China will erstmals in den Erdmantel bohren – und verfolgt dabei auch wirtschaftliche Interessen
China hat ein neues Bohrschiff mit einer ganz besonderen Mission vorgestellt: Erstmals in der Geschichte der Menschheit soll der Erdmantel erreicht werden. Hintergrund ist ein internationales Wettrennen in die Tiefe.
Mit einem neuen Spezialschiff will China erstmals die Erdkruste durchbohren und so in den Erdmantel vordringen. Das auf den Namen „Mengxiang“ (Traum) getaufte Schiff – Chinas erstes selbst entwickeltes Bohrschiff – startete kürzlich zu seiner ersten Testfahrt, wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete.
Der knapp 180 Meter lange und 33 Meter breite Koloss soll 15.000 Seemeilen zurücklegen und 120 Tage lang arbeiten können, ohne in den Hafen zurückkehren zu müssen. Wirklich beeindruckend ist aber die angebliche Bohrleistung des Schiffes. Es soll in der Lage sein, bis zu 11.000 Meter tiefe Löcher zu bohren, berichtete Xinhua. Damit wäre es mit Abstand führend.
Durch eine solche Tiefen-Bohrung könnten Wissenschaftler direkte Proben aus dem Erdmantel entnehmen. Denkbar wären so etwa neue Erkenntnisse über die Prozesse, die zu Erdbeben, Vulkanausbrüchen und der Bewegung tektonischer Platten führen.
Den bisherigen Tiefseerekord stellte 2019 das japanische Schiff „Chikyu“ mit einer Bohrung von 3.250 Metern auf. Das bereits in die Jahre gekommene US-Forschungsschiff „Joides Resolution“ erreichte zuletzt eine Tiefe von rund 2.000 Metern. Beide Schiffe sind Teil des International Ocean Discovery Program (IODP), einem Zusammenschluss von 20 Staaten, die gemeinsam den Ozean erforschen.
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Diese Analyse liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem China.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte sie China.Table am 3. Januar 2024.
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Wettrennen ins Innere der Erde
Nun mischt also auch China mit der „Mengxiang“ mit und hat offenbar große Ambitionen. Das Schiff könne „durch die Erdkruste bis in den oberen Erdmantel bohren“, schreibt Xinhua unter Berufung auf nicht genannte Quellen. China wäre die erste Nation, der dieses komplizierte Unterfangen gelänge.
An der Erforschung des Innenlebens unseres Planeten haben bereits Generationen von Wissenschaftlern gearbeitet. Und ähnlich wie einst beim Rennen zum Mond, gab es bereits zu Zeiten des Kalten Krieges einen intensiven Wettbewerb, um den Erdmantel zu erreichen – bisher jedoch ohne Erfolg.
Die Erdkruste ist die äußerste Schicht der Erde und bildet die feste Oberfläche, auf der wir leben. Sie beginnt an der Erdoberfläche und erstreckt sich nach unten bis zur sogenannten Mohorovičić-Diskontinuität (kurz „Moho“). Das ist die Grenze zwischen der Erdkruste und dem darunter liegenden Erdmantel.
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Das große Ziel für Geologen ist das Durchdringen der Moho, deren Tiefe je nach geografischer Lage stark variiert. Während an Land oft zwischen 30 und 50 Kilometer in die Tiefe gebohrt werden müsste, um die Moho zu erreichen, sind es am Meeresboden etwa fünf bis zehn Kilometer.
Ozean-Bohrungen besser geeignet
Genau aus diesem Grund versuchten die USA bereits in den 60er-Jahren ihr Glück mit Ozean-Bohrungen. Das Projekt „Mohole“ fand im Pazifischen Ozean statt. Trotz einiger wissenschaftlicher Erfolge wurde es aufgrund hoher Kosten und technischer Schwierigkeiten eingestellt, bevor es den Moho erreichte.
In den 1970er-Jahren startete mit dem „Kola Superdeep Borehole“ ein sowjetisches Projekt, das auf der Kola-Halbinsel eine Tiefe von 12.262 Metern erreichte. Bis heute ist es das tiefste Bohrloch der Welt – das jedoch ebenfalls die Moho nicht erreichte.
Zwar wurde die internationale Forschung an der Erdkruste fortgeführt, jedoch erwiesen sich andere Methoden als effizienter, um die Eigenschaften des Erdmantels zu ergründen. So haben etwas seismologische Untersuchungen wertvolle Erkenntnisse geliefert.
Das International Ocean Discovery Program hat sein ursprüngliches Ziel jedoch nicht aufgegeben. Es wird weiter daran gearbeitet, den Erdmantel zu erreichen. Der Wettlauf zum Mittelpunkt der Erde geht nun mit den Chinesen in die nächste Runde.
Tiefe Löcher auch an Land
Allerdings macht Peking keinen Hehl daraus, dass es neben den wissenschaftlichen natürlich auch wirtschaftliche Interessen verfolgt. So soll die „Mengxiang“ helfen, Energieressourcen im Meer zu erschließen, und zur „nationalen Energiesicherheit“ beitragen. Mit diesem Ziel vor Augen wird nicht nur im Ozean, sondern auch an Land kräftig gebohrt.
Chinesische Ingenieure haben im vergangenen Juli mit einem neuen Tiefbohrprojekt begonnen. Sie wollen im Sichuan-Becken im Südwesten Chinas ein 10.520 Meter tiefes Loch in die Erdkruste bohren. Die Region ist ein wichtiges Gasfördergebiet und die Ingenieure erwarten dort Erdgasvorkommen. Kurz zuvor hatte China ein weiteres Bohrprojekt im Tarim-Becken im Nordwesten Chinas gestartet. Die Superbohrung soll sogar bis in eine Tiefe von 11.100 Metern gehen.