„Russlandfreunde im Umfeld des Kanzlers“: Scholz soll Rauswurf russischer Kriegstreiber aus Museum blockieren

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Im Trägerverein eines Berliner Museums sitzen Vertreter von Wladimir Putin. Deren Ausschluss soll das Kanzleramt nun verhindert haben – wegen zu großer Kremlnähe?

Berlin – Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und sein Beraterumfeld geraten in einem brisanten Fall rund um ein Berliner Museum in den Fokus. Zum Trägerverein des deutsch-russischen Museums Karlshorst gehören seit jeher Vertreter des russischen Verteidigungs- und Außenministeriums. Deren prominente Minister Sergei Schoigu und Sergei Lawrow zählen zu Wladimir Putins engstem Kreis und maßgeblichen Kriegstreibern in der Ukraine. Nicht-russische Mitglieder des Trägervereins wollen die Zusammenarbeit deshalb beenden. Doch aus dem Kanzleramt soll ein Veto gekommen sein. Es steht der Vorwurf im Raum, Scholz sei von „Russlandfreunden“ umgeben. Der Fall birgt Sprengkraft. Und er ist kompliziert.

Noch immer stehen vor dem Museum Berlin Karlshorst sowjetische Panzer. Das Museum beschäftigt sich mit der deutsch-russischen Geschichte. Weshalb auch Vertreter von Putins Machtapparat Mitglieder des Museums sind. Zum Ärger vieler.
Noch immer stehen vor dem Museum Berlin Karlshorst sowjetische Panzer. Das Museum beschäftigt sich mit der deutsch-russischen Geschichte. Weshalb auch Vertreter von Putins Machtapparat Mitglieder des Museums sind. Zum Ärger vieler. © IMAGO/Radowitz

Russisches Außen- und Verteidigungsministerium sind Mitglieder eines Berliner Museums

„Das Museum befindet sich momentan tatsächlich in einer schwierigen Lage“, sagt dessen Leiter Dr. Jörg Morré gegenüber unserer Redaktion. Karlshorst liegt im Osten Berlins und beschäftigt sich mit der deutsch-russischen Geschichte im 20. Jahrhundert. Die Mitglieder des Trägervereins „Museum Berlin-Karlshorst e.V.“ setzen sich aus Institutionen zusammen, die größtenteils aus Deutschland und Russland kommen. Zu den offiziellen Vereinsmitgliedern gehören auch das russische Außen- sowie das Verteidigungsministerium. Finanziert wird der Verein aber vollständig vom deutschen Staat.

Neben den Mitgliedern ist auch der wissenschaftliche Beirat des Museums mit deutschen und russischen Vertretern besetzt. Schon 2023 wurde wegen des Ukraine-Kriegs darüber nachgedacht, die russischen Mitglieder aus dem Verein zu schmeißen. Daraus wurde nichts.

Anfang dieses Jahres betonten die nicht-russischen Beiratsmitglieder, nicht in einem Gremium mit den russischen Kolleginnen und Kollegen arbeiten zu wollen, wodurch der Beirat in seiner beratenden Funktion nun handlungsunfähig ist. Verantwortlich für die Zusammensetzung des Beirats sind die Mitglieder des Trägervereins. Das heißt: die russischen Ministerien. Aber auch: Das deutsche Verteidigungsministerium (BMVg), das Auswärtige Amt (AA) und Staatsministerin Claudia Roth (Grüne) als Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM). Letztere untersteht direkt dem Kanzleramt.

Strack-Zimmermann (FDP) zur Blockade: „Russlandfreunde im Umfeld des Kanzlers“

Laut FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann haben die deutschen Ministerien dem Wunsch des Beirats zugestimmt. Dann sei das Kanzleramt eingeschritten: „Dass das Kanzleramt den Ausschluss staatlicher russischer Beiratsmitglieder nach der Zustimmung des AA, BKM und des BMVg allein blockiert, zeigt, dass die russischen Beharrungskräfte im Kanzleramt größer sind als befürchtet“, sagt Strack-Zimmermann unserer Redaktion. Für die Freie Demokratin sitzen damit weiterhin Kriegstreiber in einem von deutschen Steuern finanzierten Museum. „Das ist unerträglich und inakzeptabel, wird aber anscheinend erschreckenderweise vom Bundeskanzleramt unterstützt.“

Strack-Zimmermann sieht im „Fall Karlshorst“ gefährlichen Symbolcharakter. „Es signalisiert, dass die Russlandfreunde im Umfeld des Kanzlers immer noch eine erschreckend starke Handlungsmacht haben“, kritisiert die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag. „Das stößt die geschundene Ukraine vor den Kopf und signalisiert gegenüber Russland ein fatales Signal der Schwäche.

Besteht ein völkerrechtlich bindender Vertrag zwischen Deutschland und Russland?

Das Bundeskanzleramt verweist auf Nachfrage unserer Redaktion zum Blockade-Vorwurf darauf, keine Stellung zu internen Abstimmungsprozessen zu nehmen. Trotzdem ist die Unzufriedenheit über die Situation im Museum auch dort groß, wie ein Regierungssprecher auf Nachfrage mitteilt: „Eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit staatlichen russischen Vertretern im Rahmen der Arbeit des Museums Berlin-Karlshorst ist aus Sicht der Bundesregierung wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und des Gebrauchs verzerrter historischer Narrative zur Legitimation dieses Kriegs durch die russische Führung derzeit nicht vorstellbar.“ Was ist also an Strack-Zimmermanns Vorwurf der Blockade dran?

Das Kanzleramt beruft sich auf Veträge, der Regierungssprecher verweist auf „völkerrechtlich bindende Verbalnoten zwischen Deutschland und der Russischen Föderation“, die laut Kanzleramt der Vereinsgründung 1992 zugrunde liegen. Demnach stehen Putin und seiner Regierung trotz deren Kriegsverbrechen in der Ukraine durch einen völkerrechtlich bindenden Vertrag mit der Bundesrepublik Deutschland eine angemessene Vertretung im Museumsverein zu. Vom Kanzleramt heißt es weiter: „Die beteiligten Ressorts arbeiten derzeit daran, eine neue, dauerhaft tragfähige Lösung für den Trägerverein des Museums zu finden.“

Museumsleiter in Dilemma aus historischer und aktueller Verantwortung

Bis dahin werden Schoigus und Lawrows Ministerien weiterhin Teil des staatlich finanzierten Museum Karlshorst sein. Museumsleiter Morré steckt damit in einem Dilemma aus historischer und aktueller Verantwortung. Einerseits erinnert das Museum mit seinen Ausstellungen an die Gräueltaten Deutschlands während der NS-Zeit. „Andererseits bricht die russische Politik mit dem Völkerrecht und hat die öffentliche Beschäftigung mit Geschichte so sehr für ihre politischen Zwecke instrumentalisiert, dass eine Zusammenarbeit, wie sie im Museum Berlin-Karlshorst vor 30 Jahren initiiert worden war, momentan nicht möglich ist“, sagt Morré. Für eine propagandafreie Geschichtsaufbereitung arbeitet das Museum nun verstärkt mit im Exil lebenden Russinnen und Russen zusammen – abseits der offiziellen Vertreter Russlands.

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