Klingbeil-Plan zu Steuererhöhungen: SPD rüstet sich für den „Herbst der Reformen“
Der Vorstoß zur Steuererhöhung von Finanzminister Klingbeil wirbelt die Merz-Koalition durcheinander. Hinter der Forderung steht wohl politisches Kalkül.
Berlin – Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) schwört die Bundesregierung auf einen Sparkurs ein, denn im Bundeshaushalt 2027 klafft eine 30 Milliarden Euro große Lücke. Wenn es nach dem SPD-Chef geht, könnte diese auch durch Steuererhöhungen geschlossen werden. Ein Vorstoß, der dem Koalitionspartner sauer aufstößt. Rückendeckung erhält der Finanzminister jetzt vom SPD-Fraktionsvorsitzenden Matthias Miersch. Doch in der Debatte könnte es noch um deutlich mehr gehen. Droht der Regierung von Kanzler Friedrich Merz gar der nächste große Koalitionskrach?
Miersch bekräftigte am Donnerstag im ZDF-„Morgenmagazin“, es gebe im Haushaltsentwurf für 2027 eine „wahnsinnige Deckungslücke von 30 Milliarden“, und es sei daher „mehr als legitim“, dass der Finanzminister solch einen Vorschlag zur Debatte stelle. Die Einnahmesituation des Staates „muss sich verbessern“. Man habe zwar im Koalitionsvertrag mit CDU und CSU keine Steuererhöhungen festgelegt, doch das „heißt nicht, dass man darüber nicht reden darf“, sagte Miersch weiter.
Finanzminister Klingbeil will Steuererhöhung für Reiche – Union stellt sich quer
Klingbeil hatte am Sonntag im ZDF-„Sommerinterview“ Steuererhöhungen für Reiche als Lösung für die Schließung der Haushaltslücke nicht ausgeschlossen. „Ich finde, es ist etwas, wo sich gerade Menschen mit hohen Einkommen, hohen Vermögen auch fragen müssen, welchen Teil tragen wir dazu bei, dass dieses Land gerechter wird.“
CDU und CSU hatten den Vorstoß kurz darauf auf breiter Front zurückgewiesen. Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) verwies im Gespräch mit der Rheinischen Post auf den Koalitionsvertrag, der keine Steuererhöhungen vorsehe. Unions-Fraktionsvorsitzender Jens Spahn (CDU) sagte gegenüber dem Focus: „Als Fraktion gehen wir derzeit jeden Etat durch und prüfen, wo noch gespart werden kann. Das ist jetzt nicht die Zeit, um über Steuererhöhungen auch nur nachzudenken.“ CSU-Generalsekretär Martin Huber verwies im Gespräch mit der Bild wiederum auf Sparpotenzial an anderen Stelle: unter anderem beim Bürgergeld und bei Subventionen.

SPD-Taktik gegen „Herbst der Reformen“? Klingbeil-Vorstoß als politisches Kalkül
Gerade das Thema Bürgergeld könnte einen Hinweis auf den größeren Konflikt geben, um den es beim Thema Steuererhöhungen auch geht. Die Union von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte für nach der Sommerpause Verschärfungen beim Bürgergeld in Aussicht gestellt. „Es wird ein Herbst, der sich gewaschen hat“, kündigte CDU-General Carsten Linnemann bereits Ende Juli an. Neben einer Deckelung bei den Mietkosten für Bürgergeldempfänger steht auch der Vorschlag im Raum, sogenannten Totalverweigerern die Leistungen komplett zu streichen. Ein Kurs, den die Sozialdemokraten wohl kaum mittragen können. Im Koalitionsvertrag hatte man sich lediglich auf eine Umgestaltung des Bürgergelds zu einer „neuen Grundsicherung für Arbeitssuchende“ geeinigt.
Der Vorstoß der SPD kann also auch als Taktik gewertet werden, um der Union in ihrem „Herbst der Reformen“ die Stirn bieten zu können. Klingbeil könnte die Steuererhöhungen für Reiche bewusst vor dem Herbst in den Raum geworfen haben, um die Union unter Druck zusetzten. Dass CDU und CSU am Ende bei ihrem Kernthema Steuererhöhungen nachgeben, ist nicht zu erwarten. Deutlich naheliegender wäre ein Kompromiss zwischen den Koalitionspartnern.
Merz-Regierung streitet um Steuererhöhungen – Klingbeil fordert Minister-Kollegen zum Sparen auf
Klingbeil könnte in der Debatte Zugeständnisse der Union beim Bürgergeld oder anderen SPD-Themen erhoffen, um im Gegenzug seinen Vorschlag der Steuererhöhungen wieder zu verwerfen. Der SPD-Fraktionschef gab am Donnerstag bereits die Stoßrichtung vor. Auch beim Bürgergeld seien Einsparungen möglich, beispielsweise wenn das Thema Missbrauch angegangen werde, betonte Miersch. Aber das seien „wahrscheinlich nicht die Milliardenbeträge, die einige in den Raum stellen“.
Klingbeil hatte auch nach dem Vorstoß im ZDF weitere Forderungen gestellt und dabei auch das Merz-Kabinett ins Visier genommen. „Ich erwarte jetzt auch von jeder Ministerin und von jedem Minister, dass jeder bei sich guckt, wo kann gespart werden“, sagte der Finanzminister erst am Mittwochabend in der Sat.1-Sendung „newstime“. Angesichts der Haushaltslage dürfe es keine „Denkverbote“ geben. Auf die Frage, ob das Gesamtpaket neben Einsparungen auch Steuererhöhungen beinhalten müsse, sagte Klingbeil: „Ja, es muss alles sein.“
Droht der nächste Koalitions-Streit? Merz hält sich bei Debatte um Steuererhöhungen zurück
SPD-Parlamentsgeschäftsführer Dirk Wiese bemühte sich bereits am Mittwoch darum, die Wogen etwas zu glätten. Er halte es mit Blick auf die Steuererhöhungen für „überhaupt nicht verwerflich, dass die Koalitionspartner unterschiedliche Ansätze verfolgen und in die Diskussion mit einbringen“, sagte Wiese.
Bundeskanzler Merz selbst hält sich bei dem Thema bislang zurück. Vizeregierungssprecher Steffen Meyer verwies auf eine Frage nach der Haltung des Kanzlers nur darauf, dass für den Haushalt 2027 Einsparmöglichkeiten gefunden werden müssten. Insofern sei es „natürlich auch absolut richtig, dass diese Diskussion geführt wird“. Verpufft der von der CDU ausgerufene Herbst der Reformen also schlicht in der alten Debatte über Steuererhöhungen? Das Konfliktpotenzial in der schwarz-roten Koalition brodelt zumindest weiter vor sich hin. (fdu mit Material von dpa)