Israels Atomwaffen-Geheimnis: „Ultima Ratio“ im Krieg gegen den Iran

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Israels Atomwaffen sind ein offenes Geheimnis. Doch warum spricht das Land nicht darüber? Laut einem Experten könnte Israel sein Schweigen unter einer Bedingung brechen.

Jerusalem – Israel hat den Besitz von Atomwaffen nie öffentlich zugegeben. Dabei gehen die internationale Gemeinschaft und Experten davon aus, dass der Staat über eine beachtliche Zahl der Massenvernichtungswaffen verfügt. Laut dem Center for Arms Control and Non-Proliferation (NBI) gehen die meisten Schätzungen davon aus, dass Israel über rund 90 plutoniumbasierte Atomsprengköpfe verfügt. Zudem sei das Land im Besitz von ausreichend nuklearem Material, um weitere 100 bis 200 solcher Waffen zu bauen.

Wie die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) auf ihrer Webseite schreibt, würden Atomwaffen vor allem als letzte „Sicherheitsgarantie“ betrachtet. Atomar bewaffnete Länder könnten sich somit gegen eine „konventionelle Überlegenheit oder gegen Atomarsenale anderer Staaten“ in gewissem Maße absichern. So auch Israel?

Israel im Krieg gegen den Iran – Wieso verschweigt Jerusalem sein Atomwaffen-Arsenal

Im Krieg gegen den Iran behauptet Israel stets, dass das benachbarte Land kurz vor der Fertigung eigener Atomwaffen stehe. Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu schrieb beispielsweise im März 2023 auf X: „Der jüdische Staat wird alles Notwendige tun, um den Iran am Erwerb von Atomwaffen zu hindern.“ Für Israel dient diese Anschuldigung als Rechtfertigung für die jüngsten Angriffe auf Atomanlagen im Iran.

Das Mullah-Regime in Teheran verneint bislang, an einem eigenen Atomarsenal zu arbeiten. Allerdings lässt die Menge an angereichertem Uran Zweifel an der Darstellung Teherans aufkommen. „Wie die IAEA (Internationale Atomenergiebehörder, Anm. d. Red.) bestätigt hat, hat der Iran seine Anreicherung auf 60 Prozent erhöht, außerdem gab es einen Anstieg der Raketentests“, erklärte der Sicherheitsexperte Hans Jakob Schindler gegenüber der Deutschen Welle (DW). Dieser Zustand lasse vermuten, dass der Iran möglicherweise auf den Bau einer Atombombe zusteuere.

Folgt man nun der Logik der Bundeszentrale, scheint es ungewöhnlich, dass Israel auf die Offenlegung seines Atomarsenals verzichtet. Wie Fabian Rene Hoffmann, Experte für Atomwaffenpolitik und Atomwaffenstrategie am Oslo Nuclear Project an der Universität Oslo gegenüber der Frankfurter Rundschau von Ippen.Media erklärt, könnte das unter anderem mit dem Atomwaffensperrvertrag der Vereinten Nationen zusammenhängen.

Benjamin Netanjahu vor mehreren Raketen.
Warum legt Israel den Besitz von Atomwaffen nicht offen? (Archivbild) © JACK GUEZ/AFP

Israels Atomwaffen-Geheimnis – Experte vermutet Zusammenhang mit UN-Vertrag

„Offiziell dürfen nur die fünf ständigen Vertreter im UN-Sicherheitsrat Atomwaffen besitzen. Allen anderen Staaten ist das rechtlich untersagt. Das gilt auch für Israel“, erklärt Hoffmann gegenüber unserer Redaktion. „Entsprechend macht eine offizielle Nichtbekanntgabe Sinn.“ Allerdings hat Israel den Atomwaffensperrvertrag – neben Indien, Pakistan, dem Südsudan und Nordkorea – nicht unterzeichnet. Israel könnte mit der Nichtbekanntgabe eigener Atomwaffen auch Komplikationen mit dem Sicherheitsrat vermeiden. „Das offiziell zuzugeben, würde unnötig Angriffsfläche schaffen“, sagt Hoffmann.

Zudem sei es für Israel derzeit überhaupt nicht notwendig, auf die abschreckende Wirkung von Nuklearwaffen zurückzugreifen. Der Atomwaffen-Experte erklärt: „Gleichzeitig muss Israel auch gar nicht groß auf der nuklearen Ebene signalisieren, da sein konventionelles Arsenal ausreicht, um die allermeisten Bedrohungen abzuschrecken.“

Der Atomwaffensperrvertrag

Der Atomwaffensperrvertrag (NVV) von 1968 ist das Fundament der globalen nuklearen Ordnung und trat 1970 in Kraft. Er verpflichtet Nichtnuklearwaffenstaaten zum Verzicht auf Nuklearwaffen und zur Unterstellung ihrer kerntechnischen Anlagen unter internationale Kontrolle, während die fünf offiziellen Nuklearwaffenstaaten (USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich) sich zur Nichtweitergabe von Kernwaffen und zur nuklearen Abrüstung verpflichten.

Gleichzeitig regelt der Vertrag die Kooperation bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie. Deutschland trat dem Vertrag am 2. Mai 1975 bei. Der NVV ist quasi universell gültig – nur Indien, Israel, Pakistan und Südsudan sind keine Vertragsparteien, während Nordkoreas Status nach seinem Rückzug 2003 umstritten ist. Alle fünf Jahre wird die Umsetzung in Überprüfungskonferenzen bilanziert.

Quelle: Auswärtiges Amt

Doch sollte der Iran wie von Israel vermutet tatsächlich Atomwaffen anstreben und der islamischen Republik die Produktion solcher Massenvernichtungswaffen gelingen, könnte Israel von seiner Verschwiegenheit um das eigene Nukleararsenal abweichen. „Eventuell würde Israel seine Haltung anpassen, wenn der Iran offiziell zur Nuklearmacht werden sollte“, so Hoffmann.

Eskalation im Nahen Osten – Wozu braucht Israel Atomwaffen?

Das Wissen um Israels Atomarsenal ist vor allem auf die Enthüllung der britischen Zeitung Sunday Times am 5. Oktober 1986 zurückzuführen. Die Zeitung erhielt die Informationen von einem israelischen Atomtechniker namens Mordechai Vanunu, der nach der Offenlegung 18 Jahre in einem israelischen Gefängnis verbrachte. Die Anschuldigung damals lautete Verrat. Vanunu berichtete von rund 300 Atomwaffen, die sich im Besitz Israels befunden haben sollen.

Warum braucht Israel nun Atomwaffen, wenn es den Besitz solcher Systeme nie offen zugegeben hat? Laut Hoffmann stellen diese Waffen eine „Ultima Ratio dar, welche zum Einsatz kommt, wenn alle anderen Methoden gescheitert sind und das Überleben des Staates Israel und der dazugehörigen Nation auf dem Spiel steht“.

Atomwaffen als Kriegsmittel – Ein Einsatz wäre verheerend

Ob Israel im Krieg gegen den Iran nun über Atomwaffen verfügt oder nicht, eines bleibt Fakt: Der Abwurf einer nuklearen Bombe hätte verheerende Folgen. Als Beispiel dient der Einsatz von Atomwaffen durch die USA im Zweiten Weltkrieg. Damals warf die US-Armee zwei solcher Bomben auf die Städte Hiroshima und Nagasaki. Alleine in Hiroshima wurden durch den Einsatz laut bpb 90.000 bis 120.000 Menschen sofort getötet. In Nagasaki sollen 60.000 bis 80.000 Menschen bei der Explosion getötet worden sein.

Die Gefahr einer Atombombe geht allerdings nicht nur von der initialen Explosion aus. Nach dem Einsatz waren die betroffenen Gebiete mit massiver nuklearer Strahlung verseucht, was zu einem starken Anstieg von Krankheiten wie Krebs oder Missbildungen bei Kindern nach sich zogen.

Vor Atombombenabwurf über Nagasaki 1945
Blick auf den Atompilz, fotografiert vom Boden aus während des Atombombenabwurfs auf Nagasaki am 9. August 1945. © epa Nagasaki Atomic Bomb Museum/dpa

Dieses warnende Beispiel ereignete sich gegen Ende des Zweiten Weltkriegs im August 1945. Und im Laufe der Zeit hat sich die Zerstörungskraft von Atombomben nur verstärkt. „Viele der Waffen in den modernen Atomwaffenarsenalen sind viel leistungsfähiger als die, die in Hiroshima und Nagasaki eingesetzt wurden“, erklärte Dylan Spaulding, leitender Wissenschaftler im Global Security Program der Union of Concerned Scientists (UCS) in den USA, gegenüber der DW. „Sie haben eine bis zu 80-mal stärkere Sprengkraft.“ (nhi)

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