Italien-Urlauber überrennen Kult-Hotspot: Neuer Trend lässt Einheimische wüten – Wirtin zieht Konsequenzen

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Zu viele Urlauber sind in Italien oft ein Problem. Ein neuer Trend trifft jetzt auch einzelne Hotspots. Ein Fall aus Florenz zeigt die Schwierigkeiten.

Florenz – Für viele Urlauber gehört es mittlerweile fest zur Reiseplanung: Versteckte Geheimtipps in der Reise-Destination in den sozialen Medien, wie Instagram oder TikTok suchen. Hier entdecken viele Reisende kultige Insider-Hotspots oder Restaurants, die besonders bei Einheimischen beliebt sind - natürlich abseits gewohnter Touri-Pfade. Für viele Betreiber etwa von Bars bringt das neue Kundschaft, doch es kann auch zu viel werden. Das zeigt jetzt ein Fall aus Italien.

Tatort: Florenz. Die Medici-Stadt am Arno gehört ohnehin zu den absoluten Urlauber-Hotspots in Italien. Besonders amerikanische Touristen halten hier auf einer Rundfahrt durch Europa gerne an und bewundern die Kunst von Michelangelo und die regionale Kulinarik. Jetzt ist ein neuer Geheimtipp durch die sozialen Medien berühmt geworden. Wer dieser Tage die Eisdiele Vivoli im Zentrum von Florenz besuchen will, wird meist schnell von schier endlosen Urlauber-Schlangen abgeschreckt. Fast eine Stunde steht man zu Stoßzeiten an, berichtet nun der Corriere Fiorentino. Doch das war nicht immer so.

Italien-Hotspot von Urlaubern komplett überrannt – Anwohner spotten über „Disneyland“

Der wundersame Urlauber-Andrang bei Vivoli ist vor allem auf virale Videos über das kulinarische Highlight der Eisdiele zurückzuführen. Denn die fast ausschließlich ausländischen Kunden in der Schlange wollen alle das gleiche kaufen: den Gran Crema al Caffè. Kostenpunkt derzeit: 6 Euro. Dabei handelt es sich um einen Espresso, serviert in einer Keramiktasse, die an allen vier Seiten mit Eis der Sorte Crema bestrichen ist. Also einer Abwandlung des Caffè Affogato. „Amazing“ beschreibt eine amerikanische Touristin das Kaffee-Erlebnis gegenüber dem Regional-Blatt. Viele Urlauber, die es sich mitsamt der Kaffee-Eis-Kreation auf dem Gehsteig vor einer nahegelegenen Kirche bequem gemacht haben, bestätigen dem Blatt auch: Sie haben die Eisdiele auf Instagram oder TikTok entdeckt.

Neu ist die Vivoli-Kreation nicht. Dem Bericht nach serviert die Eisdiele den Caffè schon seit den 70er Jahren. Doch der amerikanische Regisseur Sam Youkilis machte das Produkt in seiner Heimat erst 2024 berühmt. Er drehte im Rahmen einer Kommunikationskampagne kurze Videos über die Geschichte und Kultur der Stadt. Dabei nahm er auch kultige Hotspots ins Visier, wie etwa die berühmten Weinlöcher von Florenz, ein Kanu auf dem Arno – und eben den Affogato al Caffè.

Italien-Urlauber überrennen Florenz-Caffè: Wirtin zieht Konsequenzen – und steckt in Dilemma

Jetzt pilgern Hunderte Amerikaner zu der kleinen Eisdiele. Und das hat Folgen. Die Inhaber des Vivoli haben mittlerweile ob des Andrangs beschlossen, einen angrenzenden Raum zu mieten. Dort wurde Anfang April eine Verkaufsstelle eingerichtet, die ausschließlich den beliebten Affogato al Caffè ausgibt. Sofort kamen Touristen-Massen, wie die beiden Schwestern, die das Eiscaffè betreiben, dem Corriere berichten.

Jetzt stecke man in einem Dilemma, berichten sie: „Ich bin jetzt hin- und hergerissen, denn einerseits ist das alles wunderbar: Wir haben viel mehr Kunden und haben sechs Leute eingestellt“, so Patrizia Vivoli, meint aber weiter: „Andererseits kommen immer weniger Florentiner, um unser Eis zu holen, weil sie Angst vor den langen Warteschlangen haben.“ Die alteingesessene Eisdiele will seine Stammkunden behalten – besonders auch für Zeiten, in denen die Touristen nicht in Massen kommen. Doch es gibt weitere Probleme: Die Urlauber-Massen müssen mittlerweile durch Ordner in Zaum gehalten werden. Kein Einzelfall: Einige Italien-Städte denken mittlerweile wegen der Urlauber-Massen über Gebühren nach. Zudem müssen die Mitarbeiter auf Englisch kommunizieren können, da dies von den Amerikanern oftmals erwartet wird.

Italien-Urlauber in Florenz. Der Caffè Affogato ist der aktuelle Hit - zum Leidwesen der Einheimischen. (Collage mit Archivbild)
Italien-Urlauber in Florenz. Der Caffè Affogato ist der aktuelle Hit – zum Leidwesen der Einheimischen. (Collage mit Archivbild) © IMAGO / NurPhoto//Screenshot: Instagram/Vivoli

Laut Patrizia versucht man Florentiner aktuell aus der Schlange vorzuziehen, um weiter eine Anlaufstelle für die Bürger der Stadt zu bleiben. Doch das gelingt nicht immer.

Urlauber-Ansturm trifft Italien-Hotspot - EInwohner rechnen ab: „Idioten und ihre Beiträge“

Wie dramatisch der sogenannte Overtourism in Florenz ist, zeigen die Kommentare der Einwohner zu dem Corriere-Beitrag auf Instagram: „Es tut mir im Herzen weh, Florenz als Geisel dieser Leute zu sehen. Florenz, halt durch, du hast schon Schlimmeres ertragen“, schreibt einer. Ein anderer meint kurz und knapp: „Genug ... genug! Florenz ist jetzt Disneyland“.

Und auch die Vivoli-Stammgäste machen ihrer Wut Luft: „Ich kaufe Gran Crema al Caffè seit 2010, als ich in die Nähe gezogen bin. Es stand als Letztes auf der Speisekarte und kostete 3,50 €. Ich konnte es jahrelang nicht kaufen, endlose Warteschlange und ein astronomischer Preis.“ Ein anderer spricht das aus, was die Inhaber befürchten: „Vivoli ist kein Florentiner mehr. Wir kamen in unserer Arbeitspause immer auf einen schnellen Kaffee vorbei. Jetzt ist es nicht mehr möglich“. Ein anderer Florentiner fasst zusammen: „Das Zentrum war so lebenswert... verdammt diese Idioten und ihre Beiträge“. (rjs)

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