„Das trifft alle Bereiche“: Penzbergs Bürgermeister über Schieflagen und Streichlisten

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Steht Rede und Antwort: Bürgermeister Stefan Korpan (l.) wird in seinem Rathausbüro von Rundschau-Redaktionsleiter Andreas Baar interviewt. © Stadt

Penzberg - Familienbaderöffnung bis Haushaltskrise: Penzberg hatte 2023 viel zu bieten. Bürgermeister Stefan Korpan (39, CSU) erklärt im Jahresinterview, warum er trotz Schieflage optimistisch ist.

Wie fühlen Sie sich nach Ihrer Brandrede bei der Bürgerversammlung?

Erleichtert. Weil ich so die Rahmenbedingungen für die Stadt darstellen und einen generellen Blick auf die Situation werfen konnte. Ich wollte unsere Situation so sachlich wie möglich machen und das Thema ehrlich rüber bringen. Ich wollte nichts schön reden.

Hätten Sie vor einem Jahr gedacht, dass Sie mal so eine mahnende Ansprache halten müssen?

Nicht in der Deutlichkeit, Wenn gleich sich die Situation sich schon ein bisschen abgezeichnet hatte, weil alle Kommunen Probleme bekommen haben. Aber nicht in dieser Form wie bei uns – das reicht von der Krankenhaus-Situation im Landkreis bis zur Asylthematik. Es sind so viele bundespolitische Faktoren, die bei uns unten ankommen. Das hat alles verschlimmert.

Wie sehr hat Sie die finanzielle Schieflage der Stadt überrascht?

Die Schieflage hat mich in dieser Vehemenz überrascht. Wegen der angesprochenen Rahmenbedingungen hat ich schon 2020 erwartet, dass wir Probleme bekommen. Das ist aber nicht nur der Fall in Penzberg, sondern überall. Diese flächendeckende Schieflage hat mich überrascht.

Können sie bei fast 30 Millionen Euro neuer Schulden noch ruhig schlafen?

Ja, das kann ich.

Warum?

Weil da ja auch Werte dahinter stehen. Ich gebe nicht Geld aus für nichts. Vielleicht war das ein oder andere Projekt zu viel. Aber es steht was da.

Welches Projekt war zu viel?

Das ist schwer zu differenzieren. Aber man hat eine enorme Bandbreite an teuren Projekten. Sie sind allesamt wichtig für die Stadt. Aber im Nachhinein betrachtet war es in der Summe zu viel.

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„Gefühlt beginnt ein Wahlkampf“: Manche Themenwahl im Stadtrat ärgert Bürgermeister Stefan Korpan – der sich mehr Sachpolitik wünscht. © Andreas Baar

Was sagen Sie zum Vorwurf im Stadtrat, die Verwaltung hätte bei Fördermitteln geschlafen?

Die Verwaltung hat nicht geschlafen. Die Ansätze waren einfach falsch. Dass man Fördermittel im diesjährigen Haushalt veranschlagt hatte, die schon im vorangegangenen Jahr abgerufen worden waren. Das ist der leichteste Weg von manchem Stadtrat, zu sagen, der andere wäre schuld. Das ist schon sehr billig. So leicht darf man sich selbst nicht raus reden.

Woher nehmen Sie den Optimismus, dass Penzberg aus der Finanzkrise kommt?

Penzberg kommt wieder heraus. Da bin ich sehr optimistisch. Es ist immer eine Wellenbewegung. Prinzipiell haben wir solide Einnahmen, man hat aber viele hohe Ausgaben und viele Aufgaben, die auf die Stadt einprasseln. Das ist schon eine schwierige Kombination.

Was macht Sie zuversichtlich?

Was mich zuversichtlich macht, ist, dass wir einen guten Gewerbemix haben. Da passen auch die neuen Gewerbegebiete im Nonnenwald gut dazu. Überhaupt hat man in Penzberg immer viel geschafft. Die Stadt hat schon immer schwierige Situationen gemeistert, man denke nur an das Ende des Bergbaus 1966.

Ist eine Streichliste bei den freiwilligen Leistungen unumgänglich?

Ja. Das trifft alle Bereiche.

Wo wird angesetzt?

Wir werden alles anschauen. Man hat im Nachtragshaushalt schon damit angefangen und wird auch im nächsten Haushalt alles überprüfen müssen. Das trifft die freiwilligen Leistungen genauso wie Steuern und Gebühren.

Wird es eine Erhöhung bei Steuern und Gebühren geben?

Ich gehe davon aus, dass es in allen Bereichen Erhöhungen und Kürzungen geben wird.

Was ist mit der Landesgartenschau im Jahr 2028?

Aktuell haben wir einen Beschluss für die Landesgartenschau. Darüber wird man im Januar im Stadtrat entscheiden müssen.

Ist ein Aus der teuren Veranstaltung für Sie noch ein Tabu?

Das war nie ein Tabuthema. Wenn man so ein Projekt startet, muss man es sich leisten können. Aber in der Landesgartenschau sind Vorhaben berücksichtigt, die die Stadt eh umsetzen muss. Nur dass wir diese mittels der Landesgartenschau mit deutlich höherer Förderung und in besserer Qualität erhalten.

Kann sich die Stadt die Landesgartenschau leisten?

Das Finanzielle war immer ein Thema. Die Regierung von Oberbayern steht dahinter und ist gewillt, den Kommunen dabei entgegen zu kommen, um sie finanziell zu entlasten. Und die Landesgartenschau wird über Jahrzehnte in Penzberg sichtbar sein. Es werden Werke für mehrere Generationen geschaffen. Aber es muss finanziell darstellbar sein. Die Entscheidung trifft der Stadtrat, mein Ziel ist im Januar.

Wann müsste bei der Landesgartenschau politisch und zeitlich die Reißleine gezogen werden?

Es muss keine Reißleine gezogen werden. Es muss dargestellt werden, ist es leistbar oder nicht. Anfang 2024 ist das Ziel. Dann muss man sich auf den Weg machen. Die Chancen der Landesgartenschau sind aber schon jetzt in dem Siegerentwurf der am Wettbewerb teilnehmenden Planungsbüros zu sehen, der inzwischen feststeht und in unserer Ausstellung zu sehen ist.

Sie betonten in der Bürgerversammlung den Gemeinsinn in Penzberg. Nur eine Floskel oder ist es tatsächlich ein Pfund, mit dem Penzberg wuchern kann?

Es ist schon ein Pfund, das die Stadt generell hat. Wir haben über 120 Vereine, dass zeigt das Engagement in Penzberg. Das ist was Positives, was Gutes.

Besteht die Gefahr, dass Penzberg in der Krisenzeit der Sinn für die Gemeinschaft abhanden kommt? Sie haben so Ihre Befürchtungen geäußert...

Man muss immer wachsam sein, es fördern und als Stadt mit unterstützen. Was mich positiv stimmt: Nach der Corona-Zeit hat man gemerkt, Penzberg will wieder leben.

Was kann der Bürgermeister tun, damit der Gemeinsinn nicht verloren geht?

Man muss viele Gespräche führen und die Kommunikation suchen. Es gilt, den Leuten auch Mut zu machen, sich für die Gemeinschaft einzusetzen. Das muss man aber auch vorleben.

Rückblickend, über welche Dinge haben Sie sich als Rathauschef im Jahr 2023 gefreut?

Es gab nach Corona eine doch positive Entwicklung der Stadtgemeinschaft. Was mir in Erinnerung bleibt, ist natürlich das, was man geschafft hat. Das reicht von der Wiedereröffnung der Josef-Boos-Turnhalle bis zum Namensfest für das Karl-Wald-Stadion. Auch der aktive Kontakt zu den Partnerstädten war positiv, gerade bei meinem ersten Besuch in Langon. Und natürlich die Eröffnung vom „Piorama“-Familienbad, dessen Bau in schwierigen Zeit durchgezogen wurde. Und generell, dass die Mitarbeiter bei der Stadt so fleißig und engagiert für Penzberg waren.

Was hat den Bürgermeister Korpan geärgert?

Dass Dinge in die Stadtpolitik gebracht worden sind, die aus meiner Sicht nicht dahin gehören.

Zum Beispiel?

Die Feuerwehr und ihr Gerätehaus. Mit dem Gutachten hat man den richtigen Weg eingeschlagen. Die Feuerwehr ist eine Pflichtaufgabe der Stadt, trotzdem wird es politisch. Das hat mich schon geärgert. Generell denke ich mir, gefühlt beginnt ein Wahlkampf. Es wird gestichelt im Stadtrat. Man muss aber bei der Sachpolitik bleiben.

Was würden Sie anders machen?

Nichts. Weil, Entscheidungen trifft man immer in der Situation. Im Nachhinein ist man immer schlauer. Siehe die Großprojekte...

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Familienbad-Eröffnung: Die 33 Millionen Euro-Investition sei auch ein Stück Daseinsvorsorge und ein Gegenwert, sagt der Penz- berger Bürgermeister. © Anne Rossa

Wie gut tut bei all den negativen Nachrichten aus der Kämmerei da die Eröffnung des Familienbads?

Ich freue mich, dass wir so ein Projekt verwirklicht haben. Das stimmt mich positiv für die Zukunft. Es zeigt doch, dass wir den Kopf nicht in den Sand stecken.

Ist es auch ein Symbol dafür, dass sich Penzberg als attraktiver Standort weiter entwickelt?

Das Bad ist eine Attraktion für die ganze Region, nicht nur für Penzberg. Es ist auch ein großes Stück Daseinsvorsorge und ein Gegenwert, denn wir nun haben.

Waren Sie schon schwimmen?

Ja. Mit der Familie. Es hat viel Spaß gemacht. Ich werde regelmäßig ins Bad gehen.

Worauf freuen Sie sich stadtpolitisch am meisten im kommenden Jahr?

2024 freue ich mich darauf, die nächsten Projekt abzuschließen. Zum Beispiel den kommunalen Wohnungsbau an der Birkenstraße und die Energiezentrale in der Layritzhalle. Wir wollen trotz der Haushaltskonsolidierungen die Stadt für die nächsten Jahre auf feste Beine stellen. Und ich freue mich auf Kreativität – dass man als Stadt auch mit kleinen Dingen viel Freude bereiten kann.

Was wird die größte Herausforderung?

Als Stadt diese Kurve zu kriegen. Zu schaffen, auf festen Beinen zu stehen und gleichzeitig den Wandel zu meistern. Muss es dabei immer das Beste und Größte sein?

Gibt es bei der nächsten Bürgerversammlung wieder eine Brandrede? Warum nicht?

(lacht) Abwarten. (wird wieder ernst) Ich hoffe, dass es in der Form nicht notwendig ist. Ich will positiv nach vorne blicken und mahnen: Man muss nicht immer alles schlecht reden.

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