzkirchen: Marktgemeinde hebt Gewerbesteuersatz an

Mit einer Gegenstimme schluckte der Gemeinderat zudem die Erhöhung des Gewerbesteuersatzes von 320 auf 380 Punkte. Weil Holzkirchen bisher rund ein Viertel der gesamten Kreisumlage (2024: 95,75 Millionen Euro) stemmte, richten sich aus dem Landkreis nun auch bange Blicke nach Holzkirchen, wie sich dessen Geldströme nach Miesbach künftig entwickeln werden.

Angesichts der Bausubstanz der alten Mittelschule und des Bauhofs waren die Spatenstiche für deren Ersatzneubauten im vergangenen Jahr quasi unausweichlich und nicht länger verschiebbar. Um ihre Pflichtaufgaben wahrzunehmen, kam die Marktgemeinde auch an der Erweiterung der Kita an der Erich-Kästner-Straße kaum vorbei.

Dass diese drei Projekte teuer werden, war dem Marktgemeinderat angesichts der Beschlüsse dazu sehr bewusst. Dass diese nun aber nach Corona und dem Beginn des Ukraine-Kriegs zusammen rund 85 Millionen Euro kosten, konnte zu Zeiten der Beschlussfassungen niemand ahnen.

Holzkirchner Haushalt „auf Messers Schneide“

Dass dafür heuer und im nächsten Jahr die Schulden kräftig steigen werden, hatte Kämmerer Dominik Wendlinger schon bei der Haushaltssitzung 2023 vorausgesagt. Noch nicht ahnend, dass durch so bezeichnete „Bilanzoptimierungen“ einiger großer Pharma-Firmen im vergangenen Jahr die Gewerbesteuer massiv von knapp 30 Millionen Euro auf gut 19 Millionen einbrechen wird. Weil zudem die Kreisumlage heuer noch einmal um zwei Millionen, auf die Rekordhöhe von 24,5 Millionen Euro gestiegen ist, stand der Haushalt 2024 wie es SPD-Fraktionssprecher Simon Ammer ausdrückte, „auf Messers Schneide“.

Um die von der Kommunalaufsicht geforderte Liquidität aufrecht zu erhalten, braucht die Gemeinde, wie Wendlinger vorrechnete, monatlich rund sieben Millionen Euro. Dazu musste zu drastischen Mitteln gegriffen werden. Neben eingeplanten Grundstücksverkäufen für 3,36 Millionen Euro rang sich der Gemeinderat durch fast alle Fraktionen schweren Herzens dazu durch, den Gewerbesteuersatz von 320 auf 380 Punkte zu erhöhen.

Kritik und Hoffnung im Marktgemeinderat

Dirk Kreder (FDP) warnte hingegen davor, dass die Steuererhöhung Firmen zum Abwandern bewegen könnte: „Um höhere Steuereinnahmen zu generieren, wäre es besser gewesen, Gewerbeflächen auszuweisen. Momentan können wir keinem Unternehmer etwas anbieten.“ Als einziger stimmte Kreder dann auch dem Haushalt nicht zu.

Angesichts der eingebrochenen Steuereinnahmen bezeichnete Torsten Hensel (FWG) den Haushalt als einen „Friedhof der enttäuschten Hoffnungen“ und die Steuererhöhung als nicht schön, aber notwendig. „Wir müssen jetzt zuerst sparen und dem Haushalt einer Konsolidierung unterziehen. Um langfristig planen zu können, werden wir aber um die Ausweisung und Veräußerung von Grundstücken für Gewerbe und Wohnungen nicht umhinkommen“, forderte Hensel weiter.

Dem stimmte CSU-Sprecher Sebastian Franz zu und erinnerte mit Blick auf den Anteil von 25,6 Prozent der gesamten Kreisumlage daran, dass Holzkirchen im Landkreis nach wie vor der Wirtschaftsstandort Nummer eins ist. Dass Holzkirchen durch die Anhebung des Gewerbesteuersatzes uninteressant werde, sieht Franz nicht: „Wir investieren sehr viel Geld für die Lebensqualität der Bürger und die Attraktivität des Standortes. Davon profitieren letztlich auch die Arbeitgeber.“ Dennoch, so Franz, sollte die Senkung des Steuersatzes angestrebt werden.

Grünen-Sprecher Robert Wiechmann erinnerte daran, dass der Haushalt keine Unternehmensbilanz ist, sondern den Schwerpunkt auf gemeindliche Aufgabenfelder legt: „Die Planungen lassen hoffen, dass wir allen wichtigen Aufgaben nachkommen, ohne die Zukunft zu verschlafen.“ Bisher, so Wiechmann, sei noch keines der vom Marktgemeinderat als wichtig erachteten Handlungsfelder stark beschnitten worden. Bei „einem Berg von Aufgaben vor der Brust“ müssen Ausgaben priorisiert werden und den Bürgern „endlich von allen Fraktionen“ reiner Wein eingeschenkt werden: „Auf absehbare Zeit sehen wir es als Beispiel völlig unmöglich, den Bau eines Eisstadions auch nur anzudenken.“

Zudem sah Wiechmann die Forderung nach mehr Wachstum kritisch: „Das kann für die Gemeinde auch enorme Folgekosten verursachen.“ Bürgermeister Christoph Schmid verwies auf den Nutzen, den die Großprojekte bringen. So können voraussichtlich ab dem ersten Quartal 2025 alle Anfragen nach Kita-Plätzen erfüllt werden. „Wir wollen Infrastruktur-Qualitätsführer in der Region sein und bleiben. Ich weiß von vielen Betrieben, dass sie das schätzen“, sagte Schmid und gab der Hoffnung Ausdruck, dass die Unternehmen die notwendige Erhöhung der Gewerbesteuer deswegen nun auch mittragen werden.

Schmid „zuversichtlich, dass wir von den Schulden herunterkommen“

Auch, weil trotz hoher Schulden im Haushaltsplan Einrichtungen wie das Hubertus-Eisstadion, das Batusa, das Kultur im Oberbräu und die Frischeküche im Betrieb bleiben, zudem weiter Sonderrücklagen für Brandschutz, Wohnungsbau und Sportentwicklung gebildet werden, wollte Schmid nicht von einem ausgesprochenen Sparhaushalt sprechen. „Ich bin zuversichtlich, dass wir von den Schulden auch wieder herunterkommen“, stellte der Rathauschef fest und appellierte an das Gremium: „Dazu müssen wir aber jetzt auch jede Ausgabe kritisch anschauen und hinterfragen.“ Helmut Hacker

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