Bis zu zehn Mal mehr Steuern - Erste Bescheide da, Eigentümer entsetzt! Kosten-Schock bei der Grundsteuer

Haben Haushalte bereits den Grundsteuerbescheid erhalten, kennen sie zumindest den neu festgesetzten Grundsteuerwert. Das Dokument wird vom Finanzamt verschickt. Eine Aussage über die Höhe der Grundsteuer lässt sich meist davon nicht direkt ableiten. Das liegt daran, dass die neuen Hebesätze in den Kommunen erst im Laufe des Jahres festgelegt werden, so die Oberfinanzdirektion Frankfurt.

Erst im Laufe des Jahres werden die endgültigen Steuerbescheide eintreffen. Der Betrag wird dann ab 2025 fällig. Es ist das Ziel, dass die Städte und Gemeinden noch im Jahr 2024 die neuen Grundsteuerbescheide an die Eigentümer und Eigentümerinnen der Immobilien übermitteln können“, sagt Uwe Zimmermann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, auf Anfrage von FOCUS online.

Eigentümer entsetzt über Höhe der Wertbescheide

Wenn zumindest der Wertbescheid schon vorliegt   und der aktuelle Hebesatz bekannt ist, lässt sich die neue Grundsteuer ganz einfach schätzen. Und die hat es in sich! Denn geht das Finanzamt davon aus, dass die Immobilie deutlich mehr wert ist, steigt auch die Grundsteuer.

In einem Beispiel aus der Nähe von Stuttgart zeigt sich: Für eine Doppelhaushälfte soll ein Rentnerpaar nun ab kommendem Jahr stolze 2875 Euro für das Grundstück an Steuern bezahlen. Bisher waren es nur 195 Euro. „Das ist mehr als das 14-Fache“, sagt der entsetzte Immobilienbesitzer im Gespräch mit dem „Spiegel“. Vor 22 Jahren hatte das Rentnerpaar das Grundstück gekauft. „Das grenzt an Enteignung“, sagt der 67-Jährige.

Das ist kein Einzelfall. Ein Steuerberater aus Berlin besitzt eine Obstwiese auf der Halbinsel Mönchgut. Bisher bewertete das Finanzamt die teilweise bebaubare Wiese mit einem Euro pro Quadratmeter. Nun hat es den Wert auf 220 Euro pro Quadratmeter angehoben. Die Steuer könnte dadurch ab 2025 auf das 220-fache steigen.

Torsten Küllig, Hausbesitzer aus dem sächsischen Moritzburg bei Dresden, muss für sein 2000 Quadratmeter großes Gartengrundstück statt bisher 40 Euro stolze 2500 Euro Grundsteuer zahlen. „Total irre“, sagt der Betroffene. Das Grundstück verfüge nicht einmal über eine Baugenehmigung.

Auch in Gladbeck in Nordrhein-Westfalen soll ein Betroffener für seine Immobilien auf einem Grundstück nicht mehr 117 Euro, sondern 22.000 Euro Grundsteuer im Jahr zahlen. Über das Fallbeispiel hatte Bettina Weist, Bürgermeisterin von Gladbeck in Interviews berichtet. „Die Einfamilienhäuser haben am meisten zugelegt, bei den Zweifamilienhäusern lässt sich ein moderater Anstieg feststellen, bei Eigentumswohnungen oder Mietgrundstücken gingen die Zahlen in der Gesamtheit etwas runter“, fasst die Kommunalpolitikerin die Entwicklung im „Spiegel“ zusammen.

So wehren Sie sich gegen die hohen Wertbescheide

Wurde eine Immobilie vom Finanzamt zu hoch bewertet, hilft als erster Schritt ein Antrag auf Neubewertung des Grundstücks. Ebenso sollten Haushalte reagieren, wenn die Grundsteuer durch die Reform zu einer explosiven Mehrbelastung wird.

Für den Einspruch genügt ein formloses Schreiben, eine Begründung ist nicht erforderlich. Wichtig ist jedoch, dass der Einspruch den Namen des Grundstückseigentümers und die Namen der Miteigentümer (falls vorhanden) enthält. Außerdem sind die Anschrift, das Aktenzeichen, die Steuernummer und das Datum des Wertbescheides anzugeben.

Die häufigsten Fehler beim Wertbescheid:

  • Unvollständige Angaben: Fehlende oder unvollständige Angaben in der Feststellungserklärung können zu einer falschen Berechnung der Grundsteuer führen.
  • Falsche Angaben: Falsche Angaben zu Grundstücksfläche, Baujahr, Nutzungsart und Bodenrichtwert können die Steuerlast beeinflussen.
  • Veraltete Daten: Die Verwendung veralteter oder nicht aktualisierter Daten kann zu falschen Festsetzungen führen.

Städte- und Gemeindebund warnen vor Steuer-Schock

Der Städte- und Gemeindebund von Nordrhein-Westfalen hatte bereits Anfang des Jahres  vor einer heftigen Mehrbelastung gewarnt . „Die Berechnungen in den Kommunen laufen bereits. Und sie deuten auf ein großes Ärgernis hin: Nach den bisherigen Messzahlen läuft es auf eine massive Verschiebung zu Lasten der privaten Eigentümer hinaus“, sagte Verbandspräsident Christoph Landscheidt, der Bürgermeister der Stadt Kamp-Lintfort ist. Wohngrundstücke würden deutlich stärker belastet als Gewerbegrundstücke. Das könne so nicht bleiben. „Eine weitere Belastung der Bürgerinnen und Bürger ist in meinen Augen nicht mehr vermittelbar.“

Das sind die Gründe für die hohe Grundsteuer

Die Höhe der ab 2025 zu zahlenden Grundsteuer wird neu berechnet. Es ist eines der größten Verwaltungsprojekte der letzten Jahre, denn bundesweit müssen über 36 Millionen Grundstücke neu bewertet werden. Die Finanzämter nutzen dafür spezielle Programme. Besonders brisant: Bei den Bewertungen handelt es sich oft nicht um ein Versehen.

Das Finanzministerium weist darauf hin, dass nach dem neuen Grundsteuergesetz ab dem 1. Januar 2025 „für jedes Grundstück ein individueller Wert ermittelt werden muss“. Da sich dieser nach den Immobilienpreisen in der Wohngegend richtet, ist nun auch der Wert von Gartengrundstücken gestiegen. Ergo: Grundstücke, die vor 20 Jahren noch von Äckern und Feldern umgeben waren und heute von Wohnhäusern umgeben sind, müssen mit einer extremen Steueranpassung rechnen.

Spätestens im neuen Jahr erfahren Immobilienbesitzer, wie viel Grundsteuer sie nach der grundlegenden Reform künftig zahlen müssen. Die kommunalen Spitzenverbände schlagen nach ersten Berechnungen Alarm und warnen eindringlich vor extremen Belastungen für Wohngrundstücke. Erste Bescheide könnten schon jetzt bei den Hausbesitzern eintrudeln.

Wie kam es zu diesem Grundsteuer-Chaos?

Das Bundesverfassungsgericht hatte am 10. April 2018 entschieden, dass die bisherige Berechnungsweise der Grundsteuer nicht mehr gültig ist. Um dieses Urteil umzusetzen, hat die Bundesregierung eine Reform der Grundsteuer auf den Weg gebracht. Dabei ermöglicht das Gesetz den Kommunen, ab 2025 unbebaute, aber bebaubare Grundstücke höher zu besteuern, um die Bebauung solcher Flächen zu fördern.

„Die Grundsteuer hat keine Dynamik und wächst nicht mit den Preisen. Es braucht deswegen Hebesatzerhöhungen, um etwa das Steueraufkommen beispielsweise an die Löhne und Einkommen anzupassen“, sagt Stefan Bach, Steuerexperte am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).

Die Grund- und Gewerbesteuer sind wichtige Einnahmequellen für Kommunen, um verschiedene lokale Dienste und Projekte zu finanzieren. Diese Steuern tragen maßgeblich zur finanziellen Autonomie der Kommunen bei, ermöglichen die Durchführung von Infrastrukturprojekten, die Bereitstellung von Bildungsangeboten und die Förderung von Kultur.