Ex-Präsident auf Podcast-Tour: Donald Trumps Siegesplan für die US-Wahl
Donald Trump setzt vor der US-Wahl auf Podcast-Auftritte bei Joe Rogan und Konsorten. Eine kostengünstige Strategie, die an 2016 erinnert. Die Analyse.
Washington, D.C. – Ganze drei Stunden nahm sich Donald Trump Zeit für sein Gespräch mit Joe Rogan. Der Ex-Präsident reiste extra nach Austin, Texas, wo Rogans Podcast „The Joe Rogan Experience“ aufgezeichnet wird, um mit dem Comedian und Kampfsportexperten über seine Kandidatur, die UFC, Außerirdische und John F. Kennedy zu plaudern.
Warum macht Trump das im Endspurt zur US-Wahl 2024, die laut aktuellen Umfragen so eng zu werden droht, dass jede Stimme und jede Sendeminute über Sieg oder Niederlage entscheiden könnte?
Donald Trump tourt vor US-Wahl durch Podcasts
Bevor diese Frage beantwortet werden kann, lohnt ein Blick auf die letzten Wochen Wahlkampf in den USA. Während Kamala Harris als Kandidatin der Demokraten auf öffentliche Kundgebungen mit prominenter Unterstützung von Eminem und Barack Obama in den hart umkämpften Swing States wie Michigan und Pennsylvania setzt, tourte Donald Trump zuletzt durch etliche Podcasts.
Eine Stunde sprach er mit Theo Von in dessen Sendung „This Past Weekend“. Eineinhalb Stunden saß er bei „Flagrant“ als Gast von Andrew Schulz und Kollegen. Zusammen kommen beide Formate bei YouTube auf mehr als fünf Millionen Follower. Es folgte der Höhepunkt mit dem dreistündigen Aufritt bei Joe Rogan, dessen Show im Wochenrhythmus auf dem Streaming-Anbieter Spotify fast 15 Millionen Menschen erreicht. Das Video vom Gespräch mit Trump wurde innerhalb der ersten drei Tage auf der Video-Plattform YouTube mehr als 27 Millionen Mal aufgerufen.
Donald Trumps Zielgruppe bei der US-Wahl: Weiß und männlich
Alle drei Formate verbindet, dass ihr Publikum größtenteils männlich, eher weiß als einer Minderheit angehörig ist und in der Regel keinen College-Abschluss hat. Damit erreichen sie genau die Wählergruppe, auf die Donald Trump bei der US-Wahl setzt. Gelingt es ihm, diese Wahlberechtigten am 5. November von der Couch in die Wahlkabine zu befördern, steigen seine Chancen auf einen Sieg signifikant.

Auch das Setting der Shows ähnelt sich – und spielt Donald Trump in die Karten. Er darf sich als Familienmensch geben, wenn er mit Theo Von über Vaterliebe spricht und sich als Vorbild inszenieren, wenn der Podcaster über seine Kokainsucht mit dem für seine Abstinenz bekannten Ex-Präsidenten spricht. Er kann seine humoristische Ader ausspielen, wenn er Andrew Schulz von gesprengten Partys, veranstaltet von seinem Teenager-Sohn Barron Trump im Trump Tower in New York, erzählt. Und er wirkt nahbar, wenn er Joe Rogan von „surrealen Erfahrungen“ berichtet, die er in seiner ersten Nacht als Präsident im Weißen Haus in Washington, D.C. sammelte. All das in einer für den ehemaligen Reality-TV-Star gewohnten Umgebung mit Talk-Show-Charakter.
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Wenn es dann doch mal politisch in den Podcasts wird, hat Donald Trump einen weiteren Vorteil. Im Gegensatz zum TV-Duell mit Kamala Harris werden seine Behauptungen von Joe Rogan und Co. nicht auf Wahrheitsgehalt überprüft. In den drei Stunden bei Rogan türmte der Ex-Präsident einen ganzen Berg von Lügen auf. Eine kleine Auswahl:
Donald Trump darf bei Joe Rogan Lügen verbreiten
- Mehrfach behauptete Donald Trump, in seiner Amtszeit die Terrormiliz IS im Alleingang und innerhalb „weniger Wochen“ besiegt zu haben. Laut Informationen der Nachrichtenagentur Al Jazeera hat die Gruppe allein in den ersten sechs Monaten des Jahres 2024 die Verantwortung für 153 Attacken allein in Syrien und dem Irak übernommen.
- Unter seiner Regierung sei außerdem das größte Ölfeld der Welt in den USA, genauer in Alaska, entdeckt worden, „viel größer als die Ölfelder in Saudi-Arabien“. Besagte Ölfeld soll Berechnungen der zuständigen Behörde zufolge etwa 10,4 Millionen Barrel beinhalten. Zum Vergleich: Das größte Ölfeld der Welt liegt in Saudi-Arabien und fasst etwa 48 Millionen Barrel.
- Mit Tarifen und Zöllen habe seine Regierung „Milliarden über Milliarden“ US-Dollar von der Volksrepublik China und Russland eingesammelt. Einer Berechnung der Nachrichtenplattform Pro Publica nach stieg das Staatsdefizit der USA während Donald Trumps Regierungszeit in Wahrheit aber um den Rekordwert von 7,8 Billionen Dollar.
- Im Wahlkampf 2016 zwischen Donald Trump und Hillary Clinton wurde der Slogan „Lock Her Up“ (Sperrt Sie ein) zum Running Gag auf Trumps Kundgebungen. Bei Joe Rogan behauptete Trump, den Spruch selbst nie verwendet zu haben. Etliche Aufnahmen aus dieser Zeit beweisen das Gegenteil.
- Natürlich wiederholte Donald Trump auch seine Lüge vom großen Wahlbetrug 2020. Beweise konnte er aber auch bei Joe Rogan nicht präsentieren.
Daneben darf Donald Trump in den Podcasts den „Anti-Politiker“ geben, dessen einziger Fehler nach seinem Sieg 2016 gewesen sei, „die falschen Leute einzustellen“. Darunter fallen für Trump etliche ehemalige Wegbegleiter, die sich mittlerweile von ihm abgewendet haben. Darunter zuletzt sogar John Kelly, Trumps ehemaliger Stabschef im Weißen Haus, der seinen damaligen Vorgesetzten mittlerweile als Faschisten mit Faible für Diktatoren wie Adolf Hitler bezeichnet.

Donald Trump geht im Wahlkampf der US-Wahl das Geld aus
All diese Punkte könnten Donald Trumps neue Vorliebe für Podcast-Auftritte bereits erklären. Doch entscheidend dürfte ein anderer sein: Trump steckt in Geldnöten. Die Wahlkampagne des Kandidaten der Republikaner muss mit deutlich weniger Mitteln auskommen als die seiner Konkurrentin Kamala Harris. Während die Kandidatin der Demokraten laut einer Berechnung von CNN zu Beginn des Oktobers 2024 noch auf ein Budget von 346 Millionen US-Dollar zurückgreifen konnte, befanden sich in Trumps Kasse nur noch 285 Millionen US-Dollar. Der selbsterklärte Milliardär ist klamm, daran ändern auch die Spenden seines Freundes Elon Musk nicht wirklich etwas.
Donald Trump muss deshalb auf teure TV-Kampagnen verzichten und kreativ sein, um Sendeminuten und Öffentlichkeit zu generieren. Und kein Format gewährt ihm im Jahr 2024 so kostengünstig Reichweite wie besagte Podcasts. Trump erreicht damit zielgenau das Publikum, das er erreichen will – in Millionenhöhe, zielgenau und ganz ohne teure Marktforschungserhebungen.
Donald Trumps Podcast-Strategie erinnert an US-Wahl 2016
Damit wendet der Kandidat der Republikaner eine Strategie an, die stark an seinen Sieg bei der US-Wahl 2016 erinnert. Auch damals trat Donald Trump mit deutlich weniger Mitteln gegen die riesige Wahlkampfmaschinerie von Hillary Clinton an. Statt auf aufwendigen Haustürwahlkampf und TV-Werbung zu setzen, konzentrierte sich seine Kampagne auf soziale Medien wie Facebook und Twitter. Allein über den Kurznachrichtendienst erreichte Trump mit seinen Tweets Millionen Menschen. Mit seinen provokanten Kommentaren steuerte er zudem das Narrativ der Berichterstattung. Trump twitterte und die ganze Öffentlichkeit sprach über nichts anderes.
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Was damals die sozialen Medien waren, sind für Donald Trump heute die Podcasts. Seine jetzige Gegnerin darf deshalb den Fehler der damaligen nicht wiederholen. Kamala Harris sollte beim Kampf um die Wählerstimmen weißer Männer mit niedriger Bildung nicht mit der Arroganz vorgehen, die Hillary Clinton einst an den Tag gelegt hatte. Die zu diesem Zeitpunkt noch haushohe Favoritin hatte in einem Anfall von Hybris Trumps Wählerschaft als einen „Korb der Bedauernswerten“ („Basket of Deplorables“) bezeichnet.
Kamala Harris muss auf Donald Trumps neue Strategie reagieren
Stattdessen sollte Harris die Einladung zu einem Gespräch annehmen, die Joe Rogan in der Folge mit Donald Trump erneut an die kandidierende Vize-Präsidentin aussprach, die sie aber abgelehnt hatte. „Vielleicht klappt es ja noch“, sagte Rogan, der versprach, Harris nicht zu interviewen, sondern ein Gespräch mit ihr führen zu wollen. Eine Reise nach Austin und ein Auftritt bei Rogan könnte unter diesen Bedingungen wertvoller sein als die 50. Kundgebung vor Gleichgesinnten in Philadelphia.
Denn sonst könnte tatsächlich eintreten, was zumindest in Deutschland kaum jemand zu fürchten wagt, was aktuelle Umfragen zu US-Wahl aber andeuten. Donald Trump könnte nach der US-Wahl erneut ins Weiße Haus einziehen. Sicher ist dann, dass zahlreiche Analysen die Podcast-Strategie des Ex-Präsidenten den wichtigsten Baustein für seinen Sieg nennen werden. (dil)