„Geschmacklos“: Gläubige über Verhalten von vielen Trauernden am Papst-Sarg entsetzt
Tausende nutzen die Chance, persönlich Abschied zu nehmen von Papst Franziskus. Was sich einige unter ihnen dabei erlauben, stößt bei anderen sauer auf.
Vatikanstadt – Drei Tage bleiben den Gläubigen auf der ganzen Welt Zeit, um für einige Momente nochmal ganz persönlich von Papst Franziskus Abschied zu nehmen. So lange liegt der Leichnam des Pontifex im Petersdom im offenen Sarg, an dem die Massen vorbeidirigiert werden. Ehe am Samstag die große Trauerfeier mit Staatsgästen aus aller Welt ansteht.
Allein in den ersten achteinhalb Stunden sollen nach Vatikan-Angaben 20.000 Menschen die Möglichkeit wahrgenommen haben, noch einen letzten Blick auf das gut zwölf Jahre amtierende Kirchenoberhaupt zu werfen. Gekleidet ist der Körper in ein rotes Gewand sowie eine weiße Kopfbedeckung. Ein Rosenkranz wurde um seine Hände geschlungen.
Selfies mit toten Papst: „War sehr überrascht, dass es Fotos gab“
Wie in der heutigen Zeit üblich, wollen auch diesmal einige Anwesende den Augenblick für immer festhalten, weshalb am Sarg diverse Selfies mit dem toten Papst gemacht werden. Das ist grundsätzlich nicht verboten. Doch wie verschiedene englische Boulevardzeitungen schreiben, ging den Entscheidungsträgern die Jagd nach dem gemeinsamen Bild mit der Leiche dann doch zu weit. So seien einige Trauernde von Wachen der Schweizergarde davon abgehalten worden, ihr besonderes Andenken zu knipsen.
The Sun und der Daily Mirror zitieren Martin und Catherine Gilsenan, die rund 160 Kilometer von Rom entfernt urlauben und die Chance nutzten, dem Papst die letzte Ehre zu erweisen. „Ich fand die Handys sehr geschmacklos. Ich war sehr überrascht, dass es Fotos gab“, sagte sie.
Die beiden 59-Jährigen stammen aus Wimbledon und waren auch bei der öffentlichen Aufbahrung von Queen Elizabeth II. 2022 vor Ort. Damals seien die Menschen darum gebeten worden, ihre Selfiesticks wegzupacken, ehe sie sich dem Sarg nähern durften.
Abschied von Papst Franziskus: „Die Hälfte der Leute ist da, um Fotos zu machen“
„Viele Leute schauten sich um und ärgerten sich über die Leute mit Handy. Wir haben zwar auch welche, aber wir ließen sie in der Tasche und suchten uns anschließend einen Platz in der Kirche für 15 Minuten stiller Besinnung“, erklärten sie weiter.
Catherine ergänzte: „Ungefähr die Hälfte der Leute um uns herum wollte am Sarg die letzte Ehre erweisen, aber die andere Hälfte war da, um Fotos zu machen. Wir haben unsere Handys in unsere Taschen gepackt und hätten niemals im Traum daran gedacht, so etwas Geschmackloses zu tun.“ Zwar sei den Menschen gesagt worden, sie sollten die Selfie-Sticks nicht nutzen, doch das hätten viele ignoriert.
Der wie Franziskus aus Buenos Aires stammende Matheus Silva gab zu, ein Foto von seinem toten Landsmann gemacht zu haben. Dieser sei der „erste Papst, der sich für Schwule wie mich einsetzte“. Daher sei es für ihn persönlich sehr berührend gewesen, ihn jetzt zu sehen, ergänzte der 27-Jährige. Er würde die Fotos auch gerne teilen.
Toter Papst von Selfie-Jägern fotografiert: „Bin überrascht, dass sie niemand aufgehalten hat“
Janine Venables kann das nicht verstehen. In der Daily Mail sagte die 53-Jährige aus dem Süden von Wales: „Mich hat es überrascht, dass uns in der Sixtinischen Kapelle gesagt wurde, es seien keine Fotos erlaubt, und hier holen die Leute ihre Handys heraus und machen Selfies mit dem Sarg.“ Und weiter: „Ich fand das etwas geschmacklos und bin überrascht, dass niemand sie aufgehalten hat.“
Ihr Ehemann Paul Taylor berichtete über diese Konversation über die Selfie-Fans: „Ich sagte zu jemandem in der Schlange: ‚Ich frage mich, was Papst Franziskus wohl von all dem halten würde.‘ Und sie sagten: ‚Verschwenden Sie hier nicht Ihre Zeit, sondern tun Sie etwas für die Menschen, denen es nicht so gut geht.‘ Wahrscheinlich hat er recht.“

Eine Quelle aus dem Vatikan verwies demnach darauf, dass die Selfies zwar nicht gern gesehen werden, die Privatfotografen aber letztlich nichts Verbotenes tun: „Es wäre gut, wenn die Leute versuchen würden, sich daran zu erinnern, wo sie sind, und ein bisschen Respekt zeigen, aber es gibt nicht viel mehr, was wir tun können.“
Handy-Meer um toten Papst Franziskus: Gläubige haben keine Zeit zur stillen Besinnung
Der Bericht erwähnt, dass auch Nonnen dabei fotografiert wurden, wie sie sich mit Handys in der Hand um den Papst scharten. Teilweise habe den Sarg ein Meer aus Handy-Bildschirmen umgeben. Das pausenlose Fotografieren hatte demnach auch zur Folge, dass den Gläubigen, denen nur ein flüchtiger Moment mit dem offenen Sarg des Papstes blieb, keine Zeit zur stillen Besinnung hatten. Dabei ist dies ein jahrhundertealtes Ritual.
Eine nicht näher benannte Gläubige sprach davon, die Atmosphäre sei ruiniert worden, weil viele Menschen alle Warnungen ignoriert und Fotos gemacht hätten, anstatt den gebührenden Respekt zu erweisen. Sie und ihr Mann hätten während der gesamten Zeit ihre Handys in der Tasche behalten, es sei „traurig, solch respektloses Verhalten zu sehen“. (mg)