Größter Klimasünder: China kann schon 2024 seine Emissionen senken – obwohl es Kohlekraftwerke baut
In der Klimakrise könnte es 2024 eine unerwartete Entlastung geben: Chinas Emissionen dürften laut einer neuen Studie zurückgehen.
Es gibt in diesen unruhigen Zeiten auch gute Nachrichten: Chinas Ausstoß an Treibhausgasen könnte schon ab diesem Jahr sinken – und das trotz anhaltend hohem Kohleverbrauch. Das ergab eine Ende 2023 veröffentlichten Studie des Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) in Helsinki, das Chinas Energiepolitik seit Jahren beobachtet. Laut der von der Heinrich-Böll-Stiftung unterstützten Studie werden Chinas Rekord-Installationen erneuerbarer Energien des vergangenen Jahres nun schrittweise ans Netz gehen und 2024 große Mengen klimaneutralen Stroms liefern. Das ziehe den Scheitelpunkt der chinesischen Emissionen deutlich vor, womöglich bereits auf dieses Jahr. Chinas offizielles Klimaziel sieht noch bis 2030 eigentlich steigende Emissionen vor. Die Anstiegskurve ist seit ein paar Jahren allerdings bereits abgeflacht.
China ist als weltgrößter CO₂-Emittent entscheidend für Erfolg und Misserfolg im globalen Klimaschutz. Doch obwohl Peking sich ungern international in die Pflicht nehmen lässt, investiert es mehr in erneuerbare Energien und baut mehr Wind- und Solarkraftwerke als jedes andere Land der Welt. Auch die Wasserkraft trägt seit langem zum Energiemix bei, ebenso wie die in China zu den klimaneutralen Energien zählende Atomkraft. Das Problem: Zugleich genehmigt Peking weiterhin neue Kohlekraftwerke. 2023 verbrauchte es nach Berechnungen der Internationalen Energieagentur (IEA) nochmal 4,9 Prozent mehr Kohle als im Vorjahr.
China baut massiv Fotovoltaik-Anlagen zu
Trotzdem werden Chinas Emissionen nach Ansicht der Studien-Autoren auf Basis verschiedener Annahmen 2024 zu sinken beginnen. Zwar spricht der weiter wachsende Energieverbrauch, vor allem in der Industrie, in Gebäuden und im Verkehrswesen, dagegen. Doch dafür spricht, dass eben immer größere Teile der Stromnachfrage ab diesem Jahr von den riesenhaften neuen Erneuerbaren-Kapazitäten gedeckt werden können.
Vor allem Solaranlagen baut China rasant zu. Die Fotovoltaik-Installationen von 2023 von rund 210 Gigawatt seien „doppelt so hoch gewesen wie die gesamte installierte Solarkapazität in den USA – und viermal so hoch wie diejenige in China selbst im Jahr 2020“, rechnet Lauri Myllyvirta vor, leitender CREA-Analyst und China-Experte des Instituts. Auch die Windkraft legt zu. „Allein die im Jahr 2023 neu installierte Solar-, Wind-, Wasser- und Kernkraftkapazität wird schätzungsweise 423 Terawattstunden pro Jahr erzeugen. Das entspricht dem gesamten Stromverbrauch Frankreichs.“
Etwa die Hälfte der neu addierten Solaranlagen wurde laut Myllyvirta auf Dächern installiert – vor allem auf Basis eines Programms namens „Solar im ganzen Land“, bei dem jeweils eine einzige Auktion die Aufträge für Solaranlagen auf einem bestimmten Anteil Dächern eines gesamten Bezirks vergibt.
Xi Jinping: Emissions-Scheitelpunkt vor 2030, klimaneutral bis 2060
Staatschef Xi Jinping will bis 2030 in den Wüsten Nordwestchinas insgesamt 455 Gigawatt neuer Solar- und Windkapazitäten errichten lassen. Dann sollen im ganzen Land Wind- und Solaranlagen mit einer Leistung von insgesamt rund 1200 Gigawatt Strom erzeugen. Zum Vergleich: In Deutschland hatten wir Ende Juli Solaranlagen mit einer Gesamtkapazität von gut 75 Gigawatt.
Xi hatte im September 2021 vor den Vereinten Nationen angekündigt, dass China ab 2060 klimaneutral sein wolle. Das ist zehn Jahre später als die entwickelten Länder – aber wurde damals trotzdem als Meilenstein aufgenommen. Seither wächst der Druck auf die Volksrepublik, ambitioniertere Ziele auszurufen. Bisher ohne Erfolg. „China ist immer noch ein Entwicklungsland. Die Kontrolle der Emissionen von Methan und anderen Treibhausgasen ist nach wie vor mit riesigen Schwierigkeiten und Herausforderungen verbunden“, sagte Chef-Klimaverhandler Xie Zhenhua auf der COP28 im November 2023. China sei „nach wie vor technologisch schwach; unsere Statistiken sind unklar und unsere Messdaten unzureichend“.
China: Dekarbonisierung nach eigenem Fahrplan
Peking werde stets darauf drängen, dass jeder Staat die Dekarbonisierung gemäß der eigenen nationalen Gegebenheiten umsetzen dürfe, erwartet Klima-Experte Nis Grünberg vom Merics-Institut für Chinastudien. „China sagt: ‚wir machen den Ausstieg, so schnell wie es uns eben möglich ist‘“, so Grünberg zu IPPEN.MEDIA. Und Peking setzt, wie oft üblich in sozialistischen Systemen, die Planziele lieber niedrig an – damit man sie im Zweifel übererfüllen kann. Beim Klimaschutz hätte dann die ganze Welt etwas davon.