Top-Ökonom drängt auf Reform der Rente: Dieses Vorhaben ist jetzt „ein echter No-Brainer“

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Angesichts des demografischen Wandels sieht Ökonom Martin Werding das deutsche Rentensystem unter Druck. Er fordert Reformen, um die junge Generation nicht übermäßig zu belasten.

Frankfurt – Das deutsche Rentensystem steht vor großen Herausforderungen. Trotz des demografischen Wandels bleibt die gesetzliche Rente politisch abgesichert, nicht zuletzt durch den Einfluss älterer Wähler. Doch der Ökonom Martin Werding, Professor für Sozialpolitik und einer der führenden Experten auf diesem Gebiet, warnt: Die eigentliche Frage ist, wie das System finanziert werden soll, ohne die junge Generation übermäßig zu belasten.

Rente: Stabilität auf Kosten der Jungen?

Im Gespräch mit dem NDR sieht Martin Werding, der auch im Sachverständigenrat sitzt und die Regierung berät, das gesetzliche Rentensystem trotz der Sorgen vieler Bürger nicht in Gefahr. Der politische Schutz sei stark, da ältere Wähler eine einflussreiche Mehrheit darstellen. „Die Rente wird es immer geben“, beruhigt Werding. Doch die Kernfrage sei, zu welchem Preis: „Die Frage ist aber eher wie? Wird es zu teuer für die Jungen? Darüber müsste man sich Sorgen machen.“

Die strukturelle Schieflage ist absehbar: Immer weniger Einzahlern stehen immer mehr Bezieher gegenüber. Trotzdem wird in der Politik selten offen darüber gesprochen, wie teuer das System für die jüngeren Generationen werden könnte. Werding mahnt: „Die Politik muss ehrlich sein und Maßnahmen ergreifen, um das System zukunftssicher zu machen.“

Rente als Wahlkampfthema ungeeignet

Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk warnt Werding davor, die Rentenpolitik als zentrales Wahlkampfthema zu nutzen. Er sieht die Gefahr, dass Wahlkämpfer damit Erwartungen schüren könnten, die letztlich nur enttäuscht werden. Der demografische Wandel, so Werding, übe einen enormen Druck auf das Rentensystem aus.

Es sei daher notwendig, tiefgreifende Reformen einzuleiten, anstatt mit populistischen Lösungen kurzfristige Hoffnungen zu wecken, die auf lange Sicht nicht erfüllbar seien

Bundespressekonferenz Vorstellung des Jahresgutachtens 2023/24: Martin Werding
Die Riester-Rente hat sich als ineffektiv erwiesen, sagt Wirtschaftsweiser und Professor für Sozialpolitik Martin Werding. © IMAGO

Rente mit 70: Anhebung der Regelaltersgrenze unverzichtbar

Die demografischen Herausforderungen – sinkende Geburtenraten und steigende Lebenserwartung – üben laut Werding massiven Druck auf das Umlagesystem aus. Er fordert eine stärkere Ergänzung durch kapitalgedeckte Renten, bei der Rentenansprüche auch aus langfristigen Kapitalanlagen finanziert werden. Das sei nötig, um die jüngere Generation vor übermäßigen Kosten zu schützen.

Zudem hält Werding eine schrittweise Anhebung der Regelaltersgrenze für unverzichtbar, da Menschen länger leben und entsprechend länger arbeiten müssten. „Das ist wegen der steigenden Lebenserwartung leider ein echter No-Brainer, den man aber in der Öffentlichkeit bei uns kaum diskutieren kann“, sagt er im NDR.

Riester-Rente ineffektiv: Neue Reformen für die private Rente nötig

Neben den strukturellen Reformen sieht er auch Nachholbedarf bei der privaten Altersvorsorge. Die Bürger sollten ergänzend zur Rente auch privat vorsorgen. Laut seiner Berechnung tun das schon ziemlich viele: Nur 20 Prozent verlassen sich komplett auf die Rente.

Systeme wie die Riester-Rente haben sich als ineffektiv erwiesen. Hohe Kosten, niedrige Renditen und ein undurchschaubares Angebot schrecken viele Menschen ab. Werding fordert die Entwicklung eines effizienteren und transparenteren Modells, das den Bürgerinnen und Bürgern bessere Renditen bietet und die Hemmschwelle für private Vorsorge senkt.

Zudem schlägt er vor, einfache, standardisierte Produkte mit klar definierten Risikoklassen anzubieten. So könnten Menschen eine fundierte Entscheidung treffen, ohne von einer unübersichtlichen Vielfalt überwältigt zu werden. Ein solches System würde nicht nur die finanzielle Sicherheit im Alter erhöhen, sondern auch das Vertrauen in die Altersvorsorge stärken.

Neue Regierung muss mit Rententhema ehrlicher umgehen

Eins steht fest: Die kommende Bundesregierung steht vor einer doppelten Herausforderung. Einerseits müsse sie die langfristige Tragfähigkeit des Rentensystems sichern, andererseits müsse sie ehrlich mit der Bevölkerung kommunizieren. Das bedeute auch, vergangene Versäumnisse in der Rentenpolitik einzugestehen, so der Ökonom.

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