Dritter Weltkrieg durch Nordkorea-Soldaten in der Ukraine? Selenskyj warnt – Experten zweifeln

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Welche Bedeutung hätte ein Einsatz nordkoreanischer Soldaten für Russland im Ukraine-Krieg? Selenskyj spricht dabei vom Dritten Weltkrieg.

Kiew – „Das ist der erste Schritt zu einem Weltkrieg“. Das sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf einer Pressekonferenz in Brüssel zu einem möglichen Eingreifen Nordkoreas. Würde die Nato auf Truppen aus Pjöngjang in der Ukraine mit eigenen Soldaten reagieren, würde sich aus dem von Aggressor Russland begonnenen Ukraine-Krieg schnell ein weltweiter Konflikt entwickeln.

Doch: Eine Nato-Entscheidung zur Entsendung von Kampftruppen gilt dagegen derzeit als ausgeschlossen, eben weil Bündnismitglieder wie Deutschland und die USA befürchten, dass dadurch ein Dritter Weltkrieg ausgelöst werden könnte.

Südkoreanischer Geheimdienst: 3.000 Nordkoreaner schon in Russland

Selenskyj forderte dennoch eine internationale Reaktion. „Die Ukraine wird faktisch gezwungen sein, in Europa gegen Nordkorea zu kämpfen“, konstatierte der Staatschef am 26. Oktober 2024 in seiner abendlichen Videobotschaft. Das Ausbleiben entschlossener Schritte der Verbündeten motiviere den russischen Präsidenten Wladimir Putin nur zu weiterem „Terror“.

Der südkoreanische Geheimdienst ist sich sicher, dass Nordkorea bereits Teil des Krieges ist. So sollen die Nordkoreaner insgesamt bereits 3.000 Soldaten nach Russland geschickt haben, bis Ende Dezember sollen es insgesamt 10.000 sein. Angesichts des großen russischen Kontingents dürfte die Zahl kaum ins Gewicht fallen. Russland soll aktuell 600.000 bis 700.000 Soldaten in der Ukraine und dem Grenzgebiet Kursk im Kampfeinsatz haben. Allerdings könnte eine nordkoreanische Interventionsarmee von 100.000 Mann oder mehr die ohnehin von den Ukrainern nur noch mit Mühen gehaltene Front zum Zusammenbruch führen.

Russland bildet Nordkorea-Soldaten auf Truppenübungsplatz aus

Offiziell bestätigt sind die zahlreichen Berichte über nordkoreanische Soldaten zur Unterstützung Russlands in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht. Bisher streiten Moskau und Pjöngjang ab, dass nordkoreanische Soldaten für einen Kriegseinsatz in der Ukraine oder auch im russischen Grenzgebiet Kursk vorbereitet werden. Aber Russland und Nordkorea haben einen gegenseitigen militärischen Beistand vereinbart, sollte einer von beiden von einem anderen Staat angegriffen werden. Weil die Ukraine Anfang August in der Grenzregion Kursk einmarschiert ist und dort Dutzende Ortschaften besetzt hat, könnte Moskau die Verteidigungs-Option ziehen.

Präsident Wladimir Putin Führer Kim Jong-un Staatsempfang Juni 2024 Pjöngjang nordkorea
Der russische Präsident Wladimir Putin und der nordkoreanische Führer Kim Jong-un bei einem Staatsempfang im Juni 2024 in Pjöngjang. © IMAGO/Vladimir Smirnov / ITAR-TASS

Dabei haben selbst Moskauer Medien schon von Nordkoreanern auf dem russischen Truppenübungsplatz Sergejewka an der Grenze zu China und Nordkorea berichtet. „Es scheint, als hätten sie sich als russische Soldaten verkleidet“, berichtete der südkoreanische Geheimdienst. Die Soldaten „werden voraussichtlich an die Front geschickt, sobald sie ihre Anpassungsschulung abgeschlossen haben.“

Experten glauben nicht an Weltkrieg durch Nordkorea-Einsatz

Auch äußerten Experten in Moskau, dass sie einen Kampfeinsatz der Nordkoreaner zwar für möglich, aber die Auswirkungen auf den Krieg für begrenzt halten. Sie meinen, dass Russland sich vielmehr nur weitere Komplikationen einhandele. Ins Gewicht fiele auch der internationale Gesichtsverlust für Russland, Schwäche einzugestehen, wenn es aus Not im Krieg auf fremde Truppen zurückgreifen müsste.

Auch westliche Experten bezweifeln, dass Nordkoreas Soldaten über den Startpunkt für einen dritten Weltkrieg entscheiden werden: „Russlands mögliche Ausbildung und Stationierung nordkoreanischer Truppen in der Ukraine markiert eine weitere kritische Phase des Konflikts, wird aber keinen größeren globalen Krieg heraufbeschwören“, sagte James Rogers, Forschungsleiter des in Großbritannien ansässigen Think Tanks Council on Geostrategy.

Nordkorea will in der Ukraine Kampferfahrung sammeln

Sollten sich die Berichte über nordkoreanische Soldaten in der Ukraine bestätigen, würde der Westen dies dennoch als erhebliche Eskalation mit Auswirkungen über die Ukraine hinaus werten. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin warnte vor einem „sehr, sehr ernsten Problem“ mit Folgen nicht nur für Europa, sondern auch für die ohnehin angespannte Lage im Indopazifik. Genauer wurde er aber nicht. Auch das Auswärtige Amt in Berlin fand klare Worte: „Die Unterstützung des russischen Angriffskriegs durch Nordkorea bedroht auch die Sicherheit Deutschlands und die europäische Friedensordnung unmittelbar.“ 

Für Nordkorea gibt es vor allem das Sammeln direkter Kampferfahrung in einem modernen Großkrieg mit einem massiven Einsatz von Drohnen und weitreichenden Raketen zu gewinnen. Wie die Ukraine berichtet, sollen nordkoreanische Experten bereits seit längerer Zeit unter anderem in Verbindung mit angeblich gelieferter nordkoreanischer Raketentechnik im besetzten ostukrainischen Gebiet aktiv sein. Dabei sollen Anfang Oktober bereits mehrere Nordkoreaner bei einem ukrainischen Raketenschlag getötet worden sein. 

Für Nordkorea könnte es auch um russische Atomwaffentechnologie gehen

Außerdem könnte es für Pjöngjang um eine Gegenleistung in der Zukunft gehen. Der ukrainische Militärgeheimdienstchef Kyrylo Budanow behauptete im Gespräch mit dem britischen The Economist, dass es Nordkorea neben Geld um die Umgehung von Sanktionen und den Erhalt russischer Technologien für taktische Atomwaffen und U-Boot-Raketensysteme gehe.

Auf Linie getrimmt: nordkoreanische Soldaten. (Symbolfoto)
Auf Linie getrimmt: nordkoreanische Soldaten. (Symbolfoto) © IMAGO / Russian Look

Der Westen versucht aktuell, Nordkorea mit Diplomatie zum Fernbleiben zu bewegen, doch die Mittel sind begrenzt. Wegen Nordkoreas Streben nach Atomwaffen und der schon erfolgten Unterstützung des russischen Angriffskriegs wurden bereits in der Vergangenheit zahlreiche Sanktionen verhängt. Eine signifikante Verschärfung ist kaum mehr möglich. Es bliebe dann noch die Option, im Gegenzug die militärische Unterstützung für die Ukraine deutlich auszubauen. (cgsc mit dpa)

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