Trauer um Münchner Verlagslegende Hans Dieter Beck: Ein Visionär und Menschenfreund
Er machte den C. H. Beck Verlag zum führenden juristischen Verlag: Trauer um den Münchner Verleger Hans Dieter Beck. Ein Nachruf.
Wer ihn kannte, will es nicht glauben. Hans Dieter Beck, dieser Mann mit schier unendlicher Wissbegierde, mit dem verschmitzten, bubenhaften Lächeln und den wachen Augen, ist verstorben. Friedlich eingeschlafen, bereits am 3. Januar 2025, so hat es sein Verlag C. H. Beck nun mitgeteilt. Aber hat er nicht gerade noch am Schreibtisch dieses Verlags gesessen, wie jeden Morgen pünktlich um neun hergeradelt? Immer voller Tatendrang, immer voller Neugierde. Ganz so, wie er es uns vor zwei Jahren beim Geburtstagsinterview zum 90. erklärte: „Sehen Sie: Wenn ich in der Früh schon lang rumtue mit Zeitunglesen, dann werde ich ganz nervös. Wenn das lang dauert, drückt es mir auf die Stimmung. Dann denke ich: Es muss doch was gemacht werden, es gibt hier so viel Wichtiges zu tun!“
Gemacht hat er. Seit 1971 leitete Hans Dieter Beck den juristischen Zweig des Hauses und hat es zum führenden Verlag im Bereich der rechtswissenschaftlichen Publikationen gemacht. Übernommen hatte er ihn einst in sechster Generation von seinem Vater, zusammen mit seinem Bruder Wolfgang, der die Sparte Belletristik und Sachbuch verantwortete.
Den „Schönfelder“ und den „Palandt“ ließ Hans Dieter Beck umbenennen
Die Juristerei war nicht bloß sein Beruf, es war seine Leidenschaft. Und wie mitreißend er davon erzählen konnte. Unterhielt man sich mit Beck über seine Arbeit, vergingen selbst zwei Stunden Jura wie im Flug. Weil er selbst solch eine Freude am Thema hatte. Und so genau Bescheid wusste. Vor 20 Jahren hatte er den richtigen Riecher, als er Beckonline auf den Weg brachte – heute die wichtigste juristische digitale Datenbank in Deutschland. 2020 sorgte er für Schlagzeilen, weil er die Aushängeschilder des Verlages, den „Schönfelder“ und den „Palandt“, mit denen Generationen von Jurastudierenden gearbeitet hatten, umbenennen ließ. Weil sowohl Heinrich Schönfelder als auch Otto Palandt überzeugte Nationalsozialisten waren.
Und dann gibt es da die Geschichte mit dem Verlagshaus. Die so viel erzählt über die wichtigste Qualität dieses Geschäftsmannes: Menschlichkeit. Das Gebäude hatte Beck über die Jahre durch mehrere Bauten erweitern lassen. Einmal hatte sich ein Messingenieur um 19 Zentimeter in seinen Planungen vermessen – da lernte der Jurist, was Baurecht ganz praktisch bedeutet. Bereits eine Million Euro war zu dem Zeitpunkt investiert, nun musste alles umgeändert, bei der Stadt geprüft werden, ob die 19 Zentimeter höhere Variante erlaubt sei. Der Mess㈠ingenieur, dem der Fehler unterlaufen war, tat Beck so leid, dass er ihn nicht für den Schaden aufkommen ließ. „Der arme Mensch! Den wollte ich nicht ins Unglück stürzen.“
Empathie, die eigenen gesellschaftspolitischen Möglichkeiten bedacht und verantwortungsvoll nutzen, das hatte er einst von seinem Vater gelernt. „Er hat den Verlag nicht nur als Geldquelle gesehen, sondern immer auch als eine kulturelle Aufgabe. So sehe ich mich auch.“ Wie er sich überhaupt kulturell stets engagiert hat, etwa als Initiator des Geschwister-Scholl-Preises oder als Leiter des Tukan-Kreises, einer der ältesten literarischen Institutionen Münchens. Und eben als wichtiger Unternehmer der Stadt.
Bedacht, wie er war, hat er rechtzeitig Sorge für seine Nachfolge getroffen. „C.H.Beck ist und bleibt ein Familienunternehmen, künftig in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG“, teilt der Verlag mit. Leiter des kulturwissenschaftlichen und literarischen Verlagsprogramms ist seit 2015 Jonathan Beck, Sohn von Wolfgang Beck.
Hans Dieter Beck war ein Geschäftsmann voller Menschlichkeit
Als man Hans Dieter Beck zum 90. Geburtstag fragte, ob einmal eine seiner drei Töchter übernehmen würden, zeigte sich wieder seine große Menschlichkeit. Die älteste ist Anwältin, „vielleicht wird sie eine Rolle im Verlag übernehmen. Aber nur, wenn sie das möchte.“ Das war ihm wichtig: die Töchter das machen zu lassen, was sie interessiert. Und so richtig vorstellen konnte man sich damals ohnehin nicht, dass er einmal nicht mehr sein würde. Er, der bei der Frage, was er gern in seiner wenigen Freizeit mache, so zauberhaft verschrobene Antworten gab wie: „Ich würde mich mal wieder in aller Ruhe ins Kapitalmarktrecht vertiefen.“
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Ganz loslassen konnte er eben auch in den Ferien nicht. So ist das als Jurist durch und durch. „Ich gebe natürlich einiges ab, aber die Kontrolle nicht. Wenn man seine Pflicht erfüllen will, dann kann man nie zu 100 Prozent abgeben.“ Das klang, als könnte das für die Mitarbeiter manchmal anstrengend sein. Kurzes Überlegen. „Ich glaube nicht, dass ich ein strenger Chef bin. Und ich bin auch jemand, der sehr viel Einsicht hat, dass Fehler entstehen. Dass wirklich fehlerfreies Arbeiten unmöglich ist, lernt man, wenn man so lange lebt wie ich.“ Kein Kontrolletti-Chef also? „Kontrollieren, so darf man es nicht ausdrücken – sagen wir ,Nachüberlegen‘.“ Und da war es wieder, dieses verschmitzte Buben-Lächeln. Es wird fehlen.