Streit um Brandmauer zur AfD: Ost-CDU-Mann geißelt "Drei-Affen-Politik"

Der Schlag trifft die Partei zur Unzeit. Kaum hatten ehemalige Parteigranden wie Ex-Generalsekretär Peter Tauber, Ex-Minister Karl-Theodor zu Guttenberg und der Ex-Partei-Stratege Andreas Rödder einen neuen Umgang mit der AfD gefordert, krachen die neuesten Umfragewerte in das Konrad-Adenauer-Haus.

CDU könnte nur mit Linken, BSW und SPD regieren

40 Prozent für die AfD in Sachsen-Anhalt, wo im September 2026 gewählt wird. Es ist das höchste je gemessene Ergebnis der AfD in einem Bundesland. Die CDU verliert 6 Prozent auf 26 Prozent.

Rechnerisch wäre die AfD in Sachsen-Anhalt Stand jetzt nur noch mit Hilfe einer Koalition aus CDU, Linke, dem BSW und der SPD von der Landesregierung fernzuhalten. Die Union hat aber nicht nur eine Brandmauer nach rechts, sondern auch nach links aufgebaut.

Was bedeutet die Umfrage für die Brandmauern in beide Richtungen? Die CDU Sachsen-Anhalt schreibt FOCUS online auf Anfrage: "Aktuell gibt es zu den Themen keine Äußerungen unsererseits, auch in Anbetracht der CDU-Präsidiumssitzung am Wochenende.“ Die Lage ist offenbar so ernst, dass sich heute niemand mit einer Einschätzung nach vorne traut. 

Aus der Zentrale der Bundes-CDU ist zu hören, an eine Öffnung werde weder in die eine noch in die andere Richtung gedacht. Ziel sei es, die AfD "klein zu kriegen“ und dafür sei noch Zeit. Allerdings ist man sich auch klar, dass die bisherigen Instrumente noch nicht ausreichen. Die klaren Änderungen der Migrationspolitik seien noch nicht durchgedrungen bei den Wählern, dafür genüge ein halbes Regierungsjahr womöglich nicht.

CDU hat ein Mobilisierungsproblem

Im Konrad-Adenauer-Haus weigert man sich verständlicherweise, die heutigen Umfrageergebnisse als in "Stein gemeisselt“ zu betrachten. 

Dem Vernehmen nach wird während der Klausur des CDU-Präsidiums am Wochenende viel über die notwendige Mobilisierung vor Ort gegen die AfD geredet. Während die auch zwischen den Wahlen auf Marktplätzen präsent ist, mangelt es der CDU bislang an solcher Präsenz, so die interne Analyse.

Selbstverständlich werde man auch über den Umgang mit der Linken sprechen, heißt es. Lange ist man strategischen Überlegungen jenseits der Brandmauer in den Parteigremien aus dem Weg gegangen. 

Diese Weigerung trifft bei der CDU im Osten auf Unverständnis. "Wir müssen mit dieser Haltung der drei Affen aufhören: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“, sagt Andreas Bühl, Fraktionschef der CDU im Thüringer Landtag im Gespräch mit FOCUS online. Die Strategie, Themen zu verstecken, weil sie der AfD nutzten, habe in die Irre geführt. 

"Wir dürfen uns in der Brandmauer-Frage nicht treiben lassen“

Bühl fordert, die CDU müsse selbst die wichtigen Initiativen ergreifen. "Wir müssen Vorschläge zur Abstimmung stellen, die wir für richtig halten und dabei muss uns egal sein, wer am Ende zustimmt“, so Bühl. "Ansonsten verwechseln wir Politik mit Moral und das führt nicht weiter.“ Eine Zusammenarbeit sei das mithin nicht: "Wir dürfen uns in der Brandmauer-Frage nicht treiben lassen.“

Bühl setzt darauf, dass die AfD noch deutlich verliert, wenn die CDU im Wahlkampf aufdreht. Sollte bei der Wahl ein Ergebnis wie in der heutigen Umfrage herauskommen, ist für ihn klar: "Die CDU sollte keine Koalition mit der AfD eingehen und auch nicht mit der Linken.“ So bliebe der CDU am Ende nur die Minderheitenregierung als Ausweg, bei der sie sich ihre Mehrheiten jeweils bei unterschiedlichen Fraktionen holt.

AfD aus der Opfer-Rolle holen

Die CDU in Thüringen setze seit längerem auf die Strategie einer konstruktiven Parlamentsarbeit, erklärt Bühl. So habe man – bis auf sicherheitsrelevante Bereiche – auch AfD-Leute in Ausschüsse gewählt. Nur so könne man das "Opfer-Narrativ der AfD" brechen, die ständig behauptet, sie werde aus dem demokratischen Betrieb ausgeschlossen – etwa durch die Weigerung, ihre Abgeordneten zu Vorsitzenden von Ausschüssen zu wählen. 

CDU-Abgeordnete: Brandmauer nutzt AfD und Linken

Auch für die Brandenburger CDU-Bundestagsabgeordnete Saskia Ludwig haben die anderen Parteien den Aufstieg der AfD in den Umfragen mitverschuldet: "Die Ergebnisse der Umfragen sind die Bilanz der Ausgrenzung und spiegeln die systematische Verweigerung des Wählerwillens wider.“ Ludwig kritisiert die häufige Praxis der demokratischen Parteien in Bund und Ländern, Abgeordnete der AfD nicht – wie in Parlamenten sonst üblich – auch zu Vorsitzenden von Ausschüssen zu wählen. Es müsse um Inhalte gehen, "nicht um Ideologie“. Und: "Vor allem darf es nicht darum gehen, bestimmte Personen, die durch die Wählerschaft legitimiert werden, von parlamentarischen Ämtern fernzuhalten." Die Brandmauer habe bis jetzt nur der AfD und der Linken genutzt.