„Vorrechte als Kardinal intakt“: Verurteilter Geistlicher will zur Papstwahl – Vatikan-Eklat droht
Darf ein verurteilter Kardinal den nächsten Papst wählen? Der Fall Becciu entfacht eine kirchenrechtliche Debatte und könnte das Konklave kippen.
Rom – Nach dem Tod von Papst Franziskus ruft der Vatikan nun alle Kardinäle nach Rom, um ein neues Kirchenoberhaupt zu wählen. Unter ihnen auch der verurteilte Kardinal Giovanni Angelo Becciu. Noch ist unklar, ob er seine Stimme bei der Papstwahl abgeben darf – und was das für die Gültigkeit des Konklaves bedeutet.
Suspendiert, aber nicht entmachtet? Becciu pocht auf sein Konklave-Wahlrecht
Becciu ist der erste Kardinal in der Geschichte der katholischen Kirche, der vom Strafgerichtshof des Vatikanstaats verurteilt wurde. Der Geistliche war jahrelang Abteilungsleiter des vatikanischen Staatssekretariat, das für verlustreiche Transaktionen, etwa den Erwerb und Verkauf einer Londoner Luxus-Immobilie verantwortlich war. Das Minus des fragwürdigen Deals lag in dreistelliger Millionenhöhe. Das Gericht verurteilte Becciu wegen Betrugs und Unterschlagung zu fünfeinhalb Jahren Haft. Papst Franziskus hatte den Kardinal bereits im Jahr 2020 suspendiert, seinen Titel durfte er jedoch behalten.
Genau das könnte nun zum Problem werden, denn die rechtlichen Konsequenzen sind unklar. Zwar hatte der Vatikan dem Kardinal die mit seinem Amt verbundenen Rechten entzogen, wie es in einer Mitteilung aus dem Jahr 2020 hieß. Der Papst habe seine „Vorrechte als Kardinal als intakt anerkannt, da es weder den ausdrücklichen Wunsch gab, mich aus dem Konklave auszuschließen, noch wurde schriftlich mein ausdrücklicher Verzicht gefordert“, zeigte sich der Geistliche am Dienstag (22. April) gegenüber der Zeitung Unione Sarda aber kampfeslustig.

Kirchenrecht mit Grauzonen: Beccius Rolle bei Papstwahl umstritten
Hat der Papst dem Kardinal also die Rechte entzogen, aber nicht die Pflichten? Zu den Pflichten würde auch die Wahl eines neuen Papstes gehören. Diese Interpretation stützt sich darauf, dass Becciu in den Jahren nach seiner Verurteilung an Konsistorien, also Plenarversammlungen der Kardinäle unter Vorsitz des Papstes, teilnehmen durfte. Da es sich um einen juristischen Präzedenzfall handelt, ist die Auslegung des Kirchenrechts nicht ganz eindeutig. Seit 1927 haben nur drei Kardinäle ihr Amt verloren – Louis Billot Papst Pius XI. trat aus Protest zurück, Michael Patrick O’Brien und Theodore McCarrick wegen Missbrauchsvorwürfen gegen sie. Allen dreien wurde auch die Kardinalswürde aberkannt – Becciu hingegen nicht, wie die italienische Zeitung La Repubblica berichtet.
Demnach regelt Artikel 38 der Konklave-Regeln „Universi Dominici Gregis“, dass „alle wahlberechtigten Kardinäle, die vom Dekan oder einem anderen Kardinal in dessen Namen einberufen wurden, zur Wahl des neuen Pontifex [...] der Einberufung Folge zu leisten [...] haben – es sei denn, Krankheit oder ein anderer schwerwiegender Hinderungsgrund, der allerdings vom Kardinalskollegium anerkannt werden muss, hindert sie daran.“ Vor diesem Hintergrund bleibt offen, ob dem verurteilten Kardinal die Teilnahme an dem Konklave verboten werden darf oder ob in so einem Fall sogar die Papstwahl selbst ihre Gültigkeit verliert.
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Rechtsexperten des Verlags Beck gehen indes davon aus, dass der verurteilte Kardinal im Konklave keine Stimme mehr hat: „In Folge der Vorwürfe verlor Becciu seine Rechte als Kardinal und hätte damit auch bei einer Papstwahl [...] nicht dabei sein dürfen“, heißt es in einem Beitrag zur Verurteilung des Geistlichen. Dafür spricht auch, dass der Name des Kirchenmanns auf der offiziellen Liste des Kardinalsgremiums des Vatikans unter den Nichtwähler steht. Demnach sind insgesamt 135 Kardinäle wahlberechtigt, der verurteilte Kardinal sowie alle über 80 Jahre wären allerdings nicht darunter.
Im 15. Jahrhundert war die Papstwahl noch komplizierter: Damals gab es drei Päpste gleichzeitig – in Rom, Avignon und Pisa. Das Konstanzer Konzil beendete das Machtgerangel und einte die katholische Kirche wieder.