ARD-Programmchefin Strobl setzt jetzt auf Reality-TV

ARD-Programmdirektorin Christine Strobl will den Senderverbund fit für die digitale Zukunft machen. Im Interview mit DWDL spricht sie über neue Zielgruppen, den Reality-Versuch mit „Werwölfe“ und die Offenheit für Kooperationen mit Privaten – bis hin zu Netflix und Disney.

Mediathek als Schlüssel zur jungen Zielgruppe

Für Strobl ist klar: „Die Mediathek ist für uns auf Augenhöhe mit dem Linearen.“ Die ARD habe heute bereits eine monatliche Netto-Reichweite von 25 Millionen – mehr als viele private Streaminganbieter. Vor allem bei jungen Menschen wachse die Bedeutung: Während das Erste im klassischen Fernsehen bei den 14- bis 49-Jährigen auf 13 Prozent Marktanteil komme, liege dieser in der Mediathek bei 40 Prozent.

„Wir haben lange versucht, junge Menschen im Linearen zu erreichen – obwohl das ihrem Mediennutzungsverhalten immer weniger entspricht“, sagt Strobl. Heute sehe man beide Angebote als komplementär. Die Mediathek ermögliche flexiblen, mobilen Konsum, sei aber auch ein Ort journalistischer Verantwortung. „Wir wollen im Digitalen eine verlässliche Heimat schaffen“, betont sie. „Man versuche nicht mehr krampfhaft, etwas zu veranstalten, was linear gar nicht gesucht wird“, sondern setze auf die Mediathek.

Dabei gehe es nicht um das bloße Hochladen von Inhalten bei Plattformen wie YouTube: „Wir dürfen uns nicht darauf reduzieren lassen, Inhalte zu produzieren und sie dann einem Konzern zu überlassen, der kein Risiko trägt.“

Reality mit Haltung: „Werwölfe“ als Auftakt – und nicht das Ende

Mit dem Format „Werwölfe“ hat die ARD erstmals ein Reality-Projekt gestartet – und Strobl zieht eine positive Bilanz. „Wir haben so unser Unterhaltungsangebot um eine neue Farbe erweitert. Mich freut, dass sich der Mut auszahlt“, sagt sie. Mehr als drei Millionen Abrufe in der Mediathek und überwiegend positives Feedback zeigen: Das Experiment hat funktioniert.

Anders als im Privatfernsehen soll das ARD-Reality jedoch eigene Maßstäbe setzen. „Wir machen nur Formate, die zur Marke ARD passen“, betont Strobl. Es gehe nicht um reine Effekthascherei, sondern um Unterhaltung mit Haltung. Dass eine zweite Staffel von „Werwölfe“ kommt, hält sie für wahrscheinlich: „Wenn wir Erfolge haben, sollten wir sie fortführen.“

Zugleich kündigt Strobl an, dass Reality künftig strategisch ausgebaut werden soll. „Ich habe das klare Signal gegeben, dass wir in diesem Bereich mehr machen wollen“, sagt sie. Schon jetzt werde nach neuen Ideen gesucht, um weitere Formate zu entwickeln, die auch jüngere Zielgruppen ansprechen – immer mit ARD-DNA und Anspruch.

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Ein Dorf voller Geheimnisse: „Werwölfe – Das Spiel von List und Täuschung“ seit 25. September in der ARD Mediathek
Ein Dorf voller Geheimnisse: „Werwölfe – Das Spiel von List und Täuschung“ seit 25. September in der ARD Mediathek. ARD/BR/SWR/ITV/Homayoun Fiamo

Kooperationen neu denken – auch mit Privaten und Streamern

Kooperationen sieht Strobl als zentralen Schlüssel für die Zukunft. „Ich bin offen für jeden Austausch, solange er auf Augenhöhe passiert“, sagt sie. Beispiele gebe es bereits: von der Fußball-Partnerschaft mit Magenta TV bis zur früheren Zusammenarbeit mit RTL und Stefan Raab beim Eurovision Song Contest.

Die ARD wolle künftig noch stärker in gemeinsamen Projekten denken – auch über die Grenzen des öffentlich-rechtlichen Systems hinaus. „Warum nicht mal eine gemeinsame Serien-Produktion mit Disney oder Netflix realisieren?“, so Strobl. Wichtig sei, Kooperationen früh zu planen, statt sie nur als spätere Lizenzgeschäfte zu verstehen.

Zugleich wolle man die Synergien innerhalb der ARD und mit dem ZDF ausbauen, wie es der neue Medienstaatsvertrag vorsehe. „Wir haben in der ARD eine große regionale Buntheit – das ist manchmal anstrengend, aber auch unser größter Vorteil“, sagt Strobl.

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