Hochwasser-Katastrophe in Deutschland: Klimaforscher warnt vor Wetter-„Rekorden“ – und sendet Weckruf
Süddeutschland erlebt einen katastrophalen Start in den Sommer 2024 – mit Hochwasser und Evakuierungen. Ein Vorgeschmack auf die Zukunft durch den Klimawandel?
München – Die letzten Wochen brachten wiederholte Extremwetterlagen. Flüsse und Bäche, die zuvor ruhig dahinplätscherten, verwandelten sich in reißende Ströme, die ganze Ortschaften fluten. In einigen Gemeinden mussten die Bewohner aufgrund des hohen Wasserstandes evakuiert werden. An mehreren Orten in Bayern brachen Dämme unter der enormen Kraft des Hochwassers, Straßen wurden überschwemmt und Fahrzeuge mitgerissen. In Baden-Württemberg kam es zu Todesfällen.
Klimawandel bringt nicht nur Hitze und Dürre – Hochwasser in Deutschland
Die Katastrophe zeigt deutlich, dass der Klimawandel mehr als nur Hitzewellen und Dürreperioden mit sich bringt. Stefan Rahmstorf, Leiter der Abteilung Erdsystemanalyse am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, betonte in einem Spiegel-Interview: „Starkregen wird durch die Klimaerwärmung häufiger und intensiver.“ Er verwies dabei auf das „Weihnachtshochwasser 2023 in Norddeutschland oder kürzlich im Saarland“.

Vor weniger als zwei Wochen spürten neben dem kleinsten Bundesland Deutschlands, dem Saarland, auch Teile von Rheinland-Pfalz die Auswirkungen der globalen Erwärmung.
„Rekorde bei Tagesregenmengen um 30 Prozent gestiegen“ – Hochwasser als Folge des Klimawandels
Doch Deutschland ist nicht das einzige Land, das mit extremen Niederschlägen zu kämpfen hat. „Laut Datenauswertungen unseres Instituts ist die Zahl der Rekorde bei Tagesregenmengen weltweit um etwa 30 Prozent gestiegen im Vergleich 1950 bis 1980“, erklärte Rahmstorf. „Dies bedeutet: Rund einer von vier Rekorden ist schon jetzt auf den vom Menschen verursachten Klimawandel zurückzuführen.“

Rahmstorf zitierte eine Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich) aus dem Jahr 2020, die zeigt, dass extreme Niederschlagsereignisse pro Grad Erwärmung um sechs bis acht Prozent zugenommen haben. Trotz regionaler Temperaturschwankungen geht das Forscherteam davon aus, dass die Intensität extremer Niederschläge mit der Fortsetzung der globalen Erwärmung zunehmen wird.
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Extremwetter wegen Klimawandel: Forscher nennen vier Treiber für Hochwasser
Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) haben in einer Studie im Frühjahr 2024 vier Faktoren identifiziert, die das Hochwasser beeinflussen könnten. Diese sind:
- Die Lufttemperatur
- Die Bodenfeuchtigkeit
- Die Schneehöhe
- Die tägliche Niederschlagsmenge in den vorangegangenen Tagen
Von den 124.642 untersuchten Hochwasserereignissen zwischen 1981 und 2020 wurden 51,6 Prozent mit mindestens zwei dieser Faktoren in Verbindung gebracht. In 55,1 Prozent der 3527 untersuchten Einzugsgebiete war mehr als jedes zweite Hochwasser auf mehrere dieser Treiber zurückzuführen.
Experte zu Extremwetter: „Zunahme an Dürreereignissen und Extremniederschlägen“
Rahmstorf warnt jedoch davor, das andere Extrem zu vernachlässigen: „Wir müssen uns gleichzeitig auf eine Zunahme der Dürreereignisse und der Extremniederschläge einstellen, in Deutschland und anderen Regionen der Welt.“
Obwohl die Tage mit leichtem Niederschlag wahrscheinlich abnehmen werden, wird es „zunehmend in großen Mengen“ regnen. Dies könnte auch Auswirkungen auf die Lebensmittelproduktion haben. Landwirte hatten in der Vergangenheit immer häufiger Ernteausfälle zu beklagen – sei es aufgrund von Dürre oder extremen Niederschlägen.

Aber letztendlich sind viele weitere Bevölkerungsgruppen direkt betroffen. Rahmstorf stellt fest, dass „vielerorts die Infrastruktur nicht auf solche Wassermengen ausgerichtet: Kanalisationen laufen über, Straßen werden überflutet, Dämme brechen.“ Er ist sich sicher: „Selbstverständlich müssen wir uns anpassen.“
Maßnahmen gegen Erderwärmung nötig: „Das kostet Geld und der Elan erlahmt oft rasch“
Der Experte ist sich jedoch bewusst, dass dies Widerstände hervorrufen wird: „Das kostet viel Geld, der Elan erlahmt oft rasch. Und wir stehen zurzeit bei knapp eineinhalb Grad Erwärmung.“ Die Tendenz ist steigend. Der Klima-Expertenrat erklärte kürzlich, dass Deutschland seine Klimaziele für das Jahr 2030 nach aktuellem Stand nicht erreichen wird.
Aber die aktuellen Extremereignisse sind noch nicht das Ende. „Machen wir uns keine Illusionen: An drei Grad Erhitzung werden wir uns kaum anpassen können. Denn drei Grad würden nicht doppelt so schlimm, sondern viel schlimmer“, warnt Rahmstorf.
Darüber hinaus könnte es dann unmöglich sein, den Schalter wieder umzulegen: „Außerdem würden bei einer derart starken Erwärmung Kipppunkte ausgelöst, die das weltweite Klimasystem grundlegend verändern könnten.“
Klimaforscher fordert Umdenken: „Fossile Energienutzung wird subventioniert, Klimaziele ignoriert“
Rahmstorf äußerte sich auch bei Focus und kritisierte die Politik für Maßnahmen, die den Kampf gegen den Klimawandel untergraben: „Solange fossile Energienutzung noch subventioniert wird, selbst gesetzte Klimaziele zum Beispiel im Verkehrssektor ignoriert werden und auch sofort wirksame Gratismaßnahmen wie ein allgemeines Tempolimit nicht genutzt werden, kann von ernsthaften Anstrengungen in Richtung 1,5 Grad nicht die Rede sein.“
Dies ist ein dringender Weckruf – und nicht der Erste. Aber die vorherigen scheinen weitgehend ungehört geblieben zu sein. Insbesondere, da sich das Wetter nach Extremereignissen immer wieder normalisiert. Eine Atempause sozusagen, jedoch kein Grund zur Entspannung. (mg)