Gespräch mit Ex-Fraktionschef - Hofreiter erklärt, warum Habeck ein besserer Kanzler als Scholz wäre

Herr Hofreiter, auf dem Grünen-Parteitag soll Robert Habeck zum „Kandidaten für die Menschen in Deutschland“ gewählt werden. Traut ihm die Partei eine Kanzlerkandidatur nicht zu?
Wir trauen Robert Habeck selbstverständlich eine Kanzlerkandidatur zu. Es ist einfach ein sehr schöner Titel, den er sich selbst gewünscht hat. Es ist allen klar, dass die Grünen mit Robert Habeck als Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl ziehen.

Ist es nicht auch Ausdruck dessen, dass die Partei kein „Bündnis 90 – Der Robert“ sein will, vor dem mitunter gewarnt wurde?
Auch Robert will kein „Bündnis 90 – Der Robert“. Es ist wichtig, dass sich die Partei hinter ihrem Spitzenpersonal versammelt und gleichzeitig deutlich macht, dass wir die Grünen sind.

Was kann Habeck denn besser als Kanzler Olaf Scholz?
Er kann besser kommunizieren, wobei man sagen muss, dass das auch nicht besonders schwer ist. Robert hat zudem einen klareren Blick auf die geopolitischen Herausforderungen als der Kanzler und kann – wie er in der Energiekrise gezeigt hat – schwierige Situationen besser meistern.

Habeck spricht davon, die „Merkel-Lücke“ schließen zu wollen. Wie groß ist das Potenzial, bei früheren Wählern der Union zu punkten?
Es ist richtig, dass wir uns breit aufstellen. Wir sind eine plurale Partei und bieten natürlich auch ehemaligen Wählerinnen und Wählern von Angela Merkel eine Heimat, denen Klimaschutz, Demokratie und Vielfalt wichtig sind.

Bislang scheint das Kanzleramt meilenweit entfernt, stattdessen droht den Grünen bei einer GroKo die Opposition. Was braucht es, um im Wahlkampf aufzuholen?
Wir müssen deutlich machen, dass unsere Lösungen auf Augenhöhe mit den Herausforderungen sind. Wir müssen mit den Problemen so umgehen wie in der Energiekrise. Damals haben wir Grüne den schnellen Ausbau von erneuerbaren Energien und gleichzeitig den Bau von LNG-Terminals vorangetrieben.

Wir brauchen solche großen Lösungen für das Thema Sicherheit und Frieden, für die technologischen Herausforderungen, vor denen das Land steht und wir müssen die Klimakrise in den Griff bekommen. Nur so können wir unseren Wohlstand verteidigen.

Maßnahmen zum Klimaschutz sind in den vergangenen Jahren immer unpopulärer geworden. Sind Zumutungen im Wahlkampf noch vermittelbar?
Es geht nicht darum, das Klima zu schützen. Es geht um die Rettung unserer eigenen Lebensgrundlage. Davon abgesehen: Bei Klimaschutz geht es nicht nur um Belastungen, sondern darum, unsere Wirtschaft ins 21. Jahrhundert zu bringen.

Eine große Technologieoffensive ist auch die angemessene Antwort auf die noch immer bestehenden Abhängigkeiten von Autokratien. Der Ausbau von Erneuerbaren ist populär, auch die Umstellung auf Wasserstoff birgt viele Chancen.

Das andere Thema, das Sie angesprochen haben, ist Frieden. Kanzler Scholz hat seinen besonnenen Kurs im Bundestag verteidigt. Welchen Kurs für die Ukraine erwarten Sie von der nächsten Bundesregierung?
Besonnenheit ist auf jeden Fall richtig. Es verhandelt sich mit einem Diktator wie Putin aber leichter aus einer Position der Stärke als aus einer geschwächten Position. Deswegen ist die Unterstützung der Ukraine der beste Weg zum Frieden.

Diplomatie wird erst durch Stärke möglich. Die SPD und ihr Kanzler sitzen da leider seit vielen Jahren einem falschen Bild von Putins Regime auf.

Hoffen Sie vor diesem Hintergrund auf Schwarz-Grün?
Bei den außenpolitischen Positionen sind die West-CDU und die Grünen näher beieinander als Rot-Grün. Wir sollten jetzt aber nicht über Koalitionen spekulieren. Die richtige Reihenfolge lautet: Wahlkampf, Wahl, Koalitionsverhandlungen.

Die CSU bleibt eine hohe Hürde für Schwarz-Grün, aber demokratische Parteien müssen immer gesprächsfähig miteinander bleiben.

In den USA haben die Demokraten die Wahl gerade krachend verloren. Was können die Grünen daraus lernen?
Erstens dürfen wir auf keinen Fall unterschätzen, welche Wirkung Propaganda in den sozialen Netzwerken entfalten kann.

Zweitens müssen wir uns bewusst machen, wie es eigentlich den Menschen im Land geht. Es reicht nicht, wenn wir uns freuen, dass die Inflation sinkt. Der Butterpreis ist immer noch viel zu hoch, die Leute machen sich mit Blick in ihren Geldbeutel Sorgen. Darauf müssen wir Lösungen finden.

Eigentlich wollten die Grünen nach den verlorenen Ost-Wahlen in Wiesbaden einen Neuanfang wagen. Nun wird zwar das Personal ausgetauscht, aber wo bleibt die inhaltliche Neuaufstellung?
Das passiert jetzt parallel zum Wahlkampfstart, wir werden schon bald ein Programm vorlegen. Für mich ist wichtig, dass wir Lösungen auf die großen Fragen unserer Zeit finden.

Stichwort Neuanfang: Sie sind seit 2005 im Bundestag. Reicht es Ihnen nicht langsam?
Ich habe den Eindruck, weiterhin einen wichtigen Beitrag leisten zu können. Eine Bundestagsfraktion profitiert von einer guten Mischung, da spielt auch Erfahrung eine Rolle.

Die großen Herausforderungen, der Schutz unserer Lebensgrundlagen und Frieden in Europa treiben mich weiter an. Da braucht es auch klare und unbequeme Stimmen. Deswegen trete ich wieder an.

Von Felix Hackenbruch