Nach Kampfansage von Selenskyj: Ukraine feiert Prestige-Attacke auf Krimbrücke

  1. Startseite
  2. Politik

Kommentare

Die Ukraine schockierte Moskau mit der Operation „Spinnennetz“. Selenskyj wollte nachlegen, und mit der Krim-Brücke gab es jetzt ein nächstes Ziel.

Kiew – In einem der spektakulärsten Militärschläge seit Beginn des Ukraine-Kriegs haben Kiews Streitkräfte am Sonntag (1. Juni) mit einer koordinierten Drohnenoffensive vier russische Militärflugplätze tief im Landesinneren angegriffen. Die Operation, die unter dem Codenamen „Pavutyna“ („Spinnennetz“) firmiert, traf unter anderem strategische Langstreckenbomber vom Typ Tu-95, Tu-22M3, Tu-160 sowie Aufklärungsflugzeuge des Typs A-50.

Wie der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte, sei die Operation „ein absolut brillanter Erfolg“ gewesen. Die Planung habe eineinhalb Jahre gedauert, berichtete er auf der Plattform X. Spekuliert wurde da schon, dass weitere Attacken dieser Art nicht ausgeschlossen sind. Und siehe da: Am Dienstag (3. Juni) griff die Ukraine die Krim-Brücke mit 1100 Kilo Sprengstoff an.

Nach Ukraine-Großangriff: Selenskyj deutet nächste Schläge an – Attacke auf Krim-Brücke folgt

Diesmal war die Krim-Brücke Ziel der Attacke, am Sonntag waren es vier russische Militärstützpunkte: Nach Angaben des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes SBU wurden bei der Operation „Spinnennetz“ 41 Flugzeuge beschädigt oder zerstört, das ist etwa ein Drittel der russischen strategischen Bomberflotte. Der Sachschaden beläuft sich laut SBU auf sieben Milliarden US-Dollar.

Die Drohnen seien in getarnten Holzhütten auf LKWs direkt an den Zielbasen postiert worden. Im entscheidenden Moment hätten sich die Dächer per Fernsteuerung geöffnet, woraufhin die mit Sprengstoff bestückten FPV-Drohnen (First-Person-View) gestartet seien, berichtet das renommierte „Institute for the Study of War“ in einer ausführlichen Analyse auf seiner Website.

Ukraine zerstört russische Bomber bei Angriff auf Militärbasen

Die getroffenen Luftwaffenstützpunkte lagen in den Regionen Irkutsk (Belaja), Murmansk (Olenja), Rjasan (Djagilewo) und Iwanowo. Besonders weit entfernt lag der Stützpunkt in Irkutsk – mehr als 4.000 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt. Es war das erste Mal seit Kriegsbeginn, dass ukrainische Drohnen ein Ziel in Sibirien erreichten, berichtet AP News.

Russlands Verteidigungsministerium bestätigte den Angriff, schreibt tagesschau.de, sprach jedoch von „mehreren beschädigten Flugzeugen“ und erklärte, die Brände seien gelöscht. Opfer habe es keine gegeben. Angriffe auf weitere Basen seien abgewehrt worden, so das Ministerium. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Experten bewerten Ukraine-Angriff: „Strategischer Dämpfer für Russland“

Nach Einschätzung des österreichischen Militärhistorikers Markus Reisner könnten 20 russische Langstreckenbomber ernsthaft beschädigt oder zerstört worden sein. Auch westliche Geheimdienste halten diese Zahl für plausibel. Laut New York Times geht man von der Zerstörung von sechs Tu-95, vier Tu-22M sowie mehrerer A-50-Flugzeuge aus – allesamt Schlüsselkomponenten für russische Marschflugkörperangriffe gegen ukrainische Städte.

Russische Militär-Blogger, darunter der bekannte Kanal Rybar, sprachen vom „russischen Pearl Harbor“. Dieser Vergleich stieß jedoch auf Kritik. So erklärte Thomas Jäger, Politikwissenschaftler an der Universität zu Köln, gegenüber ntv.de, der Angriff sei zwar militärisch bedeutsam, aber nicht die „Wende im Krieg“. Auch Sicherheitsexperte Frank Sauer warnte vor überzogenen Erwartungen: „Ein solch akribisch geplanter Überraschungsangriff funktioniert im Grunde nur einmal.“

Selenskyj warnt Moskau vor weiteren Attacken - am Dienstgag Explosionen an Krim-Brücke

Für Selenskyj hat die Operation aber vor allem eine politische Funktion. In einem Interview mit ukrainischen Journalisten, veröffentlicht von der Agentur Unian, sagte er am Montag: „Vielleicht brauchen wir noch ein paar mehr Maßnahmen, bis sie versuchen werden, sich wie Menschen zu verhalten.“ Zwei Tage später kam dann der nächste schwere Treffer für Russland mit einem überraschenden Schlag gegen die Krim-Brücke: Teile der Brücke wurden durch einen massiven Sprengstoffanschlag zerstört-.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj deutete nach dem Großangriff auf russische Bomber weitere Attacken an. Kurz darauf gab es Explosionen an der Krim-Brücke. © Mindaugas Kulbis/AP/dpa (Montage)

Die neue Attacke ereignete sich einen Tag nach den jüngsten Friedensverhandlungen in Istanbul, bei denen sich die russische Delegation laut Selenskyj zwar etwas ruhiger als beim letzten Mal, aber weiterhin „unverschämt“ verhalten habe. Die Ukraine werde nicht kapitulieren – sie habe das auch nicht nötig, so der Präsident.

Die Gespräche in Istanbul verliefen ohne Durchbruch. Russland habe sich nicht auf einen vorgeschlagenen bedingungslosen Waffenstillstand eingelassen, heißt es in unterschiedlichen Medienberichten. Vielmehr wirft Kiew Moskau vor, die Gespräche zur Zeitverschwendung zu missbrauchen.

„Vielleicht brauchen wir noch ein paar mehr Maßnahmen, bis sie versuchen werden, sich wie Menschen zu verhalten.“

Russische Militärführung durch Ukraine-Angriffe unter Druck – Blogger fordern Konsequenzen

Einige russische Militärexperten, darunter Andrei Gurulew, ehemaliger Generalleutnant und Abgeordneter der Duma, machten Russlands eigene Führung für das Desaster verantwortlich. Im Gespräch mit dem Thinktank ISW warf er den Geheimdiensten vor, bei den Attacken auf die vier russischen Militärbasen die Lkw mit den getarnten Drohnen überhaupt in die Nähe der Stützpunkte gelassen zu haben. Die mangelnde Sicherung strategischer Luftwaffenanlagen sei unverzeihlich, so Gurulew.

Auch international sorgt der Vorfall für Diskussionen. Der tschechische Außenminister Jan Lipavský erklärte auf X, man erwarte nun, dass russische Flugzeuge den Nato-Luftraum um 30 Prozent seltener verletzen. Dies zeige, wie wichtig eine starke und gut bewaffnete Ukraine für die europäische Sicherheit sei.

Explosionen an der Krim-Brücke: Bereits dritte Attacke der Ukraine auf Verbindung zur Krim

Die Unterwassersprengung an der Krim-Brücke mit 1.100 Kilogramm Sprengstoff ist bereits der dritte erfolgreiche Schlag gegen die strategische Verbindung zwischen Russland und der annektierten Halbinsel seit Beginn des Ukraine-Kriegs.

Die Gefahr weiterer ukrainischer Geheim-Angriffe ist jetzt für Russland noch realer als nach der Operation „Spinnennetz“. Die Botschaft ist in den Augen vieler Beobachter eindeutig: Die Ukraine wird ihre Chancen nutzen – solange Moskau nicht verhandlungsbereit ist.

Auch interessant

Kommentare