„Bedrohung für nationale Sicherheit“: Ukraine beobachtet Lukaschenko-Truppen an Grenze
In Belarus sollen Soldaten an der Grenze zur Ukraine aufmarschiert sein. Ein Statement aus Kiew erinnert auch an die Nähe zu Tschernobyl.
Kiew – Belarus erfüllt Russland und damit Wladimir Putin wohl so ziemlich jeden Wunsch. Noch hat sich das Land von Diktator Alexander Lukaschenko zwar nicht aktiv in die Kämpfe im Ukraine-Krieg eingemischt. Bekannt ist aber, dass die Truppen in diesem Jahr gemeinsame Atomwaffenübungen mit dem Aggressor abgehalten haben sollen.
Im vergangenen Jahr durften die Söldner der Wagner-Gruppe offenbar nach ihrem kurzzeitigen Aufstand in Belarus einen Neuanfang wagen. War das nur der Anfang der Unterstützung im Zuge des offiziell nur militärische Spezialoperation genannten Feldzugs?
Video: Russland dementiert Geheimverhandlungen um Waffenruhe im Ukraine-Krieg
Belarus im Ukraine-Krieg: Lukaschenko verlegt offenbar Soldaten an die gemeinsame Grenze
Seit Beginn in der Invasion vor zweieinhalb Jahren halten sich auch die Befürchtungen, Minsk könnte eigenen Truppen ins Kampfgebiet schicken. Aktuell werden diese wohl größer.
Denn in einer Mitteilung des ukrainischen Außenministeriums heißt es: „Laut den gesammelten Informationen ukrainischer Geheimdienste konzentrieren die Streitkräfte von Belarus eine beträchtliche Anzahl an Personal, darunter Spezialkräfte, Waffen und Militärmaterial wie Panzer, Artillerie, Mehrfachraketenwerfer, Flugabwehrsysteme und technische Ausrüstung in der Region Gomel nahe der Nordgrenze der Ukraine unter dem Deckmantel von Übungen.“
Ähnlich hatte Kiew auch vor Beginn des russischen Angriffs gewarnt, als Putin über viele Monate immer mehr Militär an der Grenze zur Ukraine zusammenzog. In Deutschland wurde dieses Vorgehen des Kreml-Chefs überwiegend als reines Säbelrasseln gegen den Westen interpretiert. Die Regierung von Wolodymyr Selenskyj rechnete damals offen mit dem Schlimmsten und sollte letztlich recht behalten.

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Ukraine warnt Belarus: „Bedrohung für globale Sicherheit“ wegen Nähe zu Tschernobyl
Zu jener Zeit waren die Wagner-Söldner international noch wenig bekannt und daher nicht der Rede wert. Jetzt lässt es aufhorchen, wenn das Haus des seit 2020 amtierenden Außenministers Dmytro Kuleba betont, auch Söldner der ehemaligen Wagner-Gruppe seien unter den Kräften an der ukrainisch-belarussischen Grenze. Erwähnt wird darüber hinaus, schon Übungen in dem Gebiet würden wegen der unmittelbaren Nähe zum Kernkraftwerk Tschernobyl „eine Bedrohung für die nationale Sicherheit der Ukraine und für die globale Sicherheit im Allgemeinen“ darstellen.
Darum wird in die Richtung Minsk festgehalten: „Wir warnen die belarussischen Beamten davor, unter dem Druck Moskaus tragische Fehler zu begehen, und fordern die Streitkräfte auf, unfreundliche Aktionen einzustellen und die Truppen von der Staatsgrenze der Ukraine auf eine Entfernung abzuziehen, die größer ist als die Schussreichweite der belarussischen Systeme.“
Die Ukraine werde ihrerseits „niemals unfreundliche Maßnahmen gegen das belarussische Volk“ ergreifen. Allerdings gelte: Sollte Belarus die gemeinsame Grenze verletzen, werde Kiew „alle notwendigen Maßnahmen“ umsetzen, um „das in der UN-Charta garantierte Recht auf Selbstverteidigung auszuüben“. In diesem Fall würden die Truppen ebenso wie die militärischen Einrichtungen und die Versorgungswege in Belarus „zu legitimen Zielen der ukrainischen Streitkräfte“.
Lukaschenko über Ukraine-Krieg: Belarus-Diktator wirft Kiew „aggressive Politik“ vor
Lukaschenko hatte ein Interview im russischen TV-Sender Rossija genutzt, um die zuvor angekündigte Konzentration seiner Truppen an der Grenze zu erklären. Wie die belarussische Nachrichtenagentur Belta aus dem Gespräch zitiert, hält er der Ukraine vor, selbst 120.000 Militärangehörige nahe der Grenze stationiert zu haben. Für das seit 30 Jahren amtierende Staatsoberhaupt handelt es sich um eine „aggressive Politik“. Er habe sich gezwungen gesehen, ein Drittel seiner Armee dorthin zu verlegen.
Zudem monierte Lukaschenko, die Ukraine habe mit Angriffsdrohnen den Luftraum über Belarus verletzt. „Einige davon fliegen 3000 bis 5000 Kilometer weit, sie flogen bis nach Tatarstan“, erklärte der 69-Jährige: „Wir haben sie gewarnt. Natürlich sieht unsere Luftverteidigung dies und gibt die Information sofort an die russischen Luftabwehrkräfte weiter.“
Diesen Vorwürfen entgegnete Andrij Demtschenko. Der Sprecher der ukrainischen Grenztruppen merkte an, Lukaschenko greife „zu aggressiven Aussagen, die nicht der Realität entsprechen“. Verbal werden also schwere Geschütze aufgefahren. Doch auch im Krieg zählen weniger die Worte als vielmehr die Taten. Umso intensiver wird Kiew jeden weiteren Schritt an der Grenze im Norden sehr genau beobachten. (mg)