Bürgergeld-Plan der Merz-Regierung lässt Alarmglocken schrillen: „Erwarte mehr als markige Sprüche“

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Die Koalition will den Sozialstaat „reformieren“ und Kanzler Merz tönt von „tiefen Einschnitten“, insbesondere beim Bürgergeld. Sozialverbände schlagen Alarm.

Berlin – Im Polit-Talk von Markus Lanz (ZDF) fand Britta Haßelmann, Grünen-Vorsitzende deutliche Worte: „Im Wahlkampf kündigte Merz an: ‚Wir sparen zweistellige Milliardenbeträge beim Bürgergeld‘. Davon ist er jetzt wieder runter. … Niemals wird diese Regierung 5 Milliarden Euro beim Bürgergeld einsparen.“ Und das wisse Kanzler Friedrich Merz (CDU) auch. Schließlich ist das Bürgergeld der kleinste Posten im Sozialetat mit 4,2 Prozent; demgegenüber stehen die Rentenversicherung mit 29,1, die Krankenversicherung mit 25,4 und die Systeme des Öffentlichen Dienstes mit 7,5 Prozent.

Von denen, die Bürgergeld bezögen, seien 30 Prozent Kinder und Jugendliche, 1,8 Millionen seien Arbeitslose, „davon die Hälfte langzeitarbeitslos“: „Da erwarte ich, dass man nicht mit markigen Sprüchen operiert, sondern sich der Sache einfach mal annimmt“, erklärte Haßelmann. Tatsächlich kündigte die Merz-Regierung jenseits der 5-Milliarden-Einsparpläne eine Nullrunde beim Bürgergeld für 2026 an, wie es bereits 2025 der Fall war. Damit berücksichtigt die Politik nicht die Regelung dahingehend, dass Sozialleistungen an eine mögliche Inflation angeglichen werden müssen, wie das noch 20023 und 2024 der Fall war.

Finanzminister Klingbeil (SPD) hält Nullrunde beim Bürgergeld für richtig und verlangt mehr „Druck“

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) sprach hingegen von einer „richtigen Entscheidung“ und kündigte ein härteres Vorgehen gegen sogenannte „Totalverweigerer“ und Schwarzarbeiter an. Der Druck auf diejenigen, die „Geld bekommen vom Staat und sich zurücklehnen und sagen: ‚Wir machen nichts‘“, müsse deutlich erhöht werden. Gleiches gelte für „diejenigen, die beim Schwarzarbeiten erwischt werden“.

Kritik kommt unter anderem auch von der Linken und den Sozialverbänden. Linken-Parteichef Jan van Aken kritisierte insbesondere Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD), von der eine entsprechende Verordnung ausgegangen war. Die Ministerin mache sich „zur Ausführenden einer schwarzen Politik, die bei den Ärmsten knausert und den Superreichen nützt“, sagte er der Rheinischen Post. Bezüglich Äußerungen von Merz über „notwendige soziale Einschnitte“ fügte er hinzu: „Und die SPD kuscht und friert das Bürgergeld auf dem eh schon viel zu niedrigen Niveau ein.“

"Markus Lanz" - Grünen-Politikerin Britta Haßelmann erklärte bei "Markus Lanz", was sie an der Debatte rund ums Bürgergeld stört.
Grünen-Politikerin Britta Haßelmann erklärte bei Markus Lanz, was sie an der Debatte rund ums Bürgergeld stört. © ZDF / Cornelia Lehmann

Söder (CSU) sieht Bürgergeld große „Gerechtigkeitsherausforderung“

Der Sozialverband VdK sprach bei einer weiteren Nullrunde von einer „versteckten Kürzung“. VdK-Chefin Verena Bentele sagte der Rheinischen Post: „Die Regelsätze müssen so ausgestaltet werden, dass sie die realen Preissteigerungen tatsächlich abfedern. Wenn Menschen nur rund sechs Euro pro Tag für Lebensmittel zur Verfügung haben, ist offenkundig, dass das nicht reicht.“

Hintergrund

Seit 2024 erhalten Alleinstehende 563 Euro pro Monat. Paare in einer Bedarfsgemeinschaft 1012 Euro monatlich und
Erwachsene in Bedarfsgemeinschaften 506 Euro pro Person.

Jugendliche unter 25 Jahren im elterlichen Haushalt erhalten 451 Euro, Kinder von 14 bis 17 Jahren 471 Euro, Kinder von 6 bis 13 Jahren 390 Euro und Kinder bis 5 Jahren 357 Euro.

Es sollen keine Erhöhungen des Bürgergeld-Regelsatzes zum 1. Januar 2026 stattfinden.

Zum Thema äußerte sich am Mittwoch ebenfalls bei Lanz Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Lanz: „Die ganz hohen Vermögen, warum geht man da nicht ran? Wie kann es sein, dass Erben von Milliardenvermögen, die dann in Form von Aktien Anteile kriegen, dafür nicht rangezogen werden?“ Es gehe um das Gefühl, dass es „gerecht und fair“ zugeht. Söder hierzu: „Ich glaube, dass an der Stelle das Gerechtigkeitsgefühl der Deutschen weniger tangiert ist. … Die größere Gerechtigkeitsherausforderung ist das Bürgergeld.“

Und der Leipziger Grüne Valentin Uhlemann? Der fasst das Problem aus seiner Sicht kurz zusammen: „Nochmal: wenn Lohnarbeit wegen 563€ Regelbedarf beim Bürgergeld angeblich unattraktiv wird, dann ist nicht das Bürgergeld das Problem, sondern der Lohn“, schrieb er auf der Plattform X. (mit dpa)

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