Rechnung geht für Russlands Wirtschaft nicht auf: Warum Putin nie gegen Europa in den Krieg ziehen wird

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Russlands richtet auch Drohgebärden gegen Europa. Noch führt Putin seine „Kriegswirtschaft“ mit Zuversicht. Seine Rechnung geht aber nicht immer auf.

Moskau – Warnungen über ein Schreckensszenario im Ukraine-Krieg gingen jüngst durch die Medien. Nato-Generäle und Militärexperten befürchten, dass sich der Krieg auch auf den Westen ausweiten kann. So sagte es Nato-Generalleutnant Alexander Sollfrank im Gespräch mit der britischen Times, und warnte, dass die Nato sich jetzt auf russische Raketenangriffe in Europa vorbereiten sollte. Auch Deutschland könnte ins Visier geraten. Doch Ökonomen geben Entwarnung: Denn sollte Präsident Wladimir Putin gegen Europa in den Krieg ziehen, würde er Russlands Wirtschaft in den Ruin treiben.

Moskau-Machthaber: der russische Autokrat Wladimir Putin.
Moskau-Machthaber: der russische Autokrat Wladimir Putin. © IMAGO / ITAR-TASS

Russland kann Ukraine-Krieg nicht gewinnen – aufgrund zu hoher Militärausgaben

Zum einen müsste Russland viel mehr Militärausgaben in Kauf nehmen. Bloomberg erklärte, dass Russlands Haushaltsbudget für 2024 ohnehin für massive Investitionen im Bereich militärische Ausgaben vorsieht. Demnach plant die Kreml-Regierung, dass der Rüstungsbereich auf einen Wert von sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zusteuert. Das entspricht den Angaben zufolge umgerechnet 112 Milliarden US-Dollar (etwa 106 Mrd. Euro).

Präsident Putin hatte im Dezember 2023 offiziell eine beträchtliche Erhöhung der Militärausgaben gebilligt und den Entwurf des Haushaltsplans genehmigt, der für das Jahr 2024 rund 30 Prozent der Steuerausgaben für die Streitkräfte vorsieht. Der unterzeichnete Haushaltsplan, der sich über die nächsten drei Jahre erstreckt, sieht einen bemerkenswerten Ausgabenzuwachs vor, der im Jahr 2024 36,6 Billionen Rubel (376,7 Mrd. EUR) bei einem erwarteten Defizit von 1,595 Billionen Rubel (16,4 Mrd. EUR) erreicht.

Die Zuweisung bedeutet einen erheblichen Anstieg der Verteidigungsinvestitionen, wobei die Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit zusammengenommen im nächsten Jahr rund 40 Prozent der gesamten Haushaltsausgaben ausmachen dürften.

Sollte Putin gegen Europa in den Krieg ziehen, könnte die Wirtschaft zusammenbrechen

Würde Putin gegen den Westen in den Krieg ziehen, müsste Russland noch viel mehr Geld für militärisches Personal und Ausrüstung ausgeben. Dies könnte verheerende Folgen für die russische Wirtschaft haben. Besonders viel Geld könnte für das Militärpersonal fließen, denn im Vergleich zu den Streitkräften aller 27 EU-Mitgliedstaaten ist die Anzahl der Personen in Russland viel geringer. 1,2 Millionen Menschen sollen laut Putin bei der nächsten Mobilisierungswelle eingezogen werden. Hingegen haben die EU-Staaten zusammengerechnet etwa 1,3 bis 1,4 Millionen Soldaten.

Unabhängig davon, ob Putin tatsächlich 1,2 Millionen Streitkräfte zusammenbekommen könnte, wäre die russische Armee also immer noch zu klein aufgestellt, um einen Krieg gegen Europa gewinnen zu können, argumentiert Telegraph Autor Andrew Lilico. Nach seiner Berechnung müsste Russland entweder seine derzeitigen Streitkräfte verdoppeln oder verdreifachen. Eine andere Option wäre es, die Militärausgaben im Verhältnis zum BIP etwa zu verdoppeln oder verdreifachen.

Russland könnte Sowjet-Falle drohen: Zu hohe Militärausgaben

Eine Verdopplung der Militärausgaben könnte den Wert auf von sechs auf 12 bis 15 Prozent des BIPs steigern – das Niveau, das die sowjetische Wirtschaft in den 1980er Jahren zum Zusammenbruch brachte. Eine Verdreifachung wäre sogar noch verheerender für die Wirtschaft. In der Vergangenheit hatte sich gezeigt, dass sich die Verschärfung der Abhängigkeit von Militärinvestitionen, fatal auf die russische Wirtschaft auswirkte.

Die Sowjetunion habe damals Ministerien aufgebläht und tausende administrative Jobs geschaffen. „Es gab viele Menschen, die davon abhingen, dass die Kriegsindustrie weiterläuft“, so Wirtschaftsexperte Michael Rochlitz zu n-tv. Diese Lobbygruppen würden auch jetzt wieder aufgebaut, durch die massive Förderung der Kriegsindustrie. In der Angst arbeitslos zu werden würden sich diese Menschen dann gegen ein Kriegsende sträuben. Deswegen sei ein Wirtschaftswachstum, das auf Krieg aufbaut, nicht nachhaltig.

Von der oben genannten Ausgabengröße ist die russische Regierung laut Russland-Experte Ben Aris allerdings noch weit entfernt, berichtet ostexperte.de.

Sanktionen Auswirkungen – Russland wird sich davon nicht erholen können

Zum anderen ist ohnehin nicht klar, wie lange Russland seine „Kriegswirtschaft“ überhaupt aufrechterhalten kann. „Russlands Wirtschaft ist inzwischen fast völlig dem Ziel unterworfen, den Krieg zu gewinnen“, sagte Wirtschaftsexperte Michael Rochlitz im Gespräch mit Merkur.de. Laut dem unabhängigen russischen Wirtschaftsmagazin The Bell besteht kein Zweifel, dass Putin seinen Krieg gegen die Ukraine zumindest bis 2025 finanzieren kann. Danach könne es schwieriger werden.

In den vergangenen Tagen gab es zwar Berichte über positive Wirtschaftszahlen aus Russland. Es hieß, dass die Wirtschaft ein kräftiges Wachstum zu verzeichnen habe, trotz Sanktionen und Ukraine-Krieg. An den Zahlen gibt es aber Zweifel. Die Statistik sei Teil der Kriegführung, berichtet die Zeit. Die Staatsduma habe im Februar 2023 ein Gesetz verabschiedet, das der Regierung erlaubt, Daten geheim zu halten. Der Staat könne die Methode der Datenerhebung ändern – sollte Putin mit den Zahlen nicht einverstanden sein.

Putins Wirtschaft leidet unter den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs

Russlands Wirtschaft könnte also bereits jetzt die Folgen des Kriegs stärker spüren, als es darstellt. Der Ukraine-Krieg und die damit verbundenen multilateralen Sanktionen belasten die russische Wirtschaft erheblich und tragen zu rasch wachsenden Ausgaben, einer Abwertung des Rubels, steigender Inflation und einem angespannten Arbeitsmarkt bei, der den Verlust von Arbeitskräften widerspiegelt. Alleine das vom Westen verhängte Ölembargo kostet das Land laut Lilico Hunderte von Milliarden Dollar. (bohy)

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